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“Football, bloody hell!”: Als “Gazza” den englischen Fußball rettete

September 08
15:16 2024

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Paul Gascoigne hatte bei der WM 1990 eine gute Zeit,

Paul Gascoigne hatte bei der WM 1990 eine gute Zeit,

An die Fußball-EM in diesem Jahr erinnert sich noch jeder. Dieses ominöse Handspiel. Das daran anschließende "was wäre wenn". Diese Geschichten schreibt nur der Fußball. Lukas Vogelsangs "Nachspielzeiten" lässt ein paar wieder aufleben – von "Gazza" bis "Rehakles".

Der Sommer, an dem beinahe alles anders geworden wäre: Es hätte so schön werden können, das Märchen aus 2006 hätte sich in diesem Jahr wiederholen können. Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Zu Hause bei Freunden. Zu Hause mit der Mannschaft. Doch es kommt anders: Ein Handspiel, das vielleicht eines ist, das aber auf alle Fälle nicht gepfiffen wird. Deutschland fliegt gegen Spanien raus. Die "Rote Furie" holt sich den Titel. Verdient. Aber es hätte halt … "Football, bloody hell!" Sir Alex Ferguson at it's best.

Genau dieses "hätte" in einem anderen Sommer beschäftigt auch die Engländer. Es geht dabei um die Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien. Eine kurze Bestandsaufnahme dieser Zeit: Der englische Fußball liegt am Boden. In London regiert die "Eiserne Lady", in den Fußballstadien die Gewalt. Schlägereien auf den Rängen. Schlägereien auf dem Rasen. Nach dem Desaster im Heysel-Stadion sind alle englischen Klubs von den europäischen Wettbewerben ausgeschlossen. Und dann auch noch die Katastrophe von Hillsborough mit 97 Toten. England, das Mutterland des Fußballs, ist nun das Sorgenkind, der Fußball heruntergekommen, Gossensport.

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Die Angst auf der Insel vor marodierenden Hooligans beim WM-Ausflug der "Three Lions" in Italien reist mit – aber die Angst vor dem eigenen Versagen, nachdem man bei der EM 1988 in Deutschland teilweise vorgeführt worden war, ebenso. Nationaltrainer Bobby Robson hatte zudem auf den letzten Drücker noch einen 22-Jährigen nominiert, der zuvor zwar mit Prügeleien und Roten Karten aufwartete, aber im letzten Testspiel gegen Tschechien überzeugen konnte. Sein Name: Paul Gascoigne. "Gazza".

Sechs Wochen wie im Rausch

Im ersten Spiel gegen Irland nur ein 1:1. Die Yellow Press tobt. Robson reagiert: Im zweiten Vorrundenspiel gegen den Europameister Niederlande darf "Gazza" den Taktstock im Mittelfeld schwingen. Das Kind von der Straße, der Fußballer von nebenan. Gascoigne drückt dem Spiel seinen Stempel auf, verzückt die hartgesottensten, tätowierten Proll-Fans zu Hause in den Pubs. Der Rest ist Geschichte.

Wenn "Gazza" den Ball eng am Fuß hat, kann alles passieren: Dribbling, tödlicher Pass, Torschuss. Sieg. Ekstase. England hat einen Fußballstar, einen mit Ecken und Kanten – trotz Babyface und Babyspecks. Es ist egal, für welchen Verein er auf der Insel spielt, alle lieben ihn. England wird Gruppenerster. Im Achtelfinale gegen Belgien wird er in der letzten Minute der Verlängerung gefoult. Der anschließende Freistoß, sein Pass zum Siegtor von David Platt. Butterweich.

Nun nur noch drei Siege bis zum Titel: Die "Gazza-Mania" nimmt ihren Lauf. Im Viertelfinale gegen Kamerun verursacht Gascoigne den Elfmeter, der zum zwischenzeitlichen Ausgleich führt, nur um am Ende dann mit einem Zuckerpass in den Strafraum für die Entscheidung zu sorgen. Im Halbfinale warten dann die Deutschen.

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Immer diese Deutschen

Turin, Stadio delle Alpi, 99. Minute: Das Drama beginnt. Gascoigne legt sich im Mittelfeld den Ball etwas zu weit vor. Beim Nachsetzen foult er Thomas Berthold. Während sich der Deutsche, scheinbar von Schmerzen geplagt, noch auf dem Boden wälzt, entgleisen "Gazza" die Gesichtszüge. Ihm, dem Hoffnungsträger einer ganzen Nation, wird bewusst: Das war es für ihn mit dem Finale. Sein Traum vom Titel ist ausgeträumt: Er sieht die zweite Gelbe Karte in diesem Turnier. Er ist für das nächste Spiel gesperrt. Drama, Drama, Drama.

Am Ende wird Deutschland Weltmeister, Andreas Brehme im Finale gegen Argentinien zum entscheidenden Torschützen aus elf Metern. Und England? Wird immerhin Dritter, wartet aber nach dem WM-Sieg 1966 weiter auf einen Titel. Und "Gazza"? Er wird danach zu einer der schillerndsten Figuren des englischen Fußballs, schießt seine "Three Lions" bei der EM 1996 im eigenen Land weiter. Schluss ist dann erneut gegen die Deutschen. Nach der Karriere dann der Absturz, der sich schon währenddessen abgezeichnet hat. "Holy fuck!"

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"Gazzas" Story ist nur eine von vielen in Lucas Vogelsangs "Nachspielzeiten". Andere drehen sich etwa um Tim "Die Maschine" Wiese, einen Kaiser in New York oder auch um "Rehakles", der den Griechen 2004 sensationell den Europameister-Titel schenkte. Über die damalige emotionale Zeit spricht seine rechte Hand und "Mädchen für alles", Ioannis Topalidis, bewegend. Als Leser des bei Klett-Cotta erschienenen Buches fühlt man sich sofort zurückversetzt in die jeweiligen Zeiten – wenn man sie miterlebt hat. 2004 etwa mit freudestrahlenden Griechen in München-Schwabing, oder 1196, bei der EM in England. "Football is coming home", mit Freunden, Bier und Salzbrezeln vor dem Fernseher. Fußball aus einer anderen Zeit.

Jede Geschichte der "Nachspielzeiten" ist sprachlich eine Ode an den Fußball, an die Freude, die er schenkt. Jede Geschichte wird ihre Fans finden. Jede ist verbindend, wie der Fußball selbst: Er liefert, er ist Gesprächsstoff. Im besten Sinn und in der schönsten aller Welten. Und am Ende weiß jeder: Es gibt jedes Jahr einen Sommer, an dem beinahe alles anders geworden wäre.

Quelle: ntv.de

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