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Jason Armstrong ist Polizeichef von Ferguson – ein fast unmöglicher Job

June 21
23:29 2020
Die Wut entlädt sich: Proteste vor der Polizeiwache in Ferguson Icon: vergrößern

Die Wut entlädt sich: Proteste vor der Polizeiwache in Ferguson

Christian Gooden/ AP

Wie schwer es ist, Vertrauen aufzubauen, musste Jason Armstrong in den vergangenen Wochen erfahren. Der Polizeichef von Ferguson hatte sich unter die Demonstranten gemischt, die gegen den Tod von George Floyd in Minneapolis protestierten.

Als der Zug an seiner Wache vorbeikam, ging er wie viele Teilnehmer für neuneinhalb Minuten auf die Knie. So lange hatte ein Polizist sein Knie auf den Hals von Floyd gedrückt, bis dieser starb.

Die Geste der Solidarität bewirkte nichts. Wenige Stunden später schlugen Demonstranten die Scheiben der Wache mit Baseballschlägern ein, schossen mit Feuerwerkskörpern auf Polizisten und begannen, Autos zu demolieren. Armstrong wies seine Leute schließlich an, Tränengas einzusetzen.

Noch Tage danach sieht die Polizeiwache aus, als müsse sie sich vor neuen Attacken schützen. Fenster und Türen sind mit Sperrholzplatten verrammelt. Wer einen Termin mit Armstrong hat, kann nicht einfach zur Anmeldung gehen, er muss sich draußen von einem Polizisten abholen lassen.

Die Wache ist eine Festung. Sie sieht jetzt so aus, wie der Chief es nie wollte.

Armstrong, ein 40-jähriger Afroamerikaner, leitet die Polizei in Ferguson seit etwa einem Jahr. Die Wache ist landesweit berüchtigt, seitdem ein weißer Beamter im Jahr 2014 den unbewaffneten Schwarzen Michael Brown mit sechs Schüssen niederstreckte. Wochenlange Ausschreitungen waren die Folge.

Armstrong weiß, wie schwer es ist, die Beziehung zur Bevölkerung zu verbessern. "Nicht alle sind zufrieden mit den Veränderungen, die sie wahrnehmen", sagt er. "Das ist etwas, woran wir definitiv noch arbeiten müssen."

Es wird nicht leicht. Armstrong ist – nach zwei Interimspolizeichefs und einem Vorgänger, der nur zwei Jahre im Amt war – bereits der vierte Behördenleiter, der das versucht.

Er steht exemplarisch für die Probleme, vor denen gerade auch schwarze Polizeichefs im ganzen Land stehen:

  • Die afroamerikanische Community wünscht sich schnelle, sichtbare Verbesserungen.

  • Die Polizisten erwarten, dass ihr Boss hinter ihnen steht und sie gegen pauschale Vorwürfe schützt.

  • Und die Politik schwankt, ob sie den radikalen Forderungen mancher Bürgerrechtsgruppen oder dem Bedürfnis der Bürger nach Sicherheit folgen soll.

Der Würgegriff ist in Ferguson bereits verboten

Armstrong weist darauf hin, dass in Ferguson bereits eine Menge geschehen ist. Der Würgegriff, der in Washington derzeit heftig diskutiert wird, ist in Ferguson bereits verboten. Als Michael Brown starb, seien unter den etwa 50 Polizisten fünf Schwarze gewesen, sagt Polizeichef Armstrong. Mittlerweile gehöre über die Hälfte seiner Beamten einer Minderheit an.

Armstrong hat versucht, die Kluft zwischen Bevölkerung und Polizei zu verringern. Er hat Treffen zwischen der Polizei und Gemeindemitgliedern organisiert. Er ist in Friseursalons gegangen, um Teile der Bevölkerung zu treffen, die zu Polizeiveranstaltungen nicht gekommen wären.

Aber er sieht auch, wie mühsam es ist, Veränderungen durchzusetzen. "Niemand ändert gern Verhaltensweisen, die seit Jahrzehnten Bestand haben", sagt er. Wichtig sei es, genau zu erklären, warum er Dinge verändern wolle. Nur dann habe er eine Chance, bei seinen Leuten auch Gehör zu finden.

Rassismus ist ein Problem in der Polizei

Über den Rassismus in der eigenen Truppe redet er offen. "Das ist ein großes Problem innerhalb der Polizei, weil die Leute ihre Einstellungen aus dem Alltagsleben mit in ihren Beruf bringen", sagt er. "Wir kennen alle die Geschichte des Rassismus in diesem Land."

"Das Problem ist, dass ich einem Menschen nicht ansehe, was er denkt", sagt Armstrong. Er könne bei seinen Beamten keinen DNA-Test auf Rassismus machen lassen. "Ich kann nur sicherstellen, dass ihre Arbeit genau beobachtet wird, damit sich solche Menschen nicht innerhalb der Organisation verstecken können", sagt er.

Das ist bei einer kleinen Polizei wie der in Ferguson leichter als in einer Großstadt mit mehreren Tausend Polizisten. Alle Beamten in Ferguson tragen Kameras am Körper. Das macht es schwieriger, falsches Verhalten hinterher zu vertuschen.

Das wichtigste sei, dass die Polizisten sich für ihr Vorgehen verantworten müssten, sagt Armstrong. Dazu gehöre auch, dass Beamte dazu verpflichtet seien, Kollegen zu melden, die unnötig Gewalt anwendeten oder sonst gegen die Regeln verstießen. So etwas wie in Minneapolis, als drei Polizisten ihrem Kollegen dabei zusahen, wie er Floyd George umbrachte, soll es in Ferguson nicht geben.

"Wenn du dabei warst, wie ein Polizist falsch gehandelt hat, und du meldest es nicht, dann bist du genauso mitschuldig", sagt Armstrong. Es sei eine Führungsaufgabe, das allen klar zumachen.

Für eins hat der Polizeichef wenig Verständnis: "Defund the Police", also weniger Geld für die Polizei. Das sei eine Forderung, die ein Teil der Politiker sich zu eigen mache, weil sie glaubten, die Menschen im Land wollten das hören. Teil einer seriösen Polizeireform sei das nicht.

Donald Trump ist nicht hilfreich

Ohne die Politik, das weiß Armstrong aber auch, ist eine dauerhafte Verbesserung schwierig. Ist Präsident Donald Trump dabei hilfreich? Armstrong muss nicht lange überlegen. "Nein", sagt er.

"Ich versuche die Leute so zu respektieren, wie sie sind", sagt er. "Aber wenn man eine solche Bühne hat, dann sollte man eine Botschaft der Einheit senden und keine, die die Leute spaltet." Seine Arbeit in Ferguson machen diese Botschaften nicht leichter.

Icon: Der Spiegel

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