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Coronavirus: Russland behauptet, im August den ersten Impfstoff zu haben

July 29
21:50 2020
Wer hat zuerst einen Corona-Impfstoff? Das weltweite Wettrennen ist auch politisch (Symbolbild) Icon: vergrößern

Wer hat zuerst einen Corona-Impfstoff? Das weltweite Wettrennen ist auch politisch (Symbolbild)

Foto: ~User7565abab_575/ iStockphoto/ Getty Images

Weltweit forschen Wissenschaftler unter Hochdruck an einem Impfstoff gegen Covid-19. Mehrere Medienberichte legen nun nahe, dass Russland kurz vor der Zulassung eines solchen Impfstoffs steht: Russland bereite sich darauf vor, schon Mitte August ein Präparat zulassen zu können, schreibt etwa CNN in Bezug auf Vertreter russischer Behörden. Der Gesundheitsminister Michail Muraschko kündigte bei der staatlichen Nachrichtenagentur Interfax an, dass medizinisches Personal im August gegen das Coronavirus geimpft werden solle.

In Russland ist die erste Corona-Welle noch immer nicht eingedämmt. Die Zahl der Neuinfektionen liegt derzeit bei rund 5700 täglich. Mit rund 827.000 Corona-Fällen gehört Russland zu den weltweit am meisten von der Pandemie betroffenen Ländern. Mehr als 13.600 Menschen starben bereits an Covid-19.

Das staatliche Gamaleya-Forschungsinstitut will nun einen Impfstoff entwickelt haben, der Anfang August Phase II der klinischen Studie abgeschlossen haben soll. CNN zufolge soll der Impfstoff dann zum 10. August zugelassen und zunächst Mitarbeitern aus dem medizinischen Bereich geimpft werden. Die Nachrichtenseite bezieht sich auf Angaben aus russischen Behördenkreisen. CNN zufolge geht der russische Impfstoffkandidat auf einen Vektorimpfstoff gegen Adenoviren zurück.

Die Meldung klingt spektakulärer, als sie ist. Denn auch andere Unternehmen haben bereits Erfolge in Phase-I/II-Studien vermeldet. Die Mainzer Firma Biontech etwa hat zusammen mit ihrem US-Partner Pfizer ebenfalls eine Erlaubnis für die Phase-III-Studie mit bis zu 30.000 Probanden erhalten. Auch die US-Biotech-Firma Moderna will Ende des Monats mit Phase-III-Studien beginnen. In einem ähnlich fortgeschrittenen Stadium der Erprobung sind laut einer Übersicht der WHO derzeit noch vier weitere Projekte.

Erste Ergebnisse werden möglicherweise im November vorliegen. Bislang konnte für mehrere Impfstoffkandidaten nachgewiesen werden, dass sie die Immunantwort ankurbeln. Der Nachweis, dass eines der Mittel wirklich schützt, steht aber noch aus. Denn erst in Phase III der Impfstoffforschung wird ein Präparat an einer repräsentativen Gruppe von Freiwilligen getestet – meist werden dabei rund zehntausend Probanden geimpft. Wenn alles gut läuft, werden dabei die Ergebnisse der ersten zwei Phasen, also Wirksamkeit, Sicherheit und Dosierung der Impfung, bestätigt. Erst wenn sich ein Impfstoff in einer Phase-III-Studie bewährt, kann er zugelassen werden.

Die russische Agentur Interfax zitiert den Gesundheitsminister Muraschko, der gesagt haben soll, dass an der Phase-III-Studie in Russland rund 800 Menschen teilnehmen sollen. Das lässt Zweifel an der Repräsentativität der Studie zu. "Parallel dazu werden wir die Produktion hochfahren und auch die Hochrisikogruppen dazu einladen, sich freiwillig impfen zu lassen", sagte Muraschko demnach.

Berichten zufolge sollen auch wichtige Vertreter aus Politik und Wirtschaft, unter anderem Präsident Wladimir Putin, den Impfstoff verfrüht erhalten. Diese Berichte hat der Kreml dementiert. Die Frage danach, wer einen Impfstoff zuerst bekommt und wie er am besten hergestellt und verteilt werden kann, sollte erst einmal einer entwickelt und zugelassen sein, wird künftig eine wichtige Rolle spielen.

Weltweit haben Zulassungsbehörden und Experten immer wieder betont, dass es trotz der Eile aufgrund der Pandemie-Situation nicht zu einer vorschnellen Impfstoffzulassung kommen darf. In Deutschland etwa müssen Hersteller dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das für die Zulassung von Impfstoffen verantwortlich ist, detailliert vorlegen, wie sie vorgehen. Ob die russischen Forscher genauso gründlich und ethisch verantwortlich handeln, ist unklar. Transparente Studien zur Impfstoffentwicklung des Gamaleya-Instituts sind nicht zu finden.

Doch selbst wenn man Russland Glauben schenkt, dass es tatsächlich einen Impfstoff entwickelt hat, der in Phase I und II erfolgreich war, ist die Nachricht vom Beginn der Phase III im August nicht weiter ungewöhnlich. Dass der Impfstoffkandidat parallel mit der Phase III bereits medizinischem Personal gespritzt werden soll, allerdings schon. Zwar sollte bei einer sauberen Durchführung der ersten beiden Phasen bereits sichergestellt sein, dass das Präparat keine schweren Nebenwirkungen hervorruft. Dennoch beruht auch die Phase III der klinischen Studien auf Freiwilligkeit. Inwiefern diese bei den Ärzten und Pflegern gegeben sein wird, geht aus den Nachrichten nicht hervor.

Auch, ob der Impfstoff überhaupt ausreichend vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 schützt, ist nach den ersten beiden Phasen der klinischen Studien noch nicht ausreichend bewiesen. Es könnte also sein, dass das medizinische Personal sich durch die Impfung zu Unrecht in Sicherheit wiegt und trotzdem mit dem Coronavirus infiziert werden kann. Russland, das viel Wert auf seine Forschungserfolge legt, scheint es eher um Prestige zu gehen als um Sicherheit.

Icon: Der Spiegel

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