Echte 1000 PS oder nicht?: Fahrt mit Porsche Taycan Turbo GT – einen kleinen Makel hat er
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Der Porsche Taycan Turbo GT ist die absolute PS-Speerspitze im Konzern. Ein echtes 1000-PS-Auto ist er dennoch nicht. Ob die Limousine Spaß macht? ntv.de hat es ausprobiert.
Elektromobilität ist vor allem entstanden, um den CO2-Ausstoß herunterzubringen – also aus einem grünen Gedanken heraus, könnte man sagen. Aber schnell hat sich herauskristallisiert, dass elektrischen Antriebe auch ein Performance-Zauber innewohnt und diesen Umstand nutzen manche Hersteller, um Kunden zu gewinnen. Das Problem ist: Mit elektrischen Antrieben lassen sich kurzfristig wahnwitzige Spitzenleistungen realisieren, aber dabei handelt es sich eben nicht um Dauerleistungen wie beim Verbrenner. Das führt eben auch dazu, dass batterieelektrische Fahrzeuge im oberen Geschwindigkeitsbereich nicht so gut abliefern.
Tesla war der erste Hersteller mit einem relativ bezahlbaren 1000-PS-Auto (Model S Plaid), und da ließ Porsches Antwort nicht lange auf sich warten. Das Resultat ist die Taycan-Speerspitze Turbo GT mit 1034 PS sogenannter Overboost-Leistung. In der absoluten Spitze sind es sogar 1108 PS, doch dazu später mehr.
Nachdem ntv.de den Turbo GT vor dem Debüt kurz auf der Rennstrecke bewegen durfte, bestand jetzt die Möglichkeit, die Limousine im ganz normalen Straßenverkehr zu erleben. Das ist vor dem Hintergrund spannend, dass der damalige Model-S-Plaid-Testwagen zwar 1020 PS auf dem Papier ausweist, sich aber nicht lange wie ein 1000-PS-Auto fährt. Die Erfahrung war damals: Nach wenigen Beschleunigungsvorgängen mit voller Last war die Mühe groß, überhaupt noch 250 km/h zu erreichen, geschweige 300, wie laut technischen Daten möglich. Im Trackmode konnte man dann in einer Grafik auf dem Display sehen, wie Akku und Maschinen (er verfügt über drei an der Zahl) in die thermische Überbeanspruchung gingen.
Taycan degradiert nicht nennenswert
War die volle Leistung vorhanden, war der Schub gigantisch – vor allem im oberen Geschwindigkeitsbereich. Beim stärksten Porsche Taycan liegen die Dinge anders. Die Zuffenhausener wären nicht die Zuffenhausener, hätten sie nicht dafür gesorgt, dass eine entsprechende Kühlleistung den Antriebsstrang dauerfit hält. So lässt sich die volle Power erst dann nicht mehr abrufen, wenn der Akkustand unter 30 Prozent sinkt. Ein bisschen enttäuschend ist – Achtung! Meckern auf verdammt hohem Niveau -, dass der Turbo GT im oberen Geschwindigkeitsbereich nicht so brutal durchzieht wie das Model S Plaid. Dafür degradiert der Porsche nicht nennenswert. Er schafft immer die werksangegebenen 290 km/h, und das auch ziemlich zügig.
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Ein echtes 1000-PS-Auto ist der Taycan Turbo GT jedoch trotzdem nicht. Vierstellig wird es erst beim Einsatz des Launchstarts, und der ist für maximale Beschleunigung aus dem Stand vorgesehen. Dann stehen zwei Sekunden lang sogar 1108 PS zur Verfügung und weitere acht Sekunden 1034 PS. Den regulären Output beziffert Porsche dann mit "mageren" 789 PS. Heißt im Klartext, wenn du bei 150 km/h auf der Autobahn durchlädst, bekommst du keine 1000 PS – das ist ein kleiner Makel unter der Maßgabe, dass du die 1000 PS immer erwartest, da sie nun einmal auf dem Papier stehen.
Ein bisschen Ironie muss sein, aber ganz im Ernst: Natürlich ist der Taycan Turbo GT eine irre Performance-Maschine, die in der Realität kaum mehr als fünf Sekunden brauchen dürfte, um von Richtgeschwindigkeit aus auf weit über 200 Sachen zu beschleunigen. Und die Porsche-Ingenieure haben sich so einige Gedanken gemacht, um den 2,4-Tonner auch auf windungsreichen Landstraßen nicht allzu schlecht wegkommen zu lassen. Allradlenkung sowie Sperrdifferenzial an der Hinterachse sind gesetzt.
Hightech-Fahrwerk serienmäßig
Und dank Hightech-Fahrwerk (serienmäßig) ist das Fast-Fünf-Meter-Gefährt mit 2,90 Metern Radstand auch komfortmäßig ganz gut aufgestellt. Das geht schon los mit der blitzartigen Anhebung des Chassis während des Türöffnens. So steigt es sich besser ein. Und jedes einzelne Rad verfügt über eine Hydraulikpumpe, um aktiv Zug- und Schubkräfte walten lassen zu können. Auf diese Weise werden Bodenwellen maximal wirkungsvoll eliminiert.
Bleibt die Kardinalfrage, ob der Turbo GT als besonders exklusiver Tourer mit elektrischem Antrieb fit für die Langstrecke ist. Ja (Komfort und Platz bietet er schließlich), aber natürlich mit den Einschränkungen, die das Ladethema eben so mit sich bringt. Du bekommst den 105-kWh-Akku (Brutto) ganz spielend innerhalb von etwas mehr als 200 Kilometern leer, wenn du dich austobst. Im Gegenzug braucht es mindestens 18 Minuten, bis die Batterie wieder über 80 Prozent Ladestand verfügt. Wenn es gut läuft. Das muss man eben wissen.
Für Porsche ist der Taycan Turbo GT mit der kleinen Lippe auf dem Heckdeckel als markantes Erkennungsmerkmal aber mehr als einfach bloß ein Elektroauto mit vierstelligem Leistungswert. Aus der Sicht der Stuttgarter ist das Taycan-Topmodell durchaus eine Offerte mit einer gewissen Exklusivität. Mit rund 30.000 Euro Abstand zum niedriger positionierten Turbo S fällt der 240.000 Euro teure Spitzenstromer zwar alles andere als günstig aus, aber er ist erkennbar nicht auf Masse ausgelegt, was bedeutet, Porsche könnte ihn womöglich häufiger verkaufen, wenn bei der Produktion keine Zurückhaltung angesagt wäre. Nur ganz langsam scheinen die Exemplare vom Band zu tröpfeln. Und auch in den einschlägigen Internetbörsen tauchen kaum zwei Hände voll an Inseraten auf.
Wer allerdings wirklich verlässlich über 1000 PS haben möchte, muss wohl leider doch bei Bugatti einkaufen. Und da sind die Preise dann satt siebenstellig. So gesehen ist der Taycan Turbo GT wieder bodenständig. Und das, obwohl es ihm an Traumauto-Faktor wahrlich nicht mangelt.
Quelle: ntv.de