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Ex-Bundespräsident bei Lanz: “Wir könnten an uns glauben, aber das fällt uns so schwer”

July 25
05:36 2025

Politik

Gauck rät gerade jungen Menschen, "nicht ein Leben ohne Zuversicht zu führen." Zuversicht unterscheide sich von Optimismus, denn der Optimist könne nicht die Fallen und die Sollbruchstellen in einer Gesellschaft sehen.

Gauck rät gerade jungen Menschen, "nicht ein Leben ohne Zuversicht zu führen." Zuversicht unterscheide sich von Optimismus, denn der Optimist könne nicht die Fallen und die Sollbruchstellen in einer Gesellschaft sehen.

Es ist schon fast eine Tradition: In seiner letzten Sendung vor der Sommerpause begrüßt Markus Lanz im ZDF den Bundespräsidenten a. D. Joachim Gauck. Der schaut auf die Probleme dieser Welt und appelliert für mehr Zutrauen in unsere Leistungen.

Deutschland im Krisenmodus. Eine Gesellschaft verändert sich. Autoritär ist wieder attraktiv. Eine rechtsextreme Partei gewinnt immer mehr an Zuspruch. Bei den kommenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern könnte die AfD die Chance haben, mitzuregieren. Was ist los in Deutschland? Das will Markus Lanz in seiner letzten Talkshow vor der Sommerpause von dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck wissen, einem Mann, der trotz seines hohen Alters von 85 Jahren noch immer mit wachen Augen auf die Politik und die Gesellschaft schaut – und der sich immer wieder einmischt.

"Die Welt ist so, wie sie ist, nicht so, wie wir sie uns wünschen", sagt Gauck. Es gebe klare Signale, wie den Krieg in der Ukraine. Die Menschen in Europa seien jedoch an ein Leben in Sicherheit und Ruhe mit den Freuden der Freiheit gewöhnt. Das führe dazu, dass sie das Gefährdungspotential, das der Krieg in der Ukraine für alle mit sich bringe, beiseite schöben. "Da wird ein Mensch mit meinem Lebensalter nervös, und diese Beunruhigung will ich nicht nur in meinem Herzen und in meinem Kopf verschließen, sondern ich will darüber reden. Und dieses Reden soll bedeuten: Aufwachen."

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Angst machen. Das sei eine Waffe des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Kreml-Chef führe einen hybriden Krieg, auch gegen Deutschland. Seine Armee habe es auf die Zerstörung von Infrastruktur abgesehen, zu Wasser und zu Lande. "Putin kennt uns Deutsche", so Gauck. "Wir ängstigen uns schneller als unsere Nachbarn in Frankreich oder Polen. Und da gibt es dann einen politischen Markt, wo Leute mit diesen Ängsten arbeiten und so tun, als wären wir die Kriegstreiber, wenn wir uns gegen einen Kriegsbrandstifter zu verteidigen suchen. Das ist alles grotesk."

Gauck spricht vor allem Kräfte von links außen und rechts außen an. Er erinnert sich noch an den Zweiten Weltkrieg und dessen Ende. "Ich hasse Kriege." Daraus gelernt hat er: "Ich bin total glücklich, in einem Land zu leben, das ein Land des Friedens ist", sagt er bei Lanz. "Dieses Deutschland will keine Länder erobern, anders als andere Deutschlands zuvor. Wir bedrohen niemanden mit unserem Militär. Im Gegenteil: Unser Militär muss sich manchmal fragen, ob wir noch Politiker haben, die wissen, was zu tun ist, um die nötige Verteidigungsstärke zu erlangen."

Die Erfolge der Extremen in Ostdeutschland

Wenn Gauck über Ostdeutschland redet, wird er emotional. Der Rostocker hat die Diktatur und die Unfreiheit der DDR erlebt. Aber auch die Hoffnung nach Freiheit die die Wiedervereinigung 1990 gebracht hat – eine trügerische Hoffnung für viele, die zunächst einmal ihren Job verloren haben. "Da war eine große Unsicherheit. Es war noch keine Gegnerschaft zur Demokratie, aber eine Fremdheit", erinnert sich Gauck.

"Eine Fremdheit ist immer mit Ängsten verbunden. Und wenn diese Ängste dann von der demokratischen Mitte nicht hinreichend aufgenommen werden, oder wenn diese politische Mitte sogar politische Fehler macht, dann ist das ein weites Feld für die Populisten aller Couleur. Das waren zuerst die Linkspopulisten, die abgesahnt haben, und später haben dieselben, die zuerst Links im Osten gewählt haben, dann Rechts außen gewählt."

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Gauck kann das sogar nachvollziehen: "Aus der Fremdheit, aus der Noch-nicht-Beheimatung in diesem großen, freien Raum der Möglichkeiten kommt eine Sehnsucht danach, doch stärker behütet zu sein", erklärt er. "Dann flüchten diese Menschen, die mit der Freiheit fremdeln, zu diesen angeblichen Ratgebern, die aber offen gesagt keine Zukunftsmodelle haben." Hinzu komme bei vielen Menschen ein Misstrauen gegenüber den Regierenden. "Es gibt immer ein Protestwählerpotential, wenn die Regierenden nicht stringent regieren", so Gauck.

Der ehemalige Bundespräsident kritisiert ein "Dahinverwalten" der gewählten Regierungen und sagt: "Gestalten heißt auch, Wagnisse eingehen. Aber abwarten, was geschieht, und das als Regieren bezeichnen, das ist hochproblematisch. Und wir sehen: Wenn Trigger-Elemente da sind wie massive Zuwanderung oder eine Finanzkrise oder eine militärische Krise, ist bei dieser Politik des Wartens der Tod im Topf. Das geht nicht. Und wenn das Wahlvolk merkt, die Regierung reagiert nicht angemessen, dann kommt zu dieser Neigung 'Ich will mich lieber führen lasse' eine massive Unzufriedenheit mit denen dazu, die es doch eigentlich richten sollten. Liberale, offene Gesellschaft und stringente Führung widersprechen sich nicht. Und das müssen wir denen, die uns regieren, immer mal wieder einhämmern."

Ein zuversichtliches Leben

Doch trotz der gesellschaftspolitischen Krisen und Umbrüche wagt Gauck einen zuversichtlichen Blick nach vorne. Er sagt: "Wir könnten an uns glauben, aber es fällt uns so schwer." Das muss sich ändern. Darum rät Gauck gerade jungen Menschen, "nicht ein Leben ohne Zuversicht zu führen." Zuversicht unterscheide sich von Optimismus, denn der Optimist könne nicht die Fallen und die Sollbruchstellen in einer Gesellschaft sehen. Er mache sich ein geschöntes Bild. "Der, der Zuversicht hat, sieht das alles, und will trotzdem – wie man einst sagte – ein Apfelbäumchen pflanzen, bevor die Welt untergeht."

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Gauck spricht viel mit Menschen und spürt manchmal, "wie alles gegen die Wand geht." Vielen Menschen in Deutschland sei das Vermögen abhandengekommen, an sich selber zu glauben als Personen, die imstande seien, das Gelingen zu organisieren. Das deutsche Defizit sei: Deutschland glaube zu wenig an das, was es selber geschaffen hat. "Ich sage immer: Stellt Euch mal vor, ihr müsstet einen Korb verschenken zum Geburtstag, und in diesen Korb müsstet ihr all das hineintun, was unsere Demokratie ausmacht. Und dann erzähle ich, was ich in diesen Korb hineintun würde: Ich darf frei wählen, wer mich regieren soll. Das ist nicht selbstverständlich. Ich musste fünfzig werden, um das zu haben. Dann darf ich meine Meinung frei sagen, ohne dass mich jemand hindert. Ich kann mich mit jemandem verbünden in einem Verein oder einer Bürgerinitiative, ohne dass mich jemand daran hindert. Ich darf hören und lesen, was ich will. Ich lebe in einem Land, in dem die Richter nicht korrupt sind und wo die Regierung nicht über das Recht bestimmt, sondern wo es eine Herrschaft des Rechts gibt."

In seinen Korb kämen außerdem der Sozialstaat hinein und der Frieden, den Deutschland liebe. Auch die Glaubensfreiheit komme dazu. "Und dann tue ich noch etwas hinein: Ich kann dieses Land jederzeit verlassen, ohne dass mich jemand daran hindert. Das ist kein Traum, sondern wir, in allen unseren mangelhaften Einsichten und mit all unseren Mängeln, wir haben diesen Korb geschaffen. Und das nicht zu sehen, das ist einfach ein Verlust von Wirklichkeit." Die Menschen in Deutschland dürften nicht vergessen, wozu ihre Vorfahren und sie selber fähig waren. "Wenn das nicht gelingt, glauben wir nicht mehr an uns. Und wenn dieser Glaube nicht da ist, sind die Ängste da statt dieses Glaubens." Nicht Deutschland, aber dieses so gewordene Deutschland flöße den Menschen Zutrauen ein. Und dieses Deutschland lohne es, zu verteidigen.

Quelle: ntv.de

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