“Ich dachte, du hast gesagt …”: Lewis Hamilton rast ungebremst in den Ferrari-Albtraum
Formel1

Lewis Hamilton hatte sich deutlich mehr erhofft.
Die italienische Presse findet nach dem ersten Rennen von Lewis Hamilton für Ferrari drastische Worte, auch der Formel-1-Fahrer zeigt sich höchst unzufrieden. Das Debüt bei der Scuderia verläuft in vielerlei Hinsicht enttäuschend. Nur ein Ausrutscher oder ein Vorbote für die gesamte Saison?
In der 46. Runde war die Welt kurz scheinbar perfekt. Lewis Hamilton setzte sich an die Spitze des Großen Preises von Australien und sammelte gleich im ersten Rennen für Ferrari die ersten Führungskilometer. Allerdings nur, weil die Scuderia ihn auf der Strecke ließ, während der Rest des Feldes auf den einsetzenden Regen reagierte und seine Autos an die Box beorderte. Um von Trockenreifen auf Intermediates zu wechseln. Hamilton fragte sogar konkret am Funk nach, ob mehr Regen unterwegs sei. Sein Renningenieur Riccardo Adami aber teilte ihm mit: "Negativ."
Eine Fehleinschätzung, wie Hamilton nach dem Rennen konstatierte, das er im Albert Park von Melbourne auf einem enttäuschenden zehnten Platz beendet hatte: "Wir wurden kalt erwischt, wie stark es regnen würde, wir haben den besten Moment zum Reifenwechsel verpasst." Das wurde in Runde 47 überdeutlich, als der spätere Sieger Lando Norris im McLaren am Rekordweltmeister vorbeiflog und in weniger als einer Runde mehr als zehn Sekunden Vorsprung herausfuhr. Mühelos. Während Hamilton darum kämpfte, nicht von der Strecke zu rutschen.
"Ich dachte, du hast gesagt, dass es nur wenig regnen würde?", funkte Hamilton hörbar unzufrieden an Adami. "Wir haben hier eine große Gelegenheit verpasst." Denn Wetterumschwünge wie dieser bieten eine Chance, der Konkurrenz mit schneller und guter Entscheidungsfindung voraus zu sein. Ferrari aber zögerte zu lange. Verzockte sich. So sehr, dass Hamilton nach seinem zu späten Reifenwechsel sogar eine Nullnummer drohte.
Großer Preis von China als Chance, die auch Gefahr bietet
Doch auch der eine Punkt für Platz zehn konnte die Laune des 40-Jährigen kaum aufhellen. Eigentlich will er mit der Scuderia ja seinen achten Weltmeistertitel gewinnen. Aber "das war heute viel schlimmer als erwartet", resümierte Hamilton. "Das Auto war unfassbar schwierig zu fahren" und "ich bin dankbar, dass ich es nicht in die Streckenbegrenzung gesetzt habe, denn dahin schien das Auto die meiste Zeit zu streben." Ein vernichtendes Fazit seiner ersten 57 Rennrunden als Ferrari-Hoffnungsträger.

Sport 16.03.25 Danner zum Auftakt der F1-Saison Hamilton erleidet bei Ferrari-Debüt "doppelte Demütigung"
Die Verbindung des größten Fahrers seiner Zeit, vielleicht sogar aller Zeiten, und des größten Teams in der Geschichte der Formel 1 steht ohnehin schon unter intensiver Beobachtung. Das enttäuschende Abschneiden in Melbourne aber lenkt noch einmal mehr Aufmerksamkeit auf Hamilton und Ferrari. Auch, weil schon in dieser Woche der Große Preis von China ansteht. Der eröffnet die Option, alles besser zu machen. Birgt aber auch die Gefahr, mit dem zweiten schwachen Ergebnis gleich zu Saisonbeginn abzurutschen. In die Krise. Die bei Ferrari immer noch schlimmer ist als bei allen anderen Rennställen.
"Die Flitterwochen sind vorbei", resümierte deshalb Günther Steiner, langjähriger Haas-Teamchef und aktuell F1-Experte bei RTL, im Gespräch mit RTL/ntv: "Jetzt muss er Leistung bringen. Von den vier großen Teams steht Ferrari am meisten unter Druck." Immerhin kam auch Charles Leclerc nur als Achter ins Ziel, weshalb die Scuderia sich als Siebter der Konstrukteurswertung auf den Weg nach Shanghai machte. Hinter Sauber, bei denen Nico Hülkenberg in seinem ersten Rennen für das künftige Audi-Team mehr Punkte einfuhr als seine beiden Vorgänger in der kompletten Vorsaison.
Ferrari und Hamilton droht eine frustrierende Saison
Hamilton bemängelte neben der schlechten Fahrbarkeit seines Ferrari auch die Kommunikation vom Kommandostand. Etwas "Führung" habe ihm gefehlt, vor allem in den letzten der 57 Runden. In deren Verlauf kritisierte er allerdings auch immer wieder die Menge an Informationen, die Adami ihm zu übermitteln versuchte. "Wir müssen einen besseren Weg finden, um zwischen dem Auto und der Boxenmauer zu kommunizieren", drückte auch Teamchef Frédéric Vasseur eine Unzufriedenheit aus. Vielleicht muss sich das Duo Hamilton/Adami erst noch finden, vielleicht braucht es nur ein paar Wochenenden dafür. Vielleicht, das werden irgendwann im Rückblick natürlich fast alle schon vorher gewusst haben, ist es auch der erste Riss in der Fassade einer vermeintlichen Traum-Ehe.
Weitaus deutlicher formulierte die italienische Presse ihre Kritik. "Tuttosport" erkannte "ein bitteres Erwachen für die italienischen Fans" und machte zur "einzigen Gewissheit", dass "Ferrari nicht das Auto ist, das Charles Leclerc und Lewis Hamilton gerne gehabt hätten". Der "Corriere della Sera" sah "eine traurige Vorstellung" und der "Corriere dello Sport" machte sogar eine "Katastrophe" aus. Bei Ferrari ist alles immer größer, intensiver, drastischer.

Hamilton versuchte es dagegen vor der Abreise aus Melbourne mit Optimismus: "Ich denke, da ist viel mehr Potenzial im Auto als das, was wir heute herausgeholt haben." Schließlich habe er den Ferrari zuvor "nie auf nasser Strecke bewegt, und er fühlt sich komplett anders an als alles, was ich davor gefahren bin." Also alles nur eine Frage der Zeit? Auch Leclerc sprach zwar von einem "schwierigen Tag", der jedoch "nur das erste Rennen der Saison" abbilde: "Wir müssen uns für Shanghai neu motivieren und uns von einem enttäuschenden ersten Wochenende erholen." Sonst könnten McLaren, Mercedes und Red Bull schon früh enteilt sein. Das wäre eine Katastrophe für die Scuderia. Dort wird Erfolg primär in WM-Titeln gemessen, und auf einen solchen warten sie in Maranello seit dem Konstrukteurstitel 2008 vergeblich.
Bestätigen sich also die Eindrücke aus Australien, steuern Hamilton und Ferrari auf eine zähe und frustrierende erste gemeinsame Saison zu. Wenn Melbourne der Maßstab für die kommenden 23 Grand-Prix-Wochenenden sein sollte. Dann würde es dem Rekordweltmeister so ergehen wie Fernando Alonso und Sebastian Vettel. Auch sie waren mit großen WM-Hoffnungen bei Ferrari angetreten – und verließen die Scuderia, deren Pleiten, Pech und Pannen – wie der verpatzte Reifenwechsel diesmal – stets reichlich Spott anziehen, ohne diesen Hoffnungen gerecht werden zu können.
Quelle: ntv.de