Donald Trump: Wie die Nichte des US-Präsidenten, Mary L. Trump, mit ihm abrechnet

US-Präsident Donald Trump wird im Buch seiner Nichte als Soziopath beschrieben.
Foto: Carlos Barria/ REUTERS
Für die eigenen Familienmitglieder und deren Handlungen kann man meist bekanntlich nichts. Das gilt auch für US-Präsident Donald Trump und seine Nichte, Mary L. Trump.
Die 55 Jahre alte Psychologin aus New York hat ein Buch über ihren mächtigen Onkel geschrieben, es ist alles andere als schmeichelhaft für Trump. Das lässt schon der Titel erahnen: "Zu viel und nie genug: Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf."
In dem Werk, das von Mary L. Trumps Verlag Simon & Schuster als "Enthüllungsbuch" angekündigt wurde, wird viel schmutzige Familienwäsche gewaschen.
Es geht um Erbstreitigkeiten, Geschwisterzwist und verletzte Gefühle. Donald Trump wird als geldgieriger, eitler Soziopath beschrieben, der unter einem Vater-Komplex leidet und sogar bei seinem Eignungstest für die Universität geschummelt haben soll. Betrug sei für Trump "Teil seines Lebensstils", schreibt die Nichte laut ersten Auszügen, über die US-Medien berichten.
Joe Biden dürfte sich freuen
Das Buch dürfte den Ausgang der Präsidentenwahl am 3. November nicht entscheidend prägen. Aber ähnlich wie schon die Enthüllungen von Trumps früherem Sicherheitsberater John Bolton ist das Werk der Nichte dazu angetan, die Turbulenzen, in denen sich die Wahlkampagne des Präsidenten derzeit befindet, weiter zu verstärken. Joe Biden, Trumps Herausforderer, dürfte sich jedenfalls freuen, dass der Präsident in dieser Weise durch den Kakao gezogen wird.
Offiziell soll das Buch in den USA am 14. Juli erscheinen. In amerikanischen Redaktionsstuben zirkulieren bereits etliche Vorabexemplare, aus denen Blätter wie die "Washington Post" oder die "New York Times" nun zitieren. Einiges davon erscheint plausibel, weil es sich in Teilen mit früheren Erzählungen aus dem Leben des Präsidenten deckt. Auch ist das Buch eines direkten Familienmitglieds natürlich relevant, weil es dabei helfen kann, die Biografie des Präsidenten besser zu verstehen.
Zugleich sind die kolportierten Episoden aber auch mit Vorsicht zu behandeln. Sie liegen zum Teil lange zurück, sie beruhen auf Hörensagen oder es fehlen konkrete Belege. Für Außenstehende sind die Dinge so oder so nur schwer nachprüfbar, weil dafür andere Familienmitglieder des Trump-Clans ihr Schweigen brechen müssten.
Wer ist Mary L. Trump?
Mary L. Trump ist die Tochter von Trumps ältestem Bruder Fred Trump Junior, der 1981 an den Folgen einer Alkoholsucht starb. Zu den meisten Mitgliedern des Trump Clans hält sie schon seit Längerem Abstand, auch weil es zwischen den Familienmitgliedern nach dem Tod von Donald Trumps Vater, Fred Senior, in den Neunzigerjahren zu Erbstreitigkeiten kam. Mary fühlte sich wohl bei der Verteilung des Erbes benachteiligt.
Laut den ersten Auszügen nimmt die Beziehung zwischen dem Familienpatriarchen, seinem ältesten Sohn Fred Junior und Donald Trump eine zentrale Rolle in dem Buch ein. Immer wieder beschreibt Mary L. Trump demnach, wie der autoritäre Fred seinen Sohn Fred Junior beleidigt und für zu schwach hält, das väterliche Immobilienunternehmen in New York zu übernehmen. Schließlich wurde Donald, der Liebling von Fred Senior, dessen Nachfolger.
Donald habe "viel Zeit gehabt, von der Demütigung des Bruders durch den Vater zu lernen", schreibt Mary L. Trump. Er habe alles dafür getan, zu verhindern, beim Vater ebenfalls in Ungnade zu fallen. So habe er sich angewöhnt, permanent zu lügen, um besser dazustehen.
Zu den Anekdoten, die Mary L. Trump in diesem Zusammenhang präsentiert, gehört die Behauptung, dass Donald Trump beim sogenannten SAT-Test für den Uni-Zugang betrogen haben soll. Trump habe demnach einen cleveren Freund dafür bezahlt, den Test in seinem Namen zu absolvieren. Trump wurde später an der renommierten Wharton Business School der Universität von Pennsylvania angenommen.
An anderer Stelle beschreibt die Nichte, wie brutal die Familie mit ihrem Vater, Fred Junior, umgegangen sein soll. Patriarch Fred Senior soll ihn demnach bei einer Gelegenheit vor Mitarbeitern gedemütigt haben: "Donald ist zehn Mal mehr wert als du", habe der Alte geschimpft.
Fred Junior verließ das Unternehmen zwischenzeitlich und wurde Pilot. Als er 1981 in Folge seiner Alkoholsucht eine Herz-Attacke erlitt, habe ihn niemand aus der Familie ins Krankenhaus begleitet, wo er wenig später starb. Donald Trump sei ins Kino gegangen, behauptet die Nichte.
"Donald ist ein Clown"
Bemerkenswert sind auch Passagen, in denen die Nichte Zitate von Trumps Schwester, Maryanne Trump Barry, überliefert. Die beiden Frauen hielten demnach regelmäßig Kontakt und trafen sich auch vor der letzten Präsidentenwahl zum Essen. Die Trump-Schwester, eine pensionierte Richterin, habe dabei Zweifel angemeldet, dass der Bruder für das Präsidentenamt geeignet sei. "Donald ist ein Clown", soll Maryanne erklärt haben.
Die Schwester habe sich in diesem Zusammenhang auch über die Unterstützung Trumps durch evangelikale Christen ausgelassen. "Das einzige Mal, dass Donald in die Kirche ging, war, als Kameras da waren", soll sie gesagt haben. "Es ist unglaublich. Ihm geht es nur um seine Unterstützerbasis. Er hat keine Prinzipien. Gar keine." Maryanne Trump Barry hat sich bislang zu den kolportierten Zitaten nicht geäußert.
Immer wieder beschreibt Mary Trump auch persönliche Begegnungen mit Donald Trump. Zum Beispiel eine Episode aus Mar-a-Lago, Trumps Sommerhaus in Florida. Dort habe sie im Pool gebadet und sei anschließend Trump über den Weg gelaufen, der sich nicht zu schade gewesen sei, als Onkel die Brüste seiner Nichte zu bewundern: "Donnerwetter, Mary. Du hast einen Vorbau", soll Trump zur ihr gesagt haben.
Das nächste Insider-Buch ist schon im Anflug
Ganz nebenbei enthüllt Mary Trump auch, dass sie im Jahr 2018 eine wichtige Quelle für eine große Geschichte in der New York Times gewesen sei, bei der zahlreiche Details des Trumpschen Vermögensverhältnisse offengelegt wurden. Unter anderem berichtete die Times seinerzeit über mutmaßliche Steuer-Tricksereien des Trump Clans.
Dazu muss man wissen: Bislang haben alle Mitglieder der Familie offiziell zu derartigen Familienangelegenheiten eisern geschwiegen. Auch Mary L. Trump hielt sich öffentlich lange mehr oder weniger zurück. Nun geht es ihr offenkundig auch darum, einen Beitrag dazu zu leisten, Trumps Wiederwahl im November zu verhindern. Jedenfalls rechtfertigt sie die Veröffentlichung der intimen Details aus dem Familienleben unter anderem damit, dass sie nicht zulassen könne, dass ihr Onkel "das Land zerstört".
2016 hat die Nichte nach eigenen Angaben für Trumps Gegenkandidatin Hillary Clinton gestimmt. Die Wahl ihres Onkels zum Präsidenten der USA sei die "schlimmste Nacht ihres Lebens" gewesen, so Mary L. Trump.
Die Trump-Familie hatte in den vergangenen Wochen Versuche unternommen, die Veröffentlichung des Buchs zu verhindern. Dabei war nicht Trump selbst aktiv geworden, sondern sein jüngerer Bruder Robert. Der klagte in New York gegen das Buch, weil es aus seiner Sicht gegen eine Verschwiegenheitsvereinbarung verstößt, die Mary L. Trump im Rahmen einer Schlichtung in ihrem Erbschaftsstreit mit dem Trump-Clan vor einigen Jahren unterschrieben hatte. Ein Gericht in New York ließ die Veröffentlichung jedoch zu.
Weißes Haus weist Behauptungen zurück
Das Weiße Haus bezeichnete das Buch am Dienstag als "Ansammlung von Unwahrheiten", energisch dementiert wurde speziell die Episode zu dem Universitäts-Test. Der Präsident selbst hielt sich mit einem Kommentar zunächst zurück.
Im Trump-Team ist man an Kummer durch echte oder angebliche Enthüllungsbücher inzwischen gewöhnt. In wenigen Wochen soll schon die nächste "Insider"-Geschichte erscheinen. Eine frühere Vertraute von Trumps Frau Melania hat ein eigenes Buch mit angeblichen Details aus dem Leben der First Lady angekündigt.
Auch der "Watergate"-Reporter Bob Woodward arbeitet derzeit an einem Buch über Trump. An diesem Projekt scheint der Präsident ein spezielles Interesse zu haben. Im Weißen Haus wurde er am Dienstag mit einem Zettel gesehen, auf den er sich mit einem schwarzen Filzstift den Namen Woodward notiert hatte.
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