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Geoffrey Berman: Entlassung von Top-Fahnder durch Donald Trump gibt Rätsel auf

June 22
13:09 2020
Donald Trump (M.) und William Barr (l./im April 2020): Skepsis und Nervosität sogar bei den eigenen Leuten Icon: vergrößern

Donald Trump (M.) und William Barr (l./im April 2020): Skepsis und Nervosität sogar bei den eigenen Leuten

Tom Brenner/ REUTERS

In der Politik ist es wie im echten Leben. Manchmal hat man erst kein Glück, dann kommt auch noch Pech dazu. Das bekommt derzeit US-Präsident Donald Trump zu spüren, wieder einmal.

Nach seiner missratenen Wahlkampfkundgebung in Oklahoma gerät er nun wegen der Entlassung eines führenden Bundesanwalts, Geoffrey Berman, zunehmend unter Druck. Der Top-Fahnder vom Southern District of New York (SDNY) war am Wochenende in einer Hauruck-Aktion von Trump und seinem Justizminister William Barr aus dem Amt gedrängt worden. Sowohl die möglichen Hintergründe als auch die Art und Weise der Entlassung erscheinen reichlich dubios.

Die demokratische Opposition im Kongress stellt viele Fragen, und auch Trumps eigene Parteifreunde bei den Republikanern sehen den Vorgang mit einer Mischung aus Skepsis und Nervosität.

Berman und sein Team aus Staatsanwälten arbeiten seit Längerem an mehreren politisch brisanten Fällen, die enge Vertraute des Präsidenten wie den früheren New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani betreffen. Gegen ihn wird offenbar im Zusammenhang mit Geschäften in der Ukraine ermittelt. Auch gibt es Spekulationen über Untersuchungen in New York, in die möglicherweise Trump selbst, seine Familie und/oder seine Unternehmen verwickelt sein könnten.

Ermittelt wird wohl zudem gegen die staatseigene türkische Halkbank wegen Sanktionsverstößen in Iran. In seinem neuen Buch schreibt Trumps früherer Sicherheitsberater John Bolton, Trump habe dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor zwei Jahren versprochen, er werde in die Ermittlungen gegen die Bank eingreifen.

Riesiger Wirbel – auch am Freitagabend

Niemand weiß Genaues, auch weil die Fahnder um Berman sich über ihre Arbeit bislang meist in Schweigen hüllten. Doch die überraschende Demission des Chefermittlers wenige Monate vor der Präsidentenwahl lässt den Verdacht aufkommen, dass die Fahnder dem persönlichen Dunstkreis des Präsidenten womöglich ein wenig zu nah gekommen sein könnten.

Dass dazu nun im politischen Washington und in den Medien ein munteres Rätselraten begonnen hat, hängt auch damit zusammen, dass Justizminister Barr in den vergangenen Monaten öfters zugunsten von Trump-Vertrauten in die Arbeit der Justizbehörden eingegriffen hat. Etwa im Fall des langjährigen Trump-Freundes Roger Stone. Barr gilt als treuer Gefolgsmann des Präsidenten.

Zugleich erscheint der gesamte Ablauf von Bermans Abgang seltsam. Justizminister Barr gab die Abberufung des Ermittlers am Freitagabend bekannt, was üblicherweise ein Zeitpunkt ist, zu dem die Regierung Nachrichten verbreitet, die möglichst wenig Aufmerksamkeit bekommen sollen.

Das ging gehörig schief: Es gab einen riesigen Wirbel, denn Berman weigerte sich zunächst zu gehen. In einer Pressemitteilung gab er bekannt, er wolle sicherstellen, dass seine Behörde weiter "unabhängig" und frei von "persönlichen Gefallen" ihre Arbeit machen könne.

Seinen eigentlichen Favoriten konnte Barr nicht installieren

Barrs offenkundiges Ziel, die Personalie möglichst geräuschlos abzuwickeln, hatte er damit verfehlt. Das Thema bekam plötzlich maximale Aufmerksamkeit, Kongressabgeordnete und Medien wurden hellhörig. Weil Berman nicht gehen wollte, musste Barr Präsident Trump persönlich einschalten, der qua Amt berechtigt ist, Bundesbedienstete wie Berman zu entlassen, was er dann laut Barr auch tat.

Wohl auch um den Schaden zu begrenzen, kassierte Barr seinen ursprünglichen Plan, einen Außenseiter aus New Jersey als Interimschef für die Berman-Behörde zu installieren, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin feststeht. Stattdessen folgte er Bermans Vorschlag, dessen bisherige Stellvertreterin Audrey Strauss mit der Interimsaufgabe zu betrauen. Die Topjuristin gilt als Vertraute von Berman und kennt wohl auch die meisten delikaten Fälle, die in New York verfolgt werden.

Hat Berman durch seine Bockigkeit womöglich verhindert, dass Barr-Vertraute in New York heikle Ermittlungen im Trump-Umfeld kassieren? Was sind die wirklichen Hintergründe der Personalie?

Und dann mischt sich auch noch Rudy Giuliani ein

Donald Trump für seinen Teil tat am Wochenende so, als habe er mit der ganzen Sache nichts zu tun. Dies sei Angelegenheit des Justizministers, stellte er fest. Er sei nicht involviert. Im Justizministerium wurden vermeintlich düstere Absichten energisch dementiert. Zwischen dem Justizminister und Berman habe einfach die Chemie nicht gestimmt, wurde aus dem Umfeld des Ministers gestreut. Berman sei kein Team-Player gewesen, weshalb eine Zusammenarbeit an dieser Stelle nicht weiter möglich gewesen sei.

Die Demokraten im Kongress wollen sich mit solchen Erklärungen nicht abfinden und haben eine Untersuchung der Angelegenheit angekündigt. Sogar über die Ladung von Berman vor einen Ausschuss wird nachgedacht. "Das alles riecht nach Korruption und Inkompetenz", erklärte der demokratische Vorsitzende des Justizausschusses im Repräsentantenhaus, Jerry Nadler.

Nicht besser macht die Sache aus ihrer Sicht, dass sich zwischenzeitlich auch noch Rudy Giuliani zu Wort meldete und davon sprach, in der New Yorker Staatsanwaltschaft seien "Bullshit"-Ermittlungen im Gange. Dies wirkt geradezu wie eine Bestätigung des Verdachts, dass es bei der Personalie nicht mit rechten Dingen zuging.

Auch bei Trumps Republikanern gibt es Unruhe, speziell im Senat, der einem dauerhaften Nachfolger oder einer dauerhaften Nachfolgerin für Berman seinen Segen geben muss. Barr hatte wohl vor, Jay Clayton für den Job vorzuschlagen, einen New Yorker Börsenexperten und Anwalt, der nach Informationen der "New York Times" mit Präsident Trump gut bekannt sein soll. Erst vor einigen Tagen seien sie gemeinsam beim Golfen gewesen, heißt es.

Sogar ein Trump-Kumpel bleibt zurückhaltend

Ob Barr und Trump die Clayton-Personalie angesichts des Wirbels noch durchsetzen können, gilt nun als fraglich. Der republikanische Vorsitzende des Justizausschusses im Senat, Lindsey Graham, sonst eigentlich ein Trump-Freund, erklärte, er wolle bei der Auswahl von Bundesanwälten die alte Tradition beibehalten und die Senatoren des betroffenen Bundesstaats konsultieren.

In New York sind dies zwei Demokraten, was die Bestätigung von Clayton nach diesem Vorlauf erheblich erschweren dürfte. Trump – und vor allem Barr – werden Grahams Äußerungen in der Causa so verstehen, wie sie wohl auch gemeint sind: als Zeichen des Misstrauens und Unmuts.

Icon: Der Spiegel

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