Coronavirus: Was wir über die Immunität bei Covid-19 wissen
Kann ich mich mehrmals mit dem Coronavirus infizieren? Berichte aus China und Südkorea lassen auf den ersten Blick an einer Langzeit-Immunität zweifeln. Doch die Meldungen vermitteln ein falsches Bild.
Es ist eine Zeit voller Unsicherheiten: Wie lange dauert der Ausnahmezustand an? Werde ich mich selbst irgendwann mit dem Coronavirus infizieren? Kann ich mich danach frei bewegen? Auf all diese Fragen gibt es derzeit noch keine Antworten. Die Wissenschaft geht davon aus, dass die Pandemie erst zum Stillstand kommt, wenn ein Impfstoff entwickelt ist – oder wenn 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung nach überstandener Infektion immun gegen das Virus sind.
Dass rund zwei Drittel der Bevölkerung die Krankheit überstanden haben, könnte nicht nur mehrere Jahre dauern, es ist nach aktuellem Kenntnisstand auch noch offen, ob und wie lange ein Mensch nach einer Covid-19-Infektion überhaupt immun ist. Da im Blut von Patienten, die wieder genesen sind, Antikörper gegen Sars-CoV-2 gefunden wurden, ist es wahrscheinlich, dass man zumindest für eine Zeit lang immun gegen das Virus ist.
Fallberichten aus China und Südkorea zufolge wurde das Virus Sars-CoV-2 jedoch offenbar vereinzelt bei Personen mehrere Tage oder Wochen nach der überstandenen Erkrankung erneut nachgewiesen. Haben sich die Patienten also noch einmal angesteckt? Sollte dem so sein, könnte das die bisherige Strategie der Bundesregierung gehörig durcheinander wirbeln. Denn momentan gehen Politik und Robert Koch-Institut (RKI) davon aus, dass die Genesenen sich nicht unmittelbar wieder mit dem Virus anstecken können und dadurch auch keine Gefahr mehr für andere sind.
Neue Phase der Pandemie
Der Bericht einer Reporterin der Nachrichtenagentur Reuters sorgte in dieser Woche daher für Beunruhigung: In der chinesischen Stadt Wuhan, wo das Virus im Dezember als Erstes ausgebrochen war, häuften sich demnach Fälle, in denen Covid-19-Patienten nach überstandener Erkrankung erneut positiv auf das Virus getestet wurden. Die Reporterin gibt an, mit Ärzten in Wuhan gesprochen zu haben, die ihr erzählt hätten, dass diese Patienten keine Krankheitssymptome mehr zeigten und zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Therapie negativ getestet worden waren. In manchen Fällen seien die Tests dann jedoch mehrere Wochen nach der vermeintlichen Genesung wieder positiv gewesen – in manchen Fällen sogar nach bis zu 70 Tagen.
Da die Ärzte nicht wüssten, ob von den Betroffenen noch ein Ansteckungsrisiko ausgehe, würden diese Ex-Patienten weiter unter Quarantäne gehalten. Sie hätten dieses Phänomen als größte Herausforderung in der neuen Phase des Kampfes gegen die Pandemie bezeichnet. So berichtet es die Reuters-Reporterin, deren Angaben nicht überprüft werden können, da sie sich auf Gespräche vor Ort beziehen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Berichte dieser Art für Verwirrung sorgen: Anfang April erschien eine Studie im Fachblatt "Clinical Infectious Diseases", in der Forscher aus Shenzen beschreiben, dass 14,5 Prozent der untersuchten Covid-19-Patienten erneut positive PCR-Tests hatten, nachdem sie zunächst negativ getestet worden waren. Mit PCR-Tests können aktive Infektionen nachgewiesen werden.
Die Studie bezieht sich auf insgesamt 172 Patienten, die zwischen Januar und Februar aus dem Krankenhaus in Shenzen entlassen wurden, nachdem sie die dafür relevanten Kriterien erfüllt hatten: Fieberfrei seit mehr als drei Tagen, symptomfrei, unbedenkliche Lungenscans und mindestens zwei negative PCR-Tests, die mit einem zeitlichen Abstand von 24 Stunden durchgeführt wurden. Auch in Deutschland gilt ein Patient nach diesen Kriterien als genesen. Nach ihrer Entlassung wurde bei den Patienten alle drei Tage ein PCR-Test durchgeführt. Unter den 172 entlassenen Patienten seien 25 nach einigen Tagen erneut positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden.
In einer weiteren Studie, die Ende März im "Journal of Infection" erschien, untersuchten Wissenschaftler 55 Covid-19-Patienten aus Wuhan. Bei fünf von ihnen sei nach der Entlassung aus dem Krankenhaus erneut das Virus im Rachenabstrich gefunden worden, obwohl die PCR-Tests davor negativ ausgefallen waren. Einer von ihnen wurde sogar erst nach 17 Tagen erneut positiv auf das Virus getestet. Unklar bleibt in dieser Studie, ob die PCR-Tests nach Entlassung der Patienten in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt wurden.
Ähnliche Berichte hatte es von chinesischen Forschern bereits im Februar in der Fachzeitschrift "Jama" gegeben. Auch in Japan wurden solche Fälle bekannt. Südkorea hatte zuletzt von 163 Fällen berichtet, die sich zuerst von Covid-19 erholt hatten und danach erneut positiv getestet wurden.
Kann man sich mehrfach infizieren?
Doch was bedeuten diese Erkenntnisse? Haben sich die Patienten etwa ein zweites Mal angesteckt, wie es die Überschriften mancher Medienberichte einem Glauben machen wollen? Die Wissenschaftler der erstgenannten Studie schlussfolgern, dass die Patienten bei ihrer Entlassung wohl noch nicht virusfrei waren und zwei negative PCR-Tests innerhalb von 24 Stunden als Entlassungskriterien nicht ausreichen könnten. Weiterhin geht aus den Studienergebnissen hervor, dass diese Patienten keine weiteren Menschen angesteckt haben. Das könnte darauf hindeuten, dass das ausgeschiedene Virus nicht mehr infektiös war.
Anders als in vielen Medien dargestellt, suggeriert keine der genannten Studien, dass die Patienten sich ein zweites Mal infiziert haben könnten. Vielmehr schließen die Wissenschaftler aus den Studienergebnissen, dass das Virus in Einzelfällen offenbar reaktiviert werden könnte – ähnlich wie Herpesviren, die im Körper in einer Art Stand-by-Zustand schlummern und in Abständen ausbrechen können, aber nie ganz verschwinden.