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Hitzewellen: Zwei Milliarden Menschen droht der Hitzekollaps

May 22
20:31 2023

Temperaturen über 30 Grad Celsius machen krank und sind mitunter lebensgefährlich. Ein Forscherteam hat nun das weltweite Ausmaß von zunehmenden Hitzewellen berechnet und zeigt, wo Menschen besonders gefährdet sind.

Hitzewelle – das klingt nach Eis-schleckenden Kindern und überfülltem Freibad. Doch das ist bloß die eine, die nette Seite eines Sommers, der tagelang mehr als 30 Grad Celsius zu bieten hat. Die andere ist tragischer: volle Rettungsstellen, Notarzteinsätze und Trauerfeiern.

Im vergangenen Jahr starben in Deutschland laut Robert Koch-Institut (RKI) etwa 4500 Menschen infolge von Hitze. Europaweit gab es in den Monaten Juni bis August 2022 sogar eine Übersterblichkeit von mehr als 100.000 Menschen. Künftig dürften es mehr werden. Denn nicht nur in unserer Region, sondern weltweit werden die Sommer in den kommenden Jahren heißer.

Mehr als zwei Milliarden Menschen könnten zum Ende des Jahrhunderts bedrohlicher Hitze ausgesetzt sein, wenn die Welt sich um durchschnittlich 2,7 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erwärmt. Das schreibt das Autorenteam einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift »Nature Sustainability« erschienen ist. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben erstmals untersucht, wie viele Menschen künftig dauerhaft im Hitzestress leben müssen.

Ein Fünftel der Menschen wird außerhalb der »Klimanische« leben

Die Erwärmung um 2,7 Grad Celsius ist nicht zufällig gewählt. Laut Klimaforschern steuert die Welt derzeit auf diesen Wert zu, weil die Länder noch zu wenig tun, um den Ausstoß von Treibhausgasen einzudämmen . In diesem derzeit wahrscheinlichsten Klimaszenario wären bis 2070 mehr als 20 Prozent der bis dahin prognostizierten Bevölkerung von rund 9,5 Milliarden Menschen betroffen.

In »Worst-Case-Szenarien« von drei bis über vier Grad globaler Erwärmung könnte die Hälfte der Weltbevölkerung aus der »Klimanische« herausfallen, was die Forscher als »existenzielles Risiko« bezeichnen. Alles über 29 Grad Celsius kann dauerhaft körperlichen Stress auslösen, zu geringeren Leistungen führen, krank machen oder sogar tödlich sein.

Historisch betrachtet siedelten die meisten Menschen an Orten mit jährlichen Durchschnittstemperaturen von rund 13 sowie 27 Grad Celsius, wobei der wohlhabende Teil der Menschen näher an den 13 Grad lebt, heißt es in der Studie.

»Menschen, die aufgrund der künftigen Erwärmung außerhalb der Nische leben, werden einer gefährlichen Hitze ausgesetzt sein«, erklärt Professor Chi Xu von der Universität Nanjing. »Diese hohen Temperaturen gehen mit Problemen wie erhöhter Sterblichkeit, verringerter Arbeitsproduktivität, verminderter kognitiver Leistung, Lernschwierigkeiten, schlechteren Schwangerschaftsergebnissen, geringeren Ernteerträgen, mehr Konflikten sowie der Ausbreitung von Infektionskrankheiten einher«, warnt der Forscher.

Rund 600 Millionen Menschen sind extremer Hitze ausgesetzt

Bereits heute – bei einer globalen Erwärmung von rund 1,2 Grad Celsius – seien etwa 60 Millionen Menschen von potenziell krankmachenden Extremtemperaturen betroffen, schreibt das internationale Autorenteam unter anderem von der University of Exeter, Wageningen University und der Nanjing University. Tendenz steigend.

Die Hitzewellen treffen vor allem ärmere Länder, das zeigt sich auch in diesem Jahr deutlich: In der dicht besiedelten Hauptstadt von Bangladesch, Dhaka, kletterten die Temperaturen Mitte April auf 40,6 Grad. So hohe Temperaturen sind lokalen Behörden zufolge seit 58 Jahren nicht in der Hauptstadt gemessen worden. Auch in Indien, wo Menschen hohe Temperaturen eher gewöhnt sind, starben im April bei Temperaturen von bis zu 38 Grad mindestens elf Menschen auf einer Open-Air-Veranstaltung an einem Hitzeschlag, 50 wurden mit Gesundheitsproblemen in ein Krankenhaus gebracht. Hunderte hatten dem Innenminister Amit Shah in praller Sonne gelauscht.

Zwar könnten kühlere Orte aufgrund des Klimawandels bewohnbarer werden, doch vor allem in den von gefährlicher Hitze bedrohten Gebieten wächst derzeit die Bevölkerung stark. Bedeutende Hitzehotspots dürften künftig Indien und Nigeria sein: In Indien sind laut Prognosen zum Ende dieses Jahrhunderts rund 600 Millionen Menschen extremer Hitze ausgesetzt. In Nigeria wiederum könnten dann laut den Forschenden mehr als 300 Millionen Menschen betroffen sein. Zudem seien fast alle künftigen Einwohnerinnen und Einwohner von Mali und Burkina Faso gefährdet, heißt es.

Stoppen lasse sich die Entwicklung nicht mehr – laut den Wissenschaftlern geht es nun nur noch um die Frage, wie viele Menschen betroffen sein werden. Sollte sich die durchschnittliche Erwärmung etwa auf 1,5 Grad Celsius begrenzen lassen, so wie es das Pariser Weltklimaabkommen vorsieht, wären maximal eine halbe Milliarde Personen gefährdet. Eine ehrgeizige Klimapolitik habe also das »enorme Potenzial«, Krankheiten und damit verbundene hohe Gesundheitskosten und vorzeitige Todesfälle zu verhindern, schreiben die Autoren.

Hitzepläne können Leben retten

Einige Regierungen haben bereits damit begonnen, Hitzeaktionspläne aufzustellen, etwa in Indien. Eine der ersten Städte mit solch einem Plan war das westindische Ahmedabad. Die Millionenstadt hat bereits 2013 eine Anleitung für den Hitzenotstand aufgesetzt: Ist ein solches Wetterereignis absehbar, informieren die Behörden die Bevölkerung, Krankenhäuser und Rettungsstellen sind dann in besonderer Alarmbereitschaft und öffentliche Anzeigetafeln mit Temperaturdaten angeschaltet, auch soll Trinkwasser an öffentlichen Orten zugänglich sein.

Zusätzlich gibt es in Ahmedabad »Cooling Centers«. Das sind meist mithilfe von Klimaanlagen gekühlte Räume, in denen Menschen sich ausruhen können. Laut Hitzeplan werden die Säle in Tempeln , öffentlichen Gebäuden oder Einkaufszentren eingerichtet. Wie viele solcher Kühlzentren es in indischen Großstädten gibt und ob sie ausreichen, ist unbekannt.

Auch europäische Regierungen haben Notfallpläne entworfen, Frankreich gilt diesbezüglich als Vorreiter. Dort wurde nach dem Rekordsommer 2003 mit Tausenden Toten ein »Plan Canicule« eingeführt. Beispielsweise werden mithilfe eines Registers alleinstehende Personen, die älter als 60 Jahre alt sind, im Fall einer Hitzewarnung systematisch angerufen. Sozialarbeiter bringen bei Bedarf Wasser und leisten Erste Hilfe. Zudem greift ein vierstufiges Hitzewarnsystem und gibt lokalen Behörden konkrete Handlungsanweisungen weiter.

In Deutschland fehlt derweil ein bundesweites Konzept, nur einige Städte und Gemeinden haben bereits mit dem Hitzeschutz begonnen. Dabei wäre man auch hierzulande gut beraten, solche Pläne verpflichtend zu machen. Meteorologen und Klimaforscher gehen davon aus, dass auch in Deutschland Sommertage mit mehr als 30 Grad Celsius zunehmen werden.

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