Geld zurück für Kunden?: BGH: Rückabwicklung auch bei gekündigter Lebensversicherung möglich
Ratgeber
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Nicht jeder empfindet den Abschluss einer Lebens- oder Rentenversicherung im Nachhinein als lohnend.
Eine Lebensversicherung oder Rentenversicherung kann vom Kunden auch nach einer Kündigung noch widerrufen werden, entscheidet der BGH. Das kann für viele Versicherte sehr lukrativ sein, wenn die Rendite der Altersvorsorge enttäuscht hat.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechte von Versicherten beim Widerruf oder Widerspruch einer Lebensversicherung gestärkt. In einem wegweisenden Urteil (IV ZR 368/21) haben die obersten Richter entschieden, dass eine Kündigung oder eine Beitragsfreistellung der Police kein Ausschlussgrund für eine Rückabwicklung ist. Voraussetzung ist jedoch stets, dass der Kunde bei Vertragsabschluss nicht ausreichend über sein Widerspruchs- oder Rücktrittsrecht belehrt wurde oder dass die allgemeinen Verbraucherinformationen nicht vollständig waren.
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Roland Klaus ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf.
In der Vergangenheit haben Versicherungen – und auch einige Gerichte – argumentiert, dass der Kunde auch bei fehlerhaften Versicherungsverträgen sein Recht auf Widerspruch verliert, wenn der Vertrag verändert oder beendet wurde. Zu einer solchen Veränderung zählt neben der Kündigung beispielsweise auch eine Beitragserhöhung oder -senkung, eine Beitragsfreistellung für die Berufsunfähigkeit, Sonderzahlungen, Teilauszahlungen oder Umschichtungen innerhalb von Fonds bei einer fondsbasierten Lebens- oder Rentenversicherung.
Keine Verwirkung bei Kündigung
Nun stellt der BGH klar: Ein solcher Eingriff löst keine Verwirkung des Widerspruchsrechts für Verbraucher aus. Dies gilt neben klassischen Renten- und Lebensversicherungen auch für geförderte Altersvorsorgeprodukte, wie beispielsweise eine Basisrente (Rürup-Rente). Der Kunde kann also weiterhin eine Rückabwicklung seines Vertrags fordern, auch wenn er den jeweiligen Vertrag verändert oder bereits gekündigt und einen Rückkaufswert ausgezahlt bekommen hat. Nach unserem Verständnis gilt dies analog auch dann, wenn sich der Vertrag bereits in der Auszahlungsphase befindet, weil der Versicherte das Rentenalter erreicht hat.
Eine solche Rückabwicklung ist für Versicherte besonders dann lohnend, wenn hohe Kosten einer Lebensversicherung für eine enttäuschende Rendite gesorgt haben. Bei einer Rückabwicklung muss die Versicherung dem Kunden nämlich wesentliche Teile der Kosten erstatten, was in den meisten Fällen eine ordentliche Nachzahlung im Vergleich zum Rückkaufswert oder dem Auszahlungswert bedeutet. Nicht selten geht es dabei um einen Nachschlag von mehr als 10.000 Euro.
Widerruf statt Kündigung bei Basisrente
Bei einer Basisrente oder Rürup-Rente hat der Widerruf den Vorteil, dass der Versicherte überhaupt an sein Geld kommt. Denn im Gegensatz zu einer klassischen Lebensversicherung gibt es bei der Basisrente keine Kündigungsmöglichkeit. Die Ersparnisse werden ausschließlich in monatlichen Raten nach Erreichen des Rentenalters ausgezahlt. Bei einer Rückabwicklung wird der Vertrag jedoch aufgelöst und der Kunde bekommt sein Geld zurück.
Voraussetzung für einen Widerruf oder Widerspruch sind die genannten Fehler in den Versicherungsverträgen. Nach unseren Erfahrungen sind die Policen zahlreicher Gesellschaften angreifbar. Es handelt sich also nicht um Einzelfälle. Besonders aussichtsreich sind dabei unter anderem folgende Gesellschaften, auch beim Widerruf einer Basisrente: Allianz Lebensversicherung, Canada Life, Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung, Gothaer Lebensversicherung, Neue Leben Lebensversicherung, Generali Deutschland, Nürnberger Versicherung, Condor Lebensversicherung.
Vertrag prüfen lassen
Verbraucher sollten allerdings auch nach dem BGH-Urteil nicht damit rechnen, dass die Versicherung ihren Widerruf einfach so durchwinkt. In der Regel wird juristische Unterstützung für die Umsetzung nötig sein. Ein Aufwand, der sich lohnen kann. Denn nicht selten geht es um beträchtliche Summen, die durch die Rückabwicklung eines Vertrags ausgezahlt werden.
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Der erste Schritt zum erfolgreichen Widerruf einer Lebensversicherung oder Basisrente sollte dabei stets die Prüfung der Vertragsunterlagen durch einen fachkundigen Anwalt sein. Dies ist beispielsweise – kostenlos und unverbindlich – bei der Interessengemeinschaft Widerruf möglich.
Über den Autor: Roland Klaus ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf. Sie hilft bei der Durchsetzung von Verbraucherrecht in Finanzfragen und wird dabei von spezialisierten Anwälten unterstützt.
Quelle: ntv.de