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Eine Rede wie ein Bulldozer: Kampfeslustige Harris erobert Demokraten im Sturm

July 24
01:46 2024

US-Wahl 2024

Kamala Harris in Milwaukee - wenige Tage, nachdem die Republikaner sich dort gefeiert hatten.

Kamala Harris in Milwaukee – wenige Tage, nachdem die Republikaner sich dort gefeiert hatten.

Mit voller Kraft geht Kamala Harris in ihren ersten Wahlkampfauftritt als designierte Präsidentschaftskandidatin. Vor energiegeladenem Publikum macht sie die Unterschiede zu Donald Trumps glasklar. "Wir gehen nicht zurück!", verspricht Harris.

Vierzehnmal muss sie sich bedanken. Kamala Harris steht hinter dem Mikrofon, während der ohrenbetäubende Jubel in der Halle von Milwaukee nicht abebben will. "Hi Milwaukee", sagt die US-Vizepräsidentin kaum hörbar, strahlt dabei vor Freude, hebt die Hände. "Thank you", sagt sie, "thank you everyone", "thank you all very much". Der Verzicht von Joe Biden auf die Kandidatur und die seit Montagabend designierte Präsidentschaftskandidatin, das ist deutlich, haben bei den Demokraten neue Energie entfesselt.

Harris' Wahlkampfauftakt markiert das Ende einer monatelangen depressiven Phase, in die sich die regierenden Demokraten selbst hineinmanövriert hatten. Der 81-jährige Biden, so die einhellige Meinung in allen politischen Lagern, war zu alt für weitere vier Jahre, aber der Präsident wollte nicht gehen. Seine Auftritte wurden zwar gefeiert, aber sie hatten nicht den Reiz des Neuen. Sondern die Angst vor dem Scheitern. Vor einer Rückkehr des Republikaners Donald Trump ins Weiße Haus.

Milwaukee ist eine Hochburg der Demokraten, trotzdem paradierten dort vor einer Woche noch die Republikaner auf ihrem Parteitag und nominierten Trump. Mancher Einwohner war deshalb vorübergehend aus der Stadt an den Großen Seen ins Exil geflohen. Der Bundesstaat Wisconsin ist einer der Schlüsselstaaten für einen Wahlsieg der Demokraten. Er ist Teil eines politischen Mantras: Wer den Mittleren Westen verliert, verliert auch die Präsidentschaftswahl. Das soll Harris bei der Wahl im November verhindern.

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"Ich kenne Donald Trumps Typus"

Als sie den Jubel abgewürgt hat, dankt die 59-Jährige ihrem Noch-Chef für dessen vier Jahre, seine Leistung und seine Unterstützung als designierte Kandidatin. Dass die Stadt und Wisconsin als Bundesstaat so wichtig seien für einen Wahlsieg wie 2020. Nach den Nettigkeiten fährt sie wie ein Bulldozer in ihren dreieinhalbmonatigen Wahlkampf gegen Donald Trump. Sie erzählt von ihrer Zeit als Staatsanwältin in Kaliforniens Gerichtssälen. "Ich habe es Vergewaltigern aufgenommen, mit Betrügern, die Regeln gebrochen haben zu ihren Gunsten", sagt sie und fügt an: "Ich kenne also Donald Trumps Typus."

Harris geht ins Detail, zieht Parallelen zwischen ihren Fällen und den Verurteilungen ihres Kontrahenten. Sie kontrastiert den Wahlkampf der Demokraten mit Trump. Der habe in Mar-a-Lago der Öl-Lobby versprochen, er würde für eine Milliarde Dollar Spenden im Weißen Haus nach ihrer Pfeife tanzen. "Er hat die Unterstützung von Milliardären und Konzernen." Die Demokraten hingegen führten einen anderen Wahlkampf, hätten gerade die besten 24 Stunden in Graswurzelspenden in der Geschichte der Präsidentschaftswahlkämpfe gehabt: "Wir werden eine 'Menschen zuerst'-Präsidentschaft sein!"

Ihre rund 20-minütige Rede ist eine Aufzählung der Gegensätze. "Wir konzentrieren uns auf die Zukunft, die anderen auf die Vergangenheit", ruft sie, und zählt Sozialprogramme auf, das Recht auf Gewerkschaften, bezahlte Elternzeit, würdevolle Renten. "Die Mittelschicht aufbauen wird ein bestimmendes Ziel meiner Präsidentschaft." Trumps "extremes Projekt 2025" werde die Mittelschicht hingegen schwächen, Steuern für Reiche senken und Krankenversicherungen abschaffen.

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Trump hat sich offiziell von dem 900-Seiten-Konzept einer Republikaner-nahen Denkfabrik für einen Umbau der USA distanziert und die Partei ein eigenes Wahlprogramm beschlossen. Aber Dutzende Personen aus Trumps Umfeld, inklusive seines Wahlkampfteams, waren an "Projekt 2025" beteiligt. "Amerika hat diese gescheiterte Wirtschaftspolitik bereits ausprobiert, aber wir gehen nicht zurück", ruft Harris. Das Publikum unterbricht sie mit ohrenbetäubenden "not going back!" Sprechchören.

Deutungskampf um "Freiheit"

Möglicherweise bleibt Harris im Wahlkampf bei dieser stump speech, dieser Rumpfrede: Den Begriff der "Freiheit", den die Republikaner für sich und ihre Vorhaben beanspruchen, soll nicht kampflos aufgegeben werden, das Land nicht in "Chaos, Angst und Hass" versinken. Es ist verquer: Die Konservativen drehen üblicherweise den Spieß um und werfen eben dies den Demokraten vor. In deren Welt kämpfen die Republikaner für ihre Freiheit, zu tun, was sie wollen, und die Demokraten wollen ihnen Dinge wie E-Autos, politische Korrektheit und einen genderneutraleren Alltag aufzwingen.

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Auch das "Kämpfen" (fight), das durch Trumps erhobene Faust nach dem Attentat auf ihn zum Schlachtruf der Republikaner geworden ist, überlässt Harris ihnen nicht. "Wir führen einen Kampf für die Zukunft, einen Kampf für die Freiheit", kündigt sie an. Damit jeder wählen, jeder frei von Waffengewalt leben könne. "Wir vertrauen darauf, dass Frauen über ihren eigenen Körper entscheiden können und nicht ihre Regierung ihnen sagt, was sie zu tun haben." Der folgende Jubel gibt einen Fingerzeig darauf, wie wichtig das Thema Abtreibungsrecht im Wahlkampf ist. Und wie sehr Harris es für sich wird nutzen können. "Sind Sie bereit, dafür zu kämpfen? Und wenn wir kämpfen, gewinnen wir!"

Als die designierte Kandidatin von der Bühne geht und viele Minuten lang Hände schüttelt, erklingt "Freedom" von Beyoncé, "Auch ich brauche Freiheit, und ich sprenge die Ketten ganz allein", singt die Musikerin. Gewinnt Harris am Ende dieses Wahlkampfes in dreieinhalb Monaten, würde sie die erste US-Präsidentin werden; zudem nach Barack Obama die zweite Schwarze. Bevor die Musik verstummt, spielt die Regie noch Stevie Wonders "Higher Ground" ein. Es ist wie ein Fingerzeig auf Michelle Obamas Motto: "When they go low, we go high." Ab jetzt, mit Harris, geht es ums Gewinnen. Nicht mehr ums nicht verlieren.

Quelle: ntv.de

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