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“Es war einfach geil!”: Als “Reizfigur” Matthäus einen Kultklub im Osten aufmischte

December 07
10:36 2024

Fußball

Lothar Matthäus war sehr gefragt im Osten.

Lothar Matthäus war sehr gefragt im Osten.

Vor zwanzig Jahren versprach Lothar Matthäus dem Fußball im Osten seine Hilfe – und Lok Leipzig eine Halbzeit im Trikot des Klubs. Die Vorstellung, dass ein Weltmeister für einen Elft-Ligisten auflaufen würde, elektrisierte natürlich sofort alle.

"Es war einfach geil! Hier riecht es noch nach Fußball", meinte ein verschwitzter, aber sichtlich glücklicher Lothar Matthäus am späten Abend des 13. Mai 2005. Einige Monate zuvor hatte im Dezember vor zwanzig Jahren der damalige Trainer der ungarischen Nationalmannschaft in seiner Fußball-Kolumne versprochen, dass er "im Osten richtig mitanpacken" wolle und sogar einen Einsatz für den Traditionsverein Lokomotive Leipzig in Aussicht gestellt: "Ich würde sogar mal für 45 Minuten für Lok spielen, um für Interesse zu sorgen. Das ist hiermit versprochen!" Und Lothar Matthäus sollte Wort halten.

Die Vorstellung, dass ein Weltmeister für einen Elfligisten in der 3. Kreisklasse auflaufen würde, elektrisierte natürlich sofort alle. "Sie können sich gar nicht vorstellen, was jetzt hier in Leipzig los ist. Die Leute drehen komplett durch. Lothar bei Lok, das ist mehr als ein Weihnachtsgeschenk – das ist sensationell", meinte der Präsident des Klubs, Steffen Kubald. Die Begeisterung war allerdings auch mehr als verständlich, denn nur ein Jahr zuvor war der Verein, mit so viel Geschichte und Vergangenheit, nach einer Insolvenz neu gegründet worden – und musste wieder ganz unten und ganz von vorne beginnen.

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Eine Sache, die auch Lothar Matthäus ansprach, als er, erfreut über die Reaktionen auf sein Angebot, sich intensiver mit der Historie und aktuellen Lage des Klubs beschäftigte: "Der DFB muss diesen Verein begnadigen. Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass Lok an die 15 Jahre brauchen soll, um aus der 3. Kreisklasse bis in die Bundesliga zu kommen. So funktioniert das nicht!" Doch an den Regularien konnte auch der Weltmeister von 1990 nichts ändern. Und so spielte der damalige Elfligist tatsächlich manchmal vor unglaublichen 3.000 Zuschauern – und musste sich dennoch in Geduld üben. Der Weg zurück sollte steinig werden.

"Ich will ihn ja nicht als Wasserträger"

Doch im Dezember vor zwanzig Jahren sorgte das Versprechen von Lothar Matthäus erst einmal für Euphorie und Aufbruchstimmung. Sofort wurde in Leipzig die Druckpresse angeworfen und Trikots mit der Nummer 10 und dem Namen von Matthäus beflockt. Ein Spielerpass beim Sächsischen Fußball-Verband wurde ebenfalls umgehend in Auftrag gegeben, denn offiziell war der damals 43-jährige Weltmeister zu diesem Zeitpunkt immer noch als Profi gemeldet. Und auch der Lok-Trainer Rainer Lisiewicz, selbst ein ehemaliger Spieler der DDR-Oberliga, war schon voller Vorfreude auf den Weltmeister: "Er bekommt seine Freiheiten. Ich will ihn ja nicht als Wasserträger. Er soll unser Spiel organisieren."

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Als der große Tag dann im Mai 2005 gekommen war, stand für den 1. FC Lok Leipzig die Partie um den Einzug ins Endspiel um den Stadtpokal der Messestadt gegen die SV Ost 1858 Leipzig an. Ein Fernsehsender beschrieb damals den Auftritt des Weltmeisters Matthäus mit folgenden Worten: "Von der Reizfigur des deutschen Fußballs zum Retter des Ostfußballs." Doch nicht alle sahen den Mann aus Herzogenaurach an diesem Tag als "Retter", sondern eher immer noch als "Reizfigur". Denn beim Gegner von Lok kam der Einsatz des ehemaligen Weltklassespielers verständlicherweise überhaupt nicht gut an. Eine Wettbewerbsverzerrung der besonderen Art prangerte die Mannschaft des SV Ost 1858 Leipzig an. Doch die überwiegende Mehrheit der über 6.000 Zuschauer freute sich sehr über Matthäus` eingehaltenes Versprechen.

Und damit erst gar keine Missverständnisse aufkamen, betonte Matthäus beim Kaffeetrinken vor der Partie im Kreise seiner Teamkollegen – und vor laufenden Kameras – gleich, dass er keine Sonderrolle an diesem Tag wünsche: "Behandelt mich genauso wie die anderen Mitspieler. Ich bin einer von euch." Und dann startete auch schon dieses außergewöhnliche Pokalduell auf Stadtebene, auf das sich Matthäus "vier Wochen vorbereitet" und zuvor extra viel an seiner "Kondition gearbeitet" hatte. Das konnten die Zuschauer im Stadion dann auch sogleich bewundern, denn der Weltmeister riss die Partie lautstark und wortgewaltig an sich.

"… und lasst mich als Opa noch ein Bundesligaspiel machen"

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Da es aber nach den von Matthäus versprochenen 45 Minuten immer noch 0:0 stand, wollte der ehemalige Spieler des FC Bayern München partout nicht den Platz verlassen. Der gewohnte Ehrgeiz hatte den Weltmeister gepackt und erst als es 1:0 für Lok stand, ließ sich Matthäus in der 76. Minute sichtlich ausgelaugt und verschwitzt unter dem frenetischen Beifall der Zuschauer ("Lok-Lothar, wir danken dir") von Trainer Rainer Lisiewicz auswechseln. Anschließend war der Aushilfsspieler für einen Tag sichtlich glücklich und meinte strahlend: "Hier wird noch Fußball gelebt."

Sein Ziel, Aufmerksamkeit für die schwierige Situation des Ost-Fußballs zu schaffen, hatte Lothar Matthäus für den Moment erreicht. Dass seine Forderung, dass Leipzig "möglichst schnell wieder großen Fußball" erleben solle, allerdings nur vier Jahre später mit der Gründung des RasenBallsport Leipzig e. V. eine komplett andere Wendung erfahren sollte, konnte Matthäus, wie alle anderen Anwesenden im Lok-Stadion an diesem Abend im Mai 2005, nicht ahnen. Damals sagte der Weltmeister von 1990 zum Abschied noch: "Wenn ihr in ein paar Jahren in der Bundesliga spielt, dann denkt an mich und lasst mich als Opa noch ein Bundesligaspiel machen. Einen gültigen Pass habe ich ja jetzt." Das könnte noch etwas dauern. Aktuell spielt der 1. FC Lokomotive Leipzig in der Regionalliga Nordost – ist dort momentan aber immerhin Tabellenführer.

Quelle: ntv.de

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