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Konvent der AfD: Turbulente Tage für Meuthen

June 18
15:15 2020
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Parteichef Meuthen

HANNIBAL HANSCHKE/ REUTERS

Turbulenzen sind zu erwarten. An diesem Samstag kommen in einem Hotel in Sachsen-Anhalt die Delegierten des AfD-Konvents zusammen, das ist eine Art Kleiner Parteitag, zu dem 55 Mitglieder geladen sind. Darunter natürlich Parteichef Jörg Meuthen, der nach jetzigem Stand auch anreisen wird.

Es wird, unter anderem und vor allem, um den Fall von Andreas Kalbitz gehen, den einstigen Brandenburger Landes- und Fraktionschef, der vor drei Wochen seine Parteimitgliedschaft durch einen Vorstandsbeschluss verlor. Es war Jörg Meuthen, der diesen Beschluss vorangetrieben hatte.

Es ist nicht das einzige Treffen dieser Art. Parallel zur Tagung des Konvents im Osten kommen tief im Westen, in der AfD-Landesgeschäftsstelle in Düsseldorf, an diesem Samstag 14 von 16 Landesvorsitzenden zusammen, um ebenfalls über die Folgen der Krise zu beraten.

Denn seitdem Kalbitz' Mitgliedschaft für nichtig erklärt wurde, ist die Stimmung zwischen einzelnen Akteuren am Boden, mitunter herrscht Funkstille. Die Partei steckt in der Krise, in bundesweiten Umfragen sind die Rechtsaußen zurückgefallen. Co-Parteichef Meuthen und der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland haben seit dem Vorstandsbeschluss nicht mehr miteinander gesprochen. Gauland stellte sich in der Causa Kalbitz gegen Meuthen.

Worum geht es? Der Vorstand wirft Kalbitz vor, er habe unter anderem seine Mitgliedschaft in der verbotenen Neonazi-Organisation HDJ bei seinem Parteieintritt in die AfD verheimlicht. Der gebürtige Bayer, derzeit parteiloses Mitglied in der Brandenburger AfD-Landtagsfraktion, klagt dagegen vor dem AfD-Bundesschiedsgericht und seit Kurzem auch vor dem Landgericht in Berlin. Er bestreitet, je Mitglied der HDJ gewesen zu sein, das Bundesamt für Verfassungsschutz verweist in seinem Gutachten allerdings auf eine HDJ-Mitgliederliste: Dort steht "Familie Andreas Kalbitz" unter der Nummer "01330".

Das Brandenburger Landesamt für Verfassungsschutz lässt seit dieser Woche den gesamten Landesverband als sogenannten Verdachtsfall beobachten – auch wegen Kalbitz' Aktivitäten im nationalistisch-völkischen "Flügel"-Netzwerk. Dieses Netzwerk, inzwischen formal aufgelöst, wurde im März vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft.

Auf der Tagung des Konvents wird die Kluft deutlich, die sich durch den Konflikt um Kalbitz in der AfD aufgetan hat. Das ist aus Anträgen herauszulesen, die dem SPIEGEL vorliegen.

So wollen vier niedersächsische Vertreter, darunter der AfD-Bundestagsabgeordnete Armin Hampel, Meuthen rügen lassen. Der Grund: Dieser hatte während seiner Auseinandersetzung mit dem "Flügel", in dem Kalbitz und der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke eine tragende Rolle spielten, die Trennung der Partei in einen West- und Ostverband ins Spiel gebracht.

"Eine von innen aufgezwungene Diskussion des Bundessprechers über eine Abspaltung oder eine Aufspaltung der AfD", so heißt es in dem Antrag, "wirkt parteischädigend und zersetzend". Die Äußerungen Meuthens sollten daher vom Konvent "entschieden zurückgewiesen" werden, fordert Hampel.

Spendenaffäre ein Thema in Anträgen

Auch der Stand des Rechtsstreits über die Spendenaffäre von Meuthen soll auf dem Konvent besprochen werden – so zumindest wollen es zwei Delegierte aus Höckes Thüringer Verband, darunter Torben Braga, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion in Erfurt. Der Grund: Meuthen hatte in der juristischen Auseinandersetzung rund um die Goal AG, die seinen baden-württembergischen Landtags-Wahlkampf 2016 mit Werbematerial begleitet hatte, jüngst vor dem Verwaltungsgericht Berlin eine Niederlage erlitten. Ob Meuthen vor das Oberverwaltungsgericht (OVG) zieht, ist bislang offen.

Teile der Bundesvorstand die "optimistische Einschätzung des Bundesvorsitzenden in der Sache, sollte der Konvent folgerichtig dem Bundesvorstand aufgeben, den Rechtsweg weiter zu beschreiten", heißt es im Antrag. Ein möglicherweise gefährlicher Vorstoß: Denn stoppt der Konvent den Gang zum OVG, dann bedeutete das eine Niederlage für Meuthen. Und die AfD müsste eine vom Bundestag verhängte Strafzahlung in Sachen Goal AG begleichen – wegen illegaler Parteienfinanzierung.

Im Fall Meuthen geht es dabei um 269.400 Euro. Das Thema bewegt weiterhin AfD-Mitglieder: Ein weiterer Antrag verlangt nämlich Auskünfte über die "Spendenverfahren" gegen Meuthen, den AfD-Europaabgeordneten Guido Reil und die Co-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel sowie "nach den bisher entstandenen Verfahrens- und Gerichtskosten inklusive Anwaltskosten".

AfD will Immobilien erwerben

Mitten in die andauernden Spendenaffären und die Strafzahlungen hinein hatte die AfD jedoch einen warmen Geldregen erhalten. Aus dem Nachlass des Ingenieurs Reiner Strangfeld (Lesen Sie hier die Details) erbte die AfD in diesem Frühjahr über sieben Millionen Euro – die größte bislang bekannte Einzelzuwendung an eine Partei in Deutschland.

Das Geld, so Überlegungen in der Partei, könnte für eine eigene Immobilie in Berlin und eine weitere Tagungsstätte für Schulungen und Konferenzen verwendet werden – bislang sitzt die Bundesgeschäftsstelle in Berlin in gemieteten Räumen.

Albrecht Glaser, hessischer AfD-Bundestagsabgeordneter und Chef der AfD-Bundesprogrammkommission, geht nun voran. Er fordert in einem Antrag, der Konvent solle in angemessener Zeit ein Konzept vorlegen, in "welcher Form für die weitere Zukunft die Zentralverwaltung des Bundesverbandes in Berlin" untergebracht werden könne. Und er will, dass der Konvent "eine Konzeption für eine dauerhaft und ständig nutzbare Tagungsstätte" entwickelt. Die solle "möglichst in der Mitte Deutschlands" liegen. Glaser spricht von einer "institutionellen Konsolidierung", durch die die Partei nunmehr "durch die freundliche Zuwendung eines der AfD gewogenen Gönners" in der Lage sei.

Doch es gibt noch eine andere Idee: Ein weiterer Antragsteller plädiert für eine "nicht gemeinnützige Genossenschaft", deren "einziger gewerblicher Zweck" der Erwerb "einer geeigneten Immobilie zum Zwecke der Vermietung an die Bundespartei" sei. Der Wunsch: ein Gebäude "mit einem Fassungsvermögen von circa 800 Personen für größere Veranstaltungen", in der "Mitte Deutschlands" – "mit guter Anbindung an Autobahn und Bahn".

Icon: Der Spiegel

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