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Koblenz – Prozess gegen Geheimdienstoffizier Anwar Raslan aus Syrien: Des Teufels Oberst

April 23
09:25 2020

In Koblenz steht erstmals ein Verantwortlicher der syrischen Geheimdienste für Folter und Morde vor Gericht. Bedeutet das den Auftakt, Assads Regime zur Rechenschaft zu ziehen? So einfach ist es nicht.

Zum ersten Mal muss sich ein hochrangiger syrischer Offizier für die Folter und Morde des Assad-Regimes seit 2011 vor Gericht verantworten: Am Koblenzer Oberlandesgericht beginnt am Donnerstag der Prozess gegen den früheren Ermittlungschef der syrischen Staatssicherheit, Anwar Raslan, sowie Eyad Alghareib, einen rangniederen Beamten.

"Verbrechen gegen die Menschlichkeit" wirft die Generalbundesanwaltschaft Raslan vor, Folter in mindestens 4000 Fällen, Mord in mindestens 58 Fällen, dicht belegt durch zwei Dutzend Zeugenaussagen, die in der Anklageschrift aufgeführt werden.

Sie berichten von Schlägen mit Fäusten und schweren Kabeln, Elektroschocks und derart überfüllten Zellen, dass sie sich zum Schlafen nicht einmal hinsetzen konnten. Und immer wieder: von den Schreien aus anderen Zellen, aus den Gängen, tags, nachts.

Durchgangshölle auf Erden

Das Khatib-Untersuchungsgefängnis in Syrien, das Oberst Raslan bis September 2012 unterstand, war eine Durchgangshölle auf Erden. "Eigenhändige Folterungen" seien Raslan nicht nachzuweisen, so die Anklage, aber als Verantwortlicher hatte er die "Tatherrschaft".

Dass die beiden Angeklagten nun hierzulande vor Gericht kommen, verdankt sich dem Weltrechtsprinzip, dem sich Deutschland 2002 angeschlossen hat. Demnach können Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch dann von der deutschen Justiz geahndet werden, wenn sie woanders begangen wurden, weder Täter noch Opfer Deutsche sind.

Dieses Verfahren, heißt es in vielen Kommentaren zum Prozessauftakt, markiere den Beginn, irgendwann auch die Köpfe der syrischen Diktatur für ihre Verbrechen juristisch zur Verantwortung zu ziehen: Nirgends mehr sollen sich Assads Schergen fortan sicher fühlen.

Doch hier wird die Sache komplizierter: Raslan und Alghareib gehören zur winzigen Schar syrischer Geheimdienstler, die sich nach Beginn des Aufstands und dem Beginn des massenhaften Mordens vom Regime losgesagt hatten, zur Opposition überliefen.

Nur deshalb konnten sie im Februar vergangenen Jahres überhaupt so unkompliziert an ihren deutschen Meldeadressen verhaftet werden. An ihren Taten ändert das nichts. An der politischen Botschaft des Prozesses für die Angehörigen des syrischen Machtapparats hingegen einiges.

Er habe Menschen zu Geständnissen bringen sollen, wo es nichts zu gestehen gab

Als Rebellen den heute 57-jährigen Raslan im Dezember 2012 mit seiner Familie über Umwege nach Jordanien schmuggelten, wurde er von der rasch wachsenden Exilantenszene dort als Gewinn betrachtet: Je hochrangiger ein Überläufer, desto größer die Chance, dass Assads Diktatur kollabiert, so das Kalkül. Was jemand zuvor getan hatte, war damals und noch für Jahre zweitrangig – so lange die Hoffnung auf den Sturz des Regimes währte.

Im April 2013 traf der SPIEGEL Raslan in Amman. Durchaus akkurat, soweit es sich überprüfen ließ, sprach er über das Innenleben des syrischen Machtapparats: die Lügen, die Paranoia, darüber, wie die Geheimdienste bereits ab 2005 jenen dschihadistischen Terror inszeniert und aufgebaut hatten, dessen Bekämpfung den Deckmantel ihres Terrors abgab. Über sich gab er ein Selbstbild preis, das für Außenstehende verstörend wirkt, aber das viele der Überläufer aus Armee, Partei und Geheimdiensten teilten.

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