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“Er nahm mich in den Arm”: Prozess gegen Palliativarzt: Der tröstende Serienmörder?

July 13
19:16 2025

Panorama

Johannes M. sitzt seit seiner Festnahme am Flughafen in Untersuchungshaft.

Johannes M. sitzt seit seiner Festnahme am Flughafen in Untersuchungshaft.

Der Mediziner Johannes M. versorgte sehr kranke Menschen – und soll sie heimtückisch getötet haben. Der Prozess in Berlin verhandelt 15 Fälle, es könnten noch viel mehr sein. Der Angeklagte schweigt dazu. Doch die Ermittlungen zeichnen das Bild eines Doppellebens.

Der Vater von Tina K. hatte Lungenkrebs im Endstadium. Die Berlinerin pflegte den 75-Jährigen zu Hause, unterstützt von einem Pflegedienst. Der Palliativarzt und eine Krankenschwester seien regelmäßig vorbeigekommen, um Medikamente zu verabreichen oder den Blutdruck zu messen, erzählt sie im Interview mit RTL. An einem Julimorgen im vergangenen Jahr verhält sich der Vater anders als sonst, lehnt ab, etwas zu trinken. Tina K. verständigt den Pflegedienst. Der Arzt sei schnell da gewesen, nach einer halben Stunde, ohne die Krankenschwester.

Der Mediziner habe dem krebskranken Mann erst eine Infusion, dann eine Spritze gegeben, angeblich, um ihn wieder aufzupäppeln. Wenig später ruft er Tina K. hinzu, so erzählt sie es. Es tue ihm leid, er könne nichts mehr tun. Der Vater ist tot. "Ich habe angefangen zu heulen, dann ist er aufgestanden und hat mich erstmal in den Arm genommen", erzählt sie. "Wenn ich das gewusst hätte, dass ich einen Mörder im Arm habe, hätte ich das nicht gemacht."

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Der Palliativarzt heißt Johannes M. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, mindestens 15 Menschen getötet zu haben. Es sind womöglich deutlich mehr. Der Mediziner, dem sich Schwerkranke und ihre Angehörigen anvertraut haben, könnte einer der schlimmsten Serienmörder in der deutschen Geschichte sein.

Häufige Jobwechsel

Zu all dem schweigt M. Der heute 40-Jährige studierte Medizin in Frankfurt am Main und wechselte danach mehrfach seine Arbeitsstelle. Er wurde zum Facharzt für Strahlentherapie ausgebildet, arbeitete erst in einer Praxis für Allgemeinmedizin, dann im Krankenhausmanagement in Köln, im August 2020 zog er nach Berlin. Ein halbes Jahr später nahm er eine Stelle als Palliativarzt an. Eine Aufgabe, bei der es nicht mehr um die Heilung der schwer kranken Patienten geht, sondern um die Linderung der Schmerzen. Um ein menschenwürdiges Sterben.

Einen möglichen Hinweis auf das Innenleben dieses Mannes, der zuletzt mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind in Berlin-Wilmersdorf gelebt hat, gibt seine im Jahr 2013 eingereichte Dissertation. Er war damals 28 Jahre alt und bereits seit zwei Jahren zugelassener Arzt. "Das Töten eines Artgenossen" gehöre "prinzipiell zum Verhaltensspektrum eines jeden Menschen", zitiert M. darin einen Psychiater und schreibt selbst dazu: Er sei geneigt, dieser Aussage zuzustimmen.

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In seiner Doktorarbeit untersuchte M. Tötungsdelikte in Frankfurt am Main von 1945 bis 2008. Wann sie geschahen, wer die Opfer waren. In einem Unterkapitel beschäftigt er sich mit der Tötung Pflegebedürftiger und konstatiert, dass diese Delikte "nicht leicht nachzuweisen sind".

Kollegin äußerte Verdacht

Dass die Ermittler überhaupt darauf aufmerksam wurden, dass Menschen, die dem Tod nahe waren, offenbar nicht auf natürlichem Weg starben, ist einem Brief zu verdanken. Geschrieben hat ihn eine Kollegin von Johannes M., eine Ärztin, die ein schrecklicher Verdacht plagte. Viermal hatte es innerhalb weniger Wochen in Berliner Wohnungen gebrannt, dreimal im Stadtteil Neukölln, einmal im benachbarten Plänterwald. Jedes Mal fanden die Einsatzkräfte eine Frauenleiche. 72, 76, 87 und 94 Jahre alt. Alle waren Patientinnen ihres Pflegedienstes. Und Dienst hatte kurz vor jedem Brand Johannes M.

Die Ärztin schrieb, vielleicht seien ihre Sorgen vollkommen ungerechtfertigt. Doch als M. wenige Tage später aus dem Urlaub zurückkehrte, wird er noch am Flughafen festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Zu diesem Zeitpunkt warf ihm die Staatsanwaltschaft Totschlag in vier Fällen vor. Heute sind die Dimensionen gänzlich andere.

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Angeklagt ist M. wegen 15-fachen Mordes, mutmaßlich begangen in der Zeit von September 2021 bis Juli 2024. Seine Taten sollen einem Muster gefolgt sein: Ohne medizinischen Grund und ohne das Wissen der Opfer soll er erst ein Narkoseeinleitungsmittel, dann ein Muskelrelaxans verabreicht haben. Letzteres führt durch eine Lähmung der Atemmuskulatur innerhalb weniger Minuten zu Atemstillstand und Tod. In exhumierten Leichen konnten die Ermittler die Kombination nachweisen.

Schwiegermutter unter den Opfern?

Die Opfer der Taten, die Johannes M. vorgeworfen werden, sind mehrheitlich über 70 und Frauen, aber nicht ausschließlich. Im September 2021, dem zeitlich ersten angeklagten Fall, soll M. eine 25-Jährige in Berlin-Buckow getötet haben. Die junge Frau litt an Krebs, habe aber nicht kurz vor ihrem Tod gestanden. Wohnungen in Brand gesetzt hat M. demnach erst deutlich später, ab dem Juni 2024.

Die Ermittlungen sind jedoch längst nicht am Ende. In insgesamt 96 Fällen gibt es laut Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht gegen den Mediziner, darunter die 15, für die er bereits angeklagt ist. Ein möglicher Mord könnte sich nach Informationen von "Stern" und RTL in seinem familiären Umfeld abgespielt haben.

Anfang vergangenen Jahres fuhr M. demnach mit seiner Ehefrau zu seiner krebskranken Schwiegermutter nach Polen. An jenem Wochenende sei die Frau verstorben. Dem Bericht zufolge soll M. nach Aussage seiner ehemaligen Kollegen bei einer Teamsitzung erzählt haben, er sei nach Polen gefahren und habe dort die Schwiegermutter totgespritzt.

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Motiv liegt im Dunkeln

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass M. aus Heimtücke mordete. Seine Opfer waren arglos und erwarteten wohl, in den Händen eines Arztes zu sein, der ihnen helfen will. Zu einem möglichen Motiv steht in der Anklage Medienberichten zufolge nichts. Demnach konnte eine psychiatrische Gutachterin keine Anzeichen auf eine psychische Krankheit erkennen, die seine Schuldfähigkeit beeinträchtigen würde.

Johannes M. muss bei seinen mutmaßlichen Taten planvoll vorgegangen sein. Die tödlichen Medikamente soll er sich nach RTL-Angaben in einer Apotheke in seiner Nachbarschaft beschafft haben. Laut Chatprotokollen, die dem Sender vorliegen, tauschte sich M. mit seiner Frau über die Todesfälle aus. Er habe sich von ihr trösten lassen. Kolleginnen und Kollegen beschrieben M. laut Anklageschrift als höflichen, sympathischen Mann.

Ein Mann, der sich zum Richter über Leben und Tod aufgespielt haben soll. Bei Menschen, die auf andere angewiesen und ihnen im Zweifel ausgeliefert sind. Der Fall verdeutlicht ihre Schutzlosigkeit: Denn wer hinterfragt den Tod eines schwerkranken Menschen, veranlasst gar eine Obduktion? Im internationalen Vergleich werden Leichen in Deutschland selten obduziert. Der Arzt Johannes M. dürfte das gewusst haben.

Am Montag beginnt der Prozess vor dem Landgericht Berlin. Das Verfahren ist bis Januar 2026 angesetzt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Quelle: ntv.de

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