Das Erbe der Tories: So marode ist Großbritannien
Politik

Die britische Wirtschaft wächst mühsam, das Gesundheitswesen steht unter Druck.
Nach 14 Jahren an der Macht stehen die Tories vor einer historischen Pleite, Labour-Chef Starmer dürfte in Kürze in die Downing Street einziehen. Dort erwarten ihn großen Herausforderungen, in vielen Bereichen ist die Lage düster.
Bei der Parlamentswahl in Großbritannien endet höchstwahrscheinlich die Macht der Konservativen nach 14 Jahren. Sollte Labour an diesem Donnerstag gewinnen, steht Parteichef Keir Starmer vor einigen der größten Herausforderungen, die eine neue Regierung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu bewältigen hat. Die Wirtschaft wächst mühsam. Das Gesundheitswesen und andere Dienstleistungsbereiche stehen unter Druck. Zudem gibt es wenig Spielraum in den öffentlichen Finanzen, um dies zu beheben. Die bisherige Regierung von Rishi Sunak blieb auch hinter ihren Zielen für Einwanderung und Wohnungsbau zurück. Im Folgenden einige der wichtigsten Aufgaben für die nächste Regierung:
Wirtschaft

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In Großbritannien hat die Wirtschaft wie in vielen anderen wohlhabenden Ländern in den meisten Jahren nach der Finanzkrise 2008/2009 nur schleppend zugelegt. Das Wachstum seit 2010 – als die Konservativen an die Macht kamen – war zwar stärker als in Deutschland, Frankreich oder Italien. Aber der Vorsprung ist gering. Der Lebensstandard wird voraussichtlich während der kommenden Legislaturperiode erstmals seit den 1950er-Jahren sinken.
Sunak argumentiert, die Wirtschaft erhole sich nach der Corona-Krise und dem Anstieg der Energiepreise. Starmer wiederum kündigt an, unter Labour werde Großbritannien das stärkste nachhaltige Wachstum unter den G7-Staaten erzielen. Seit der Pandemie ist die Wirtschaft allerdings die zweitschwächste der führenden Industriestaaten. "Auch wenn die Arbeitslosigkeit niedrig ist, hat die hohe Inflation die Wähler schwer belastet", sagt Commerzbank-Analyst Christoph Balz.
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Armut

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Die Armut geht weiter zurück, aber das Tempo hat sich seit 2010 verlangsamt. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung hat. Diese sogenannte absolute Armut sank in den 13 Jahren bis zum Haushaltsjahr 2009/10 fünfmal schneller als seitdem, wie das Institute for Fiscal Studies (IFS) ermittelt hat. Auch andere Indikatoren zeigen die Folgen der Inflation. Im Jahr 2019/20 konnten vier Prozent der Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter ihr Zuhause nicht ausreichend heizen. Drei Jahre später lag dieser Anteil laut IFS bei elf Prozent.
Einwanderung
Mehrere konservative Regierungen haben ihre Ziele verfehlt, die Einwanderung unter dem Strich zu senken – selbst nachdem Großbritannien die EU verlassen und die Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus der Union abgeschafft hatte. Mittlerweile verlassen mehr Arbeitnehmer aus EU-Staaten Großbritannien als ins Land kommen. Aber die Zahl der Menschen, die aus anderen Ländern – vor allem Indien und Nigeria – kommen, ist stark gestiegen. Die Nettomigration ging von einem Rekordwert im Jahr 2022 von 764.000 auf 685.000 im vergangenen Jahr zurück, ist aber fast viermal so hoch wie 2019.
Gesundheit

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Im Gesundheitswesen läuft es nicht rund. Immer mehr Menschen müssen lange auf eine nicht dringende Behandlung warten. Ende 2023 waren es allein in England fast acht Millionen und damit fast doppelt so viel wie vier Jahre zuvor. In den vergangenen Monaten hat es sich etwas gebessert, aber die Gesundheitsbehörde NHS liegt weit hinter ihrem Ziel zurück, innerhalb von 18 Wochen mit der Behandlung fast aller nicht dringenden Patienten zu beginnen. Auch Notfallpatienten können nicht alle umgehend behandelt werden. Seit 2010 wachsen die inflationsbereinigten Gesundheitsausgaben langsamer als im Schnitt seit den 1950er-Jahren – und das in Zeiten, in denen die Bevölkerung wächst und altert.
Wohnungsbau
Wie in Deutschland wird die konservative Regierung beim Wohnungsbau ihre Ziele wohl nicht erreichen. In den zwölf Monaten bis Ende März 2023 wurden in England etwas mehr als 234.000 Wohnungen gebaut. Die Zahl war damit dauerhaft unter dem für Mitte der 1920er-Jahre angepeilten Niveau von 300.000. Der britische Wohnungsmarkt bietet nach Erkenntnissen der Denkfabrik Resolution Foundation das schlechteste Preis-Leistungs-Verhältnis aller vergleichbaren Volkswirtschaften.
Produktivität und Investitionen
Das Wirtschaftswachstum beschleunigen für mehr Geld in der Staatskasse und mehr Geld im Portemonnaie der Menschen – das ist eine der wichtigsten Herausforderungen für die nächste Regierung. Dafür muss sich die schwache Produktivität verbessern. London und Südostengland sind die einzigen Regionen in Großbritannien, in denen der Ausstoß pro Stunde über dem nationalen Durchschnitt liegt. Nötig wären auch mehr Investitionen des Privatsektors. Aber die Unternehmen sind seit dem Brexit-Referendum 2016, das jahrelange Instabilität auslöste, bei Investitionen zurückhaltend.
Quelle: ntv.de, ghö/rts