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Kabayel bald der neue Schmeling: Deutschlands Box-König herrscht über Wattenscheid und Riad

February 18
21:15 2025

Sport

Früher hatte Wattenscheid die SG, heute hat Wattenscheid den neuen Max Schmeling.

Früher hatte Wattenscheid die SG, heute hat Wattenscheid den neuen Max Schmeling.

Agit Kabayel hat sich hochgeboxt. Jetzt tritt der Mann aus dem Pott in Riad bei einer Boxshow auf, die Kenner als besten Kampfabend der Geschichte preisen. Gegen einen Koloss aus China kämpft Kabayel um das Recht, Schwergewichts-König Oleksandr Usyk zu fordern. In Deutschland ist das Interesse daran merkwürdig gering.

"Mach den Mann nervös", sagt Sükrü Aksu, während Agit Kabayel auf den riesigen Sandsack im Düsseldorfer "UFD-Gym" einschlägt. Draußen pfeift ein garstiger Wind durch die Kölner Straße. Drinnen, wo die Tränen des Schindens verdampfen, herrscht dicke Luft, steht der Schweiß unter der niedrigen Decke. Werktag für Kabayel. Es ist Mitte Februar und die letzte Woche vor seinem Abflug nach Saudi-Arabien.

Der Mann, den Deutschlands bester Preisboxer am 22. Februar in der Kingdom Arena von Riad nervös machen soll, heißt Zhang Zhilei. Ein 1,98 Meter großer, an die 130 Kilogramm schwerer Chinese mit einem riesigen Schädel, von dem nicht wenige Experten sagen, keiner haue im Schwergewicht zurzeit härter. Im Jahr 2023 knipste Zhang dem hochgehandelten Joe Joyce mit einem rechten Konterhaken das Licht aus. Dem Engländer eilte der Ruf des unausknockbaren Granitkopfes voraus. Dann schlug der Koloss aus dem Reich der Mitte zu. "Chinese Power", kommentierte Zhang (Kampfname "Big Bang") lapidar.

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"Er überrascht die Gegner. Ich glaube nicht, dass er die größte Power im Schwergewicht hat, aber er schockt die Leute", lobt Kabayel seinen Rivalen im sport.de/ntv.de-Interview nach der harten Einheit: "Zhang hat ein starkes Timing, er weiß ganz genau, wann sein Gegner nicht die Körperspannung hat, und dann schlägt er zu. Ich denke, das wird der härteste Kampf meiner Karriere. Eine Herausforderung, aber ich will mich ja selbst testen. Ich will wissen, wo ich stehe."

Nur noch eine Stufe bis zum Thron

Agit Kabayel steht gut da. Nervös ist er nicht. In der Rangliste des World Boxing Council (WBC) belegt der 32-Jährige nach dem Rückzug von Ex-Champion Tyson Fury Rang eins. Gegen den Zweitplatzierten Zhang kämpft Kabayel in Riad im Rahmen einer gigantischen Boxshow mit sieben Titelkämpfen. Es geht um den "Interims"-WM-Gürtel des WBC. Keine vollwertige Weltmeister-Krone zwar (sondern ein Konstrukt des Verbandes, um die obligatorische Titelgebühr abzukassieren). Aber immerhin die letzte Stufe zum Thron. Der Sieger ist Pflichtherausforderer von Schwergewichts-König Oleksandr Usyk.

Für Kabayel ist es der dritte Kampf in Folge in Saudi-Arabien, der dritte auf der größtmöglichen Bühne. Die dritte Millionen-Börse. Ende 2023 hatte er als Vorkämpfer der Superstars Anthony Joshua und Deontay Wilder den riesigen Russen Arslanbek Makhmudov in vier Runden kurz und klein gehauen. Im Vorjahr walzte Kabayel im Rahmenprogramm des geschichtsträchtigen Duells zwischen Usyk und Fury den Kubaner Frank Sanchez platt – K.o. in der Siebten.

Der Mann aus Bochum-Wattenscheid ist in der Champions League angekommen. Am 22. Zwoten kämpft er auf einer Bühne mit den Halbschwergewichts-Größen Artur Beterbiev und Dmitry Bivol sowie den Schwergewichts-Stars Daniel Dubois und Joseph Parker, die den IBF-Titel ausfechten.

In Deutschland verschwindet Kabayel in der Nische

Viele Boxkenner bezeichnen den Kampfabend ob der Fülle an hochkarätigen Duellen als stärkste Fightcard der Geschichte, mindestens aber seit den Hochzeiten von Starkstromlocke Don King im Las Vegas der Neunziger. Kabayel ist dabei. Vor kurzem erst hat er einen Vertrag bei Promoter-Legende Frank Warren unterzeichnet, einem der einflussreichsten Macher im Geschäft. Als Manager steht ihm Spencer Brown zur Seite. Der Brite zog jahrelang für Tyson Fury die Fäden, gilt als wichtiger Vertrauter des saudischen Box-Moguls Turki Al-Sheikh.

Kabayel hat in den letzten anderthalb Jahren viel gesehen und viel erlebt, die ganz Großen des (Box-)Sports kennengelernt. Stolz erzählt er von Direktnachrichten, die er mit Fußball-Weltstar Cristiano Ronaldo vor einem seiner Kämpfe ausgetauscht habe. Der Portugiese sitzt als Profi des saudischen Klubs Al-Nassr regemäßig bei Al-Sheikhs Hochglanz-Events am Ring.

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In Deutschland hat der Aufstieg des Schwergewichts bis dato dagegen kaum einen hinterm Ofen vorgelockt. Seit dem Ende der Boomer-Jahre mit Henry Maske und den Klitschkos steckt das Boxen hierzulande in einer Nische. Und mit ihm Agit Kabayel.

Liegt es daran, dass Kabayel einen Migrationshintergrund hat?

"Ich finde das schade und verstehe das nicht. Ich versuche, so bescheiden wie möglich zu bleiben, mache keinen Trash Talk und versuche, mit Leistung zu glänzen", sagt er und zählt auch die Medien an: "Ich kämpfe für Deutschland, ich stehe kurz vor einem Weltmeisterschafts-Kampf im Schwergewicht, boxe jetzt um eine Interims-WM, eine kleine WM sozusagen – ich bin auf dem großen Sprung und trotzdem kommt kein Push. Die Medien schlafen, haben irgendwie keine Lust, darüber zu berichten. Vielleicht ist der Boxsport für den deutschen Markt zu teuer und keiner hat Lust, es zu pushen. Ich kann es nicht fassen, das nicht zu pushen."

Liegt es vielleicht an Kabayels Nachnamen, dem "Migrationshintergrund" seiner Eltern, die einst aus dem kurdischen Teil der Türkei nach Deutschland kamen? Lägen die Dinge anders, wenn er Schulz oder Müller hieße? "Das können wir nicht wissen", antwortet Kabayel, Jahrgang 1992, geboren in Leverkusen. Es sei ihm an Ende auch egal. "Mund abwischen, weiter geht's. Den Kopf in den Sand stecken und darüber rumheulen bringt nichts. Wir müssen Gas geben."

Trotz Scheich-Millionen: Wattenscheid statt Dubai

Immerhin habe ihm der Streamingdienst "DAZN", der am 22. Februar überträgt, eine "große Ehre gemacht", erzählt Kabayel. "Sie haben mich in Wattenscheid auf einem alten Kriegsbunker mit einem riesigen Graffito verewigt. Meine Eltern, besonders meine Mutter und auch meine Frau sind sehr stolz und froh."

Bochum-Wattenscheid. Am Pott hängt Kabayels Herz. "Wenn ich zwei oder vier Wochen im Urlaub bin, will ich wieder nach Hause. Zu Hause ist für mich Wattenscheid. Es ist sehr schwer, sich von der Heimat zu trennen", sagt der Boxer. "Ich habe Freunde, die mir seit einem halben Jahr einreden: 'Wandere doch aus, dann bezahlst du keine Steuern!' Aber wo soll ich hin? In die Schweiz will ich nicht, nach Dubai auch nicht und nach Monte Carlo auch nicht."

Und so frisst Kabayel weiterhin im grauen Ruhrgebiet Kilometer und ackert im spartanisch eingerichteten UFD-Gym im "großen" Düsseldorf. "Es ist schwer, um fünf Uhr morgens auf der Straße zu sein, wenn man im Seiden-Pyjama schläft", hat die Box-Ikone Marvelous Marvin Hagler einst die Gefahr beschrieben, die in Erfolg und gutem Geld schlummert. Aus Wattenscheid führt keine Seidenstraße. "100 Prozent. Ich bin sehr, sehr hungrig", betont Kabayel.

In Saudi-Arabien hat er zwar siebenstellig kassiert. Abheben aber gibt's nicht. Sein Trainer-Mentor Sükrü Aksu habe ihn "ja schon so gut erzogen", dass nicht einmal er aufzupassen brauche. "Es sind keine neuen Freunde dazugekommen", sagt Kabayel auf seine Erfolgs-Story angesprochen: "Ich halte meinen Kreis klein. Sportlich haben wir einen Schritt nach vorne gemacht, aber sonst ist alles gleich: Mein Trainerteam, das Umfeld. Mein Ziel ist es, Weltmeister im Schwergewicht zu werden." Ein Sport-Olymp, den bisher nur ein Deutscher erklommen hat: Max Schmeling, vor fast 100 Jahren.

Zhang mit nur zwei umstrittenen Niederlagen in 30 Kämpfen

Auf dem Weg zum Titel muss Kabayel den Brocken Zhang aus dem Weg räumen. Stilistisch verspricht der Kampf viel. Der 1,91 Meter große (und rund 108 Kilogramm schwere) Kabayel hat sich als Offensivmaschine einen Namen gemacht, gilt im Schwergewicht als bester "Body Puncher". Der russischen Zhang-Version Makhmudov vernagelte er mit Trefferserien zum Körper die Sauerstoffschächte, Kubas Box-Musterschüler Sanchez ebenso. "Leber King" nennt sich Kabayel seit diesen Machtdemonstrationen. "Der Körper ist größer als der Kopf, da öffnen sich die Lücken", erläutert er seine Gangart. Bearbeite den Körper und der Kopf wird folgen, heißt die alte Box-Weisheit.

Mit Zhang steht Kabayel nun ein konterstarker Linkshänder mit zwei gewaltigen Kellen gegenüber. "Wir boxen gegen einen Rechtsausleger, das ist die Schwierigkeit, darauf muss man sich einstellen", sagt Kabayel: "Wir müssen auf Konter aufpassen, den Fokus auf die boxerischen Stärken legen. Ich glaube, er wird sich auf mich einstellen. Wenn ich zum Körper gehe, wird er sicher versuchen, zu kontern." Um bestmöglich vorbereitet in Riad aufzuschlagen, ließ sich Kabayel im Sparring vom deutschen Meister Viktor Jurk (2,04 Meter) und dem Kubaner Carlos "Hulk" Castillo Rodriguez (1,97 Meter) fordern – ebenfalls Rechtsausleger. Simulation.

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Zhang ist eine andere Kategorie: Ein erfahrener Knochen, der im Gegensatz zu Kabayel eine lange Amateur-Laufbahn hinter sich hat. Im Jahr 2008 gewann er bei den Olympischen (Heim-)Spielen von Peking Silber, vier Jahre später scheiterte der Hüne im Viertelfinale erst am späteren Gold-Triumphator Anthony Joshua. Als Profi hat Zhang von 30 Kämpfen nur zwei verloren, nach Punkten gegen Filip Hrgovic und Joseph Parker, Leute aus der Weltspitze. "Seine Niederlagen waren kontrovers, da kann man drüber streiten, ob er da verloren hat", merkt Kabayel an.

Schlachtplan? Wenn der Gong schlägt, geht's los

Für den Deutschen spricht das Alter. Mit 32 dürfte Kabayel am Zenit kratzen. Zhang hat schon 41 Lenze auf dem Buckel. "Agit wird ihn in tiefe Gewässer zwingen – mal sehen, wie gut er schwimmen kann", prophezeite Manager Brown schon Ende 2024 im Interview mit sport.de/ntv.de. Zhang sei ein "großer, starker Mann", lasse nach sechs Runden allerdings nach. "In seinem Alter wird auf diesem Level jeder müde."

Konditionsvorteil Kabayel? Trainer Aksu ist vorsichtig. "Zhang ist doch schon zweimal ohne Probleme die volle Distanz von zwölf Runden gegangen. Er bewegt sich gut. Der Typ ist zuhause im Ring. Warum hat ihn keiner umgehauen, wenn er angeblich nachlässt?", fragt der Ring-Stratege. Sein Schützling müsse höllisch aufpassen, "dass er nicht wie Parker in so ein Scheißding reinläuft".

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Den Neuseeländer hatte Zhang bei seiner knappen Punktniederlage im Frühjahr 2024 zweimal zu Boden gedroschen – und dies auch in der zweiten Kampfeshälfte in Durchgang acht. "Das heißt: Von der ersten Runde bis zum Schlussgong Spannung", schärft Aksu seinem Boxer ein. Der Schlachtplan? "Erst wenn der Gong schlägt, weißt du, was dich erwartet", entgegnet der Trainer-Fuchs. Anpassungsfähigkeit sei gefragt.

Was Agit Kabayel bei einem Sieg im Nahen Osten über den Giganten aus dem fernen Osten erwartet, ist klar. Jedenfalls auf dem Papier. Ein WM-Kampf nach WBC-Version gegen Usyk. "Abwarten. Ich habe schon Pferde kotzen gesehen. Mir wurde schon so viel versprochen", sagt Kabayel. Überhaupt: "Erstmal Zhang schlagen, dann schauen wir, was passiert." Seit 2011 ist er Profi-Boxer. Das ultimative Ziel ist nah. Die "Interims"-WM sei noch keine richtige Weltmeisterschaft, ordnet Kabayel den Showdown mit Zhang ein. "Aber wenigstens eine kleine deutsche Boxgeschichte, die wir schreiben können."

Kabayel träumt von Oberhausen, nicht vom Ruhrstadion

Und vielleicht ja der Türöffner für einen Wunsch des Revierkämpfers. "Auch wenn ich jetzt gerade in Saudi-Arabien das große Geld verdiene. Ich würde in den sauren Apfel beißen und in Deutschland kämpfen, auch wenn ich Abstriche bei der Kohle machen müsste", sagt Kabayel.

Ein großes Homecoming? In Bochum? Im Ruhrstadion des VfL? "Das wäre natürlich ein Traum. Ist aber schon eine harte Ansage", findet Kabayel. Wenn er an zuhause denke, komme ihm zunächst einmal die Rudolf-Weber-Arena etwas weiter westlich in Oberhausen in den Sinn. "Da gehen 14.000, 15.000 rein. Das wäre die erste Hürde, die man meistern müsste. Aber man braucht eben einen Medienpartner, der da Lust draufhat."

Träumen ist erlaubt. Frohen Mutes zu sein auch. Was seine Botschaft sei angesichts einer Gesellschaft, die gefühlt mehr und mehr auseinanderfliegt, fragen wir, ehe es im Gym leer wird. "Hört auf, immer auf das Negative zu gucken, schaut doch mal auf das Positive", antwortet Kabayel: "In den Medien wird uns immer schnell erzählt, was schlecht ist und nicht gut läuft. Man muss den Leuten auch mal das Positive zeigen, dass die Leute auch mal motiviert sind, Gutes zu tun. Von Schlechtem kommt nur Schlechtes."

Quelle: ntv.de

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