Harvard-Historikerin über den Fall Floyd: “Die Hierarchie der Rassen gehört zur DNA des Landes”

Wissenschaftlerin Lepore: "Ich habe große Sorgen"
KAYANA SZYMCZAK / NYT / REDUX / LAIF
Lepore, 53, ist Professorin für amerikanische Geschichte an der Harvard University. In ihrem Bestseller "Diese Wahrheiten" (C. H. Beck, 1120 Seiten) erzählt sie die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika als ständigen Konflikt zwischen Liberalen und Konservativen, dem Engagement für Gleichheit und Freiheit einerseits, Unterdrückung und Spaltung andererseits.
SPIEGEL: Frau Lepore, von außen betrachtet, stellt sich Amerika immer bedrohlicher als eine Nation dar, die aus dem Gleichgewicht geraten ist. Wie lautet die Diagnose der Historikerin?
Lepore: Die auswärtigen Beobachter haben guten Grund, verunsichert zu sein. Es ist sehr schwierig vorherzusagen, was als Nächstes kommt. Historiker können ja keine gerade Zeitlinie ziehen und den Punkt, an dem wir gegenwärtig stehen, exakt bestimmen. Sie sehen sich gern auf einem Berg oder auch nur auf einem Hügel stehen und ins Tal hinunterblicken. Aber wir haben die Talsohle nicht durchschritten, wir sind mittendrin. Amerika ist aus den Fugen, die Vereinigten Staaten haben die Orientierung verloren.