Katharina Dalisda im Interview: Deutschlands stärkste Frau nutzt eine Männer-Domäne für sich aus
Sport
Der Sport Mixed Martial Arts ist von Männern geprägt. Dabei stehen Frauen bei Käfigkämpfen ihren männlichen Kollegen in nichts nach. Katharina Dalisda beweist das seit Jahren, die Frankfurterin ist mittlerweile Championesse bei der Organisation Oktagon. Ihren Weg zum Sport hat sie über Umwege gefunden, nun kann sie bei Oktagon 62 am 12. Oktober im Deutsche Bank Park (ab 16.30 Uhr exklusiv auf RTL+ zu sehen) ihre Erfolgsgeschichte fortsetzen.
ntv: Frau Dalisda, Sie sind seit Jahren eine feste Größe in MMA Deutschland. Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, mit dem Sport anzufangen?
Katharina Dalisda: Ich habe 17 Jahre Judo gemacht und als Kleinkind schon angefangen. Irgendwann hatte ich eine kurze Ausdauerlauf-Triathlon-Phase und das ist mir mit der Zeit ein bisschen zu langweilig geworden. Aber dabei habe ich tatsächlich jemanden kennengelernt, mit dem ich mich unterhalten habe. Und er hat erzählt, dass er Kickboxen macht. Und dann dachte ich mir: Okay, hört sich eigentlich ganz cool an. Ich habe mir damals unter Kickboxen eigentlich eher so Fitness-Kickboxen vorgestellt. Also plump trainieren, am Sandsack auspowern. Ich habe den Sport ausprobiert und bin da einfach so reingewachsen. Nach ein paar Wochen war ich bereits im Sparring und das hat mich enorm an der Sportart fasziniert. Aber MMA war vorweg eigentlich überhaupt nicht so meins. Es war mir zu brutal mit diesen kleinen Handschuhen. Später kam dann noch Grappling, also der Bodenkampf dazu, und das hat mir wiederum so viel Spaß gemacht, dass der Weg zu MMA sehr kurz war und ich damit angefangen habe. Wettkämpfe hatte ich aber da noch nicht auf dem Schirm. Der Gedanke kam erst, als ich wirklich fast täglich auf der Matte war und auch hart und intensiv trainiert habe.
Von außen wirkt der Sport auf viele brutal. Kampfsport ist in fast jeder Disziplin Vollkontakt. Sie haben das Grappling und Ringen erwähnt. Kann eine Kämpferin selbst bestimmen, wie brutal ein MMA-Kampf letztlich wird?
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Jeder geht mit einem gewissen Gameplay ran. Der ganze Sport ist sehr, sehr taktisch. Viele sagen, das ist so ein bisschen wie Schach. Dem kann ich nur zustimmen. Auch wenn ein Kämpfer im Stand bleibt, muss nicht zwangsläufig ein richtig blutiger Kampf daraus werden. Wer eine gute Defense hat, kassiert nicht viele harte Schläge. Das sieht natürlich anders aus, wenn man einfach ohne Deckung nach vorne geht. Ich selbst bin eine Allrounderin, ich kämpfe gerne im Stand, ringe auch gerne und gehe auf den Boden. Am Ende des Tages will man gewinnen und tut alles dafür innerhalb des Regelwerks – da scheut man sich natürlich nicht, harte Treffer zu landen. Das ist am Ende des Tages Teil des Sports.
Lässt sich ein Kampf dann im Training überhaupt simulieren?
Das Training ist der größte Teil des Sports und da sieht es anders aus. Wir prügeln uns jetzt natürlich nicht bis aufs Blut, jeden Tag auf der Matte. Klar, wir machen auch Sparring, wir machen Techniktraining. Aber in einer anderen Intensität und auch mit dickeren Handschuhen. Ich finde, das ist ein cooler Aspekt des Sports: Auf der Matte herrscht eine große Vertrauensbasis, um eben ordentlich und verletzungsfrei zu trainieren. Für mich ist das ganz besonders wichtig, weil ich halt erstens eine Frau und zweitens klein und leicht bin. Wenn es die Jungs darauf anlegen, könnten sie mich jedes Mal, wenn sie wollten, einfach K.o. schlagen oder verletzen. Das ist eben das Wichtige, dass man sich auf die Trainingspartner verlassen kann. Dass beide das Maximale aus dem Training herausholen, ohne sich zu verletzen.
Jetzt wird Kampfsport auch von vielen Frauen betrieben, oft, um sich verteidigen zu können. Ist MMA dann gerade dafür ideal, weil es alle Kampfsportarten verbindet?
Es ist auf jeden Fall nicht verkehrt. Man muss natürlich immer dazu sagen, für eine Frau gibt es körperliche Grenzen. Der Sport hat mir aber sehr viel Selbstbewusstsein gegeben. Ob es jetzt draußen auf der Straße ist, wenn ich allein in der Nacht unterwegs bin oder auch im Arbeitsumfeld. Es hat mich schon zu einer viel stärkeren Persönlichkeit gemacht. Und das ist ein sehr wichtiger Aspekt, weil es oft darauf ankommt, wie man auftritt. Wenn ich jetzt selbstbewusst und befreit von irgendwelchen Ängsten draußen herumlaufe, ist die Wahrscheinlichkeit viel geringer, dass ich zum Opfer werde. Bei MMA lernt man, sich zu verteidigen oder auch auszuteilen. Dazu weiß man, wozu man in der Lage wäre – das stärkt das Selbstbewusstsein.
Dieses Selbstbewusstsein brauchen Sie dann sicher auch im Kampf. Was ist das dann für ein Gefühl, wenn Sie in den Käfig steigen? Ist es Vorfreude, Nervosität oder sind Sie komplett gelassen?
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Es ist tatsächlich ein ziemlicher Gefühls-Mix. Je mehr Kämpfe man gemacht hat, desto entspannter wird man. Aber jeder Kampftag ist schon ein Stück weit anders. Ich habe bereits alle Gefühlslagen am Kampftag erlebt, von kompletter Nervosität, sodass ich nichts mehr essen konnte, bis relativ entspannt. Vorfreude gibt es sowieso. Das Kribbeln beginnt schon mehrere Stunden vor dem Kampf, weil man weiß: Okay, es geht bald los. Ich persönlich versuche, so gut es geht, entspannt zu bleiben. Sobald ich anfange mit dem Warm-up, bin ich in vertrauten Gefilden und werde automatisch entspannter. Dann kann ich mich gut fokussieren und diese Nervosität ins Positive umwandeln.
Sie haben den Titel im Strohgewicht der Frauen in Frankfurt gewonnen und bereits verteidigt. Das war vor 10.000 Menschen. Jetzt ist die Bühne beim Kampf gegen Mallory Martin sechsmal größer. Ändert das was? Ist man da ein bisschen vorsichtiger oder bedachter beim Training?
Es ist natürlich ein wichtiger Kampf. Mal abgesehen davon, dass es vor 60.000 Leuten im Stadion passiert, ist es eine Titelverteidigung. Es ist für meine Karriere sehr wichtig, diesen Titel zu behalten. Daher bereite ich mich eigentlich wie immer vor. Wir sind diesmal noch ein bisschen individualisierter unterwegs. Wir machen mehr Einzeleinheiten, wo wir spezifisch auf den Kampf eingehen. Es wird ein Highlight, einfach vor so vielen Leuten zu kämpfen. Die Reichweite ist eine ganz andere. Es kriegen viel mehr Leute mit. Aber der Kampf an sich, sobald es losgeht, ist ein Kampf wie jeder andere.
Sie haben gegen Ihre Gegnerin von Frankfurt bereits vor zwei Jahren in einem Kampf nach Punkten besiegt. Ist die Herausforderung gegen Mallory Martin nun größer?
Ich denke, von der Herausforderung ist es ähnlich wie beim ersten Kampf. Sie wird sich sicherlich weiterentwickelt haben, ich habe mich aber auch weiterentwickelt. Sie hat seitdem zwei Kämpfe gemacht und auch zwei Siege geholt. Ich sehe es aber als völlig neuen Kampf. Ich war beim ersten Duell der klare Underdog, sie haushohe Favoritin. Ich habe letztlich dominant gewonnen. Dieses Mal werde ich vermutlich die Favoritin sein, aber darauf gebe ich jetzt, ehrlich gesagt, auch nicht viel. Wir werden beide einen gewissen Gameplan verfolgen. Ich kenne ihren nicht, sie kennt meinen nicht. Deshalb wird der Kampf komplett neu aufgerollt.
So ein bisschen Druck dürfte aber dennoch auf Ihren Schultern lasten. Sie sind die größte Repräsentantin im deutschen Frauen-MMA. Auf der Seite Fight Matrix, eine Art Weltrangliste, rangieren Sie unter den besten Kämpferinnen, vor Ihnen sind nur Vertreterinnen aus der UFC. Nun kämpfen Sie zum zweiten Mal gegen dieselbe Gegnerin bei Oktagon. Kommt der nächste Schritt, wenn es keine Herausforderung mehr gibt?
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Das ist genau der Punkt. Ich will definitiv Gegnerinnen kämpfen, die für mich eine Herausforderung darstellen, an denen ich selbst wachsen kann. Bisher hat Oktogon einen guten Job gemacht und auch immer gute Gegnerinnen gestellt. Im Juli sollte auch ein Contender-Kampf stattfinden, bei dem meine Gegnerin für Frankfurt ermittelt werden sollte. Das ist aufgrund einer Verletzung nicht zustande gekommen. Der Pool an Frauen bei Oktagon ist nicht riesig, aber man wollte eben für einen Titelkampf nicht auf jemanden komplett externen setzen. Daher ist es ein Rematch mit Mallory geworden, die sich das durch zwei Siege verdient hat. Oktagon arbeitet professionell und stellt tolle Events auf die Beine. Ich bin ich dort bislang sehr zufrieden und wenn sie weiterhin Gegnerinnen finden, die eine Herausforderung für mich sind, werde ich das auch weiter bleiben.
Mit Katharina Dalisda sprach Michael Bauer.
Quelle: ntv.de