Facebook, Google, Apple, Amazon: Darum nimmt der im US-Kongress Tech-Bosse in die Zange

Jeff Bezos (Amazon), Tim Cook (Apple), Sundar Pichai (Google), Mark Zuckerberg (Facebook)
Foto: Pablo Martinez Monsivais, Evan Vucci, Jeff Chiu, Jens Meyer/ AP
Die amerikanische Politik gegen die großen Techkonzerne: Diese Auseinandersetzung um Macht und Kontrolle, die sich seit Langem hochschaukelt, findet diesen Mittwoch ihren vorläufigen, öffentlichkeitswirksamen Höhepunkt. Denn erstmals bittet die Politik die Chefs von Google, Apple, Amazon und Facebook gleichzeitig zum Rapport.
Ab 18 Uhr deutscher Zeit werden also Sundar Pichai (Google), Tim Cook (Apple), Jeff Bezos (Amazon) und Mark Zuckerberg (Facebook) Abgeordneten des US-Kongresses in Washington Rede und Antwort stehen – per Videochat. Gesprochen wird voraussichtlich über die großen, aktuellen Probleme der Digitalwelt: über tatsächliche und gefühlte Techmonopole sowie unfaire Geschäftspraktiken, über das auch im Digitalen bemerkbare Kräftemessen der USA mit China, über gefährliche Falschinformationen, über das angebliche Unterdrücken bestimmter Meinungen.
Als Facebook-Chef Mark Zuckerberg bereits 2018 und 2019 von US-Politikern befragt wurde, achtete die Techwelt in den stundenlangen Anhörungen auf jede seiner Regungen: Wie reumütig würde sich Zuckerberg nach dem Datenskandal um Cambridge Analytica präsentieren? Welche Politikerin oder welcher Politiker würde sich mit gut informierten, sachlichen Fragen hervortun, wer mit technischem Unwissen oder bloßer Selbstinszenierung blamieren? Am Ende wehrte der Facebook-Chef aus Menlo Park die meisten Angriffe der Washingtoner Politiker ab – auch, indem er um sich um manche Antwort drückte.
Sowohl die Politiker als auch die Vertreter der Techszene dürften ihre Lehren aus den Zuckerberg-Hearings gezogen haben. Auch deshalb wird es spannend zu beobachten, wie die Chefs von Milliardenkonzernen wohl wieder einmal versuchen werden, sich ausnahmsweise möglichst klein zu machen, um allzu drastischen Regulierungsideen zu entgehen.
Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Hearing:
Worum geht es bei der Anhörung?
Ausgerichtet wird das Hearing vom Justizausschuss des Repräsentantenhauses, der sich mit dem Kartellrecht beschäftigt. Die wichtigste Frage lautet, ob es auf dem amerikanischen Techmarkt noch einen funktionierenden Wettbewerb gibt oder ob einzelne Firmen in Bereichen wie Social Media zu viel Marktmacht haben und ihre Positionen ausnutzen – zum Nachteil von Kunden und potenziellen Konkurrenten. Zur Untersuchung der kartellrechtlichen Fragen hat der US-Kongress bisher 1,3 Millionen Dokumente gesammelt und Hunderte Stunden an Interviews geführt, berichtet die "Washington Post".
Bei der Anhörung zur Sprache kommen dürften beispielsweise die zahlreichen Zukäufe, mit denen die vier Unternehmen aufstrebende Techfirmen mitunter ausbremsen oder sich diese gleich selbst einverleiben. Facebook beispielsweise ist auf dem Social-Media-Markt auch deshalb klarer Marktführer, weil es Dienste wie Instagram und WhatsApp gekauft hat. Kürzlich übernahm Facebook auch noch das GIF-Netzwerk Giphy. Außer Snapchat (das zeitweise ebenfalls auf Facebooks Einkaufsliste stand) und TikTok (dem die US-Regierung aufgrund seiner chinesischen Mutterfirma mit einem Verbot droht) sind dem Konzern von Mark Zuckerberg im App-Mainstream nicht mehr viele unmittelbare Konkurrenten geblieben.
Für ihre Einkaufstouren sind aber auch die anderen Unternehmen bekannt: So schluckte Amazon beispielsweise in den vergangenen Jahren Start-ups wie Twitch und Ring, während sich Google den Smarthome-Anbieter Nest sicherte. Auch YouTube war einst ein Google-Zukauf.
Wie mächtig sind die vier Konzerne?
Meist ist von den "Big Five" der Techbranche die Rede: Dass diesmal nur vier Konzerne im Fokus stehen, liegt daran, dass Microsoft nicht beim Hearing dabei ist. Doch auch ohne den Windows-Hersteller lässt sich ohne Übertreibung von einem Schaulauf der Techriesen sprechen: Der Börsenwert von Facebook, Google, Amazon und Apple liegt zusammen bei knapp fünf Billionen Dollar. Auch der Jahresumsatz der vier Firmen ist laut "Axios" so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt ganzer Staaten: Apple etwa ist so betrachtet mit Vietnam vergleichbar, Amazon mit Pakistan. Zusammengerechnet kommen die Firmen gar auf einen Umsatz, dessen Höhe dem Bruttoinlandsprodukt von Saudi-Arabien ähnelt.
Davon abgesehen ist nicht nur in den USA unübersehbar, wie tief die Dienste der vier Firmen im Alltag der Menschen verankert sind – und in welchen Bereichen sie besonders einflussreich sind. Dabei geht es um einzelne Angebote und Dienste, aber auch um ganze Ökosysteme:
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Facebook etwa betreibt mit Facebook und Instagram gleich zwei der weltweit wichtigsten sozialen Netzwerke. Mit seinen Richtlinien legt es fest, wie Milliarden von Menschen online kommunizieren und was sie posten dürfen und was nicht. Und selbst in Sachen "digitale Privatunterhaltungen" hat das Unternehmen mit WhatsApp und dem Facebook Messenger enormen Einfluss. Im Zuge seines Erfolgs wurde Facebook häufig vorgeworfen, Ideen von aufstrebenden Konkurrenten wie Snapchat zu kopieren – für Instagram wird gerade übrigens eine neue Videofunktion namens Reels eingeführt, die sofort an TikTok erinnert.
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Apple produziert die bekanntesten Smartphones der Welt, hat durch den App Store aber auch die Hoheit darüber, welche Programme überhaupt auf iPhones landen. Zudem verdient das Unternehmen von Tim Cook über den Store auch an den App-Verkäufen Dritter mit.
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Google ist der Marktführer bei Suchmaschinen und Internetwerbung, hat mit Services wie Maps aber auch entscheidenden Einfluss darauf, dass das Handybetriebssystem Android heute so beliebt und noch verbreiteter als Apples iOS ist. Zudem verantwortet Google den Play Store und kann so ähnlich wie Apple steuern, welche Apps Android-Nutzern dort angeboten werden – samt einer Provision für Google. Über Googles Preispolitik hat sich unter anderem schon der "Fortnite"-Hersteller Epic Games öffentlich empört, über Apples Vorgehen Spotify.
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Und Amazon ist der größte Onlineversandhändler der westlichen Welt, von dem auch viele Drittunternehmen abhängig sind, die Amazons Plattform Marketplace für sich nutzen. Das Unternehmen stand sowohl in den USA als auch in Ländern wie Deutschland immer wieder für seine Geschäftspraktiken in der Kritik. Auch für das moderne Internet spielt Amazon mit seinen Amazon Web Services (AWS) eine gewichtige Rolle.
Wie läuft so ein Hearing in Zeiten von Corona?
Wegen der Pandemie, die die USA empfindlich getroffen hat, findet die Anhörung virtuell statt. Zum Einsatz kommen soll dabei kein Videochat-Dienst von Facebook oder Apple, sondern – wie bei Dutzenden vorherigen Anhörungen in Corona-Zeiten – die Konferenz-Software Webex von Cisco. Es ist davon auszugehen, dass das Hearing über den YouTube-Kanal des Ausschusses live übertragen wird.
Was ist inhaltlich zu erwarten?
Klar ist, dass die Techkonzerne einen schweren Stand haben werden. Das Hearing ist für sie keine Werbeveranstaltung, sondern ein Auftritt, bei dem es primär darum geht, keine Fehler zu machen. Zahlreiche wichtige US-Politiker, von Donald Trump bis Elizabeth Warren, hatten in den vergangenen Monaten neue Regelungen für die Techkonzerne gefordert, bis hin zu ihrer Zerschlagung. Vor allem Facebook, das seine Dienste wie WhatsApp, den Facebook Messenger und Instagram eigentlich noch stärker vernetzen will, geriet dabei unter Beschuss.
Was die Firmenchefs den Bedenken aus der Politik entgegenhalten wollen, deuten die bereits vorab veröffentlichten Eingangsstatements an:
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Mark Zuckerberg wird demnach darauf verweisen, dass er sich bereits in der Vergangenheit für eine "aktivere Rolle der Regierungen und Aufsichtsbehörden" ausgesprochen hat. Betonen wird der Facebook-Chef aber auch, dass Unternehmen nicht zwangsläufig schlecht sind, nur weil sie groß sind. Zudem will Zuckerberg Facebook als Firma inszenieren, die stolz ist, amerikanisch zu sein: Bei Facebook glaube man an "Demokratie, Wettbewerb, Integration und Meinungsfreiheit", wird es in seinem Eingangsstatement heißen, und damit an die Werte, "auf denen die amerikanische Wirtschaft aufgebaut wurde". Im Zuge dessen legt Zuckerberg nahe, dass von allzu starken Umwälzungen des US-Digitalmarktes beispielsweise China profitieren würde, das "eine eigene Version des Internets aufbaut, die auf deutlich anderen Werten basiert".
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Tim Cook wird vorbringen, dass Apple in keinem Markt, in dem das Unternehmen tätig sei, "einen dominierenden Marktanteil" habe: "Das gilt nicht nur für das iPhone, es gilt für jede Produktkategorie." Im Bereich Smartphones konkurriere man etwa mit Samsung, LG, Huawei und Google. Ebenso will Cook hervorheben, dass die Provisionen, die Apple von App-Entwicklern kassiert, im Vergleich zu anderen Firmen ähnlich hoch oder niedriger seien. Auch im Vergleich zu früher erlaube es der App Store, Software so zu verbreiten, dass deutlich mehr Geld bei den Entwicklern hängenbleibe, so Cooks Sicht auf die Dinge.
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Sundar Pichai, der auch für die Google-Mutterfirma Alphabet spricht, wird hervorheben, dass Googles Dienste wie Google Ads und Google Analytics den Inhabern kleiner Unternehmen nützen, während Angebote wie YouTube, Maps und Gmail vielen Menschen den Alltag erleichtern. Zudem wird er betonen, wie viel Geld sein Unternehmen in die Forschung steckt und dass selbst in Bereichen wie Suche und Onlineanzeigen verschiedene Konkurrenzangebote existieren, wie etwa Amazons Alexa, Pinterest, Twitter und Instagram. Google operiere "in hochkompetitiven und dynamischen globalen Märkten", wird Pichai betonen.
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Amazon-Chef Jeff Bezos wird unter anderem berichten, dass Amazons Erfolg lange nicht abzusehen gewesen sei und wie viele Jobs und auch Chancen für andere Händler sein Unternehmen geschaffen habe. Den "globalen Einzelhandelsmarkt, auf dem wir konkurrieren", wird Bezos "bemerkenswert groß und außerordentlich wettbewerbsintensiv" nennen, als neue und alte Wettbewerber wird er auf Firmen wie Walmart, Target, Ebay, Alibaba, Shopify und Instacart verweisen. "Wenn wir glauben, dass unsere Kritiker recht haben, ändern wir uns", will Bezos sagen. "Wenn wir Fehler machen, entschuldigen wir uns. Aber wenn man in den Spiegel schaut, die Kritik bewertet und immer noch glaubt, das Richtige zu tun, sollte keine Kraft der Welt in der Lage sein, einen zu bewegen."
Grundsätzlich dürften die Firmenvertreter vor allem eine Botschaft vermitteln wollen: Dass der Markt funktioniert und ihre gegenwärtigen Positionen hart erarbeitet und alles andere als in Stein gemeißelt sind – weshalb etwaige Eingriffe der Politik bloß nicht zu groß ausfallen dürften. Ob die Techbosse mit dieser Haltung durchkommen, wird sich zeigen.
Mit allzu unmittelbaren Folgen des Hearings ist zwar nicht zu rechnen, die für das Thema Kartellrecht zuständigen Politiker werden wohl erst im Laufe des Jahres politische Empfehlungen abgeben. Das Hearing ist für sie zunächst nur ein Puzzleteil ihrer Untersuchung. Und doch ist die ungewöhnliche Videokonferenz für die Techfirmen richtungsweisend: Denn einerseits wird die Anhörung das Thema Marktmacht noch einmal stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken, anderseits wird sie mitentscheidend für die politische Stimmung rund um die Digitalkonzerne sein – und das kurz vor der nächsten US-Wahl.
Für Jeff Bezos ist das Hearing übrigens eine Premiere: Anders als die anderen Firmenchefs hat der Amazon-Gründer noch nie bei einer Kongressanhörung ausgesagt. Und auch diesmal, so hieß es im Vorfeld, brauchte es einigen politischen Druck, damit Bezos überhaupt freiwillig auftritt.
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