IWF erwartet für Weltwirtschaft “Krise wie keine zweite”

Passant vor Protestplakaten gegen Niedriglöhne in Buenos Aires: Ein "katastrophaler Schlag" für den Arbeitsmarkt
Juan Ignacio Roncoroni/EPA-EFE/Shutterstock
Zweimal im Jahr veröffentlicht der Internationale Währungsfonds (IWF) eine globale Konjunkturprognose, den World Economic Outlook. Die vorige Ausgabe im April stand im Zeichen des Kampfes gegen die Corona-Pandemie, ihr Titel lautete: "Der große Lockdown". Mittlerweile werden die wirtschaftlichen Folgen dieses Kampfes klarer, weshalb der IWF nun eine Aktualisierung veröffentlicht. Ihr Titel klingt dramatisch: "Eine Krise wie keine zweite, eine ungewisse Erholung".
Wie in Deutschland zuletzt die Wirtschaftsweisen korrigieren nun auch die Ökonomen in Washington ihre Vorhersage deutlich nach unten. Weltweit dürfte die Wirtschaft demnach in diesem Jahr um 4,9 Prozent einbrechen. Im April war der IWF noch von einem Minus von 3 Prozent ausgegangen – und hatte schon diese Entwicklung als "viel schlimmer" bewertet als die Finanzkrise ab 2007.
Erstmals sagt der Fonds nun eine schrumpfende Wirtschaftsleistung in allen Weltregionen voraus. Allerdings unterscheiden sich die Auswirkungen je nach Land erheblich. Industriestaaten erwartet laut dem Basisszenario in diesem Jahr ein Minus von durchschnittlich 8,0 Prozent. In Italien, Spanien und Frankreich fällt der Einbruch mit jeweils fast 13 Prozent besonders drastisch aus. Das ebenfalls stark von Corona betroffene Großbritannien erwarte ein Minus von 10,2 Prozent. Deutschland sagen die Experten einen Einbruch von 7,8 Prozent vorher.
In Entwicklungs- und Schwellenländern fällt das Minus mit 3,0 Prozent geringer aus. Allerdings verbergen sich auch hinter diesem Durchschnitt erhebliche Ausreißer, etwa in Brasilien (-9,1) und Mexiko (-10,5). Der IWF warnt zudem, wie zuvor auch schon die Uno, vor steigender Armut infolge von Corona.
Die Pandemie bedeute einen "katastrophalen Schlag für den globalen Arbeitsmarkt", heißt es im Report. Besonders davon betroffen seien geringqualifizierte Arbeiter, die nicht von zu Hause aus arbeiten können. Die Auswirkungen auf Niedrigverdienerhaushalte gefährdeten den "erheblichen Fortschritt bei der Bekämpfung extremer Armut in der Welt seit den neunziger Jahren".
Die Prognose ist laut IWF noch stärker als sonst mit Unsicherheiten behaftet. Schließlich ist bislang unklar, in welchem Umfang es zu weiteren Wellen der Infektion kommen könnte. Sollte es Anfang 2021 einen zweiten Ausbruch geben, wären die Auswirkungen laut einem Alternativszenario des IWF ungefähr halb so groß wie im laufenden Jahr. Dahinter steht die Annahme, dass die Zahl der potenziell betroffenen Menschen dann geringer wäre und deren Schutz aufgrund der bisherigen Erfahrungen besser gewährleistet werden könnte.
Wird nicht alles schlechter
Auch mit Blick auf eine mögliche zweite Welle fordert der IWF eine verstärkte internationale Zusammenarbeit: "Die Weltgemeinschaft muss nun handeln, um eine Wiederholung dieser Katastrophe zu verhindern, indem sie globale Vorräte an wichtigen Vorräten und Schutzausrüstung anlegt, Forschung finanziert und öffentliche Gesundheitssysteme unterstützt, und effektive Bedingungen schafft, um Hilfe zu den Bedürftigsten zu bringen." Das Schuldenmoratorium der G20 sei ein wichtiger erster Schritt, um armen Ländern im Kampf gegen die Krise zu helfen.
Im kommenden Jahr dürfte die Weltwirtschaft laut IWF wieder um 5,4 Prozent wachsen. Die Erholung drohe aber schleppend zu erfolgen. Das liege unter anderem daran, dass eine freiwillige Fortsetzung des Social Distancing noch länger den Konsum einschränken könnte. Gezielte Konjunkturimpulse wie die deutsche Mehrwertsteuersenkung und Lohnsersatzleistungen wie die Kurzarbeit lobt der IWF als "gute, verbreitete Praktiken, um Einkommensverluste abzufedern".
Neben vielen Risiken sehen die IWF-Forscher auch ein paar Hoffnungsschimmer. So erhole sich die Wirtschaft in China schneller als erwartet. Das Ursprungsland der Pandemie dürfte in diesem Jahr der Prognose zufolge immerhin um 1,0 Prozent wachsen. Zudem könne die Pandemie auch zu Produktivitätssteigerungen führen. Die Liste denkbarer Verbesserungen reiche von "neuen Techniken in der Medizin bis zu allgemein beschleunigter Digitalisierung oder dem Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien".
Icon: Der Spiegel