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Corona-Krise: Union und SPD feilschen um Konjunkturpaket

June 02
15:28 2020
Koalitionsspitzen nach dem jüngsten Treffen Ende April: Geld ausgeben - nur wie? Icon: vergrößern

Koalitionsspitzen nach dem jüngsten Treffen Ende April: Geld ausgeben – nur wie?

Markus Schreiber/ AP/ DPA

Dass sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD schon am Nachmittag im Kanzleramt zum Koalitionsgipfel treffen, dürfte nicht dazu führen, dass man rascher wieder auseinandergeht als zuletzt: Vielmehr rechnet man in den drei Parteien trotz des Beginns um 14 Uhr mit einem Treffen bis in den Mittwochmorgen. Selbst eine Verlängerung wird in Koalitionskreisen nicht ausgeschlossen.

Man erwartet eine Marathonsitzung, dabei ist die Tagesordnung denkbar knapp. Sie enthält genau zwei Punkte. Erstens: das Corona-Konjunkturpaket, zweitens: Sonstiges.

Beim Konjunkturpaket geht es jedoch um nicht weniger als um eine Neuaufstellung der deutschen Wirtschaft. Die Coronakrise hat Deutschland schwer getroffen, auch wenn hierzulande bislang weniger Menschen an Covid-19 gestorben sind als anderswo.

Die Bundesregierung geht von der schwersten Rezession der Nachkriegszeit aus. Nun will die Koalition mit zig Milliarden Euro schaffen, dass es wieder bergauf geht, bestimmte Bereiche bestenfalls sogar gestärkt aus der Krise kommen.

Nur wie?

Darum dürfte im Koalitionsausschuss intensiv gerungen werden. Die Liste der Vorschläge und Ideen, vom Kanzleramt vor Pfingsten eingesammelt, ist lang und finanziell nicht zu stemmen. Selbst in der bearbeiteten und komprimierten Fassung dürfte das Konjunkturpaket heftige Diskussionen auslösen.

Dabei braucht die Regierung möglicherweise keinen weiteren Nachtragshaushalt für das Multi-Milliarden-Paket. Von den 156 Milliarden Euro, die der Bundestag Ende März an zusätzlichen Schulden für die Folgen der Coronakrise genehmigte, ist offenbar noch ein großer Teil verfügbar.

Aber was mit dem Geld zu tun ist, darüber gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen zwischen den drei Regierungspartnern – mitunter aber auch innerhalb der Unionsparteien und der SPD. Am Montagabend trafen sich führende CDU-Politiker mit Kanzlerin Angela Merkel zur Vorbesprechung, am Dienstagvormittag kamen Christdemokraten mit der CSU-Spitze, am Mittag die Sozialdemokraten zu getrennten Vorberatungen zusammen.

Geht es vor allem darum, die Kaufkraft der Deutschen zu stärken? Um gezielte Förderung bestimmter Branchen, damit endlich der Innovationssprung der deutschen Wirtschaft gelingt, am besten noch ökologisch nachhaltig? Oder doch nur um recycelte Ideen, um alte Industrien zu stützen? Am Ende dürfte es auf einen Mix herauslaufen.

Scholz und Laschet wollen Hilfen für Kommunen

So will die CSU mit Blick auf die bayerischen Unternehmen BMW und Audi unbedingt ein Kaufprämien-Modell für die Automobilbranche auflegen, in der SPD hat sich der niedersächsische Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil dafür ausgesprochen. Seine Partei will aber keine direkten staatlichen Kaufprämien für Verbrenner. Auch die Unions-Bundestagsfraktion mit ihrem Vorsitzenden Ralph Brinkhaus sträubt sich.

Aus der CDU-Spitze heißt es nun, vorstellbar sei eine sogenannte Innovations-Kaufprämie, um damit eine Umstellung auf klima- und umweltfreundlichere Fahrzeuge zu ermöglichen. Dazu solle ein Programm kommen, um Zukunftsinvestitionen der Fahrzeughersteller und Zulieferer zu stimulieren und den Ausbau der Ladestellen für elektronische Fahrzeuge zu beschleunigen.

Ein anderes Streitthema quer durch die Koalition sind mögliche Hilfen für klamme Kommunen. SPD-Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz möchte eine Art Schutzschirm für Kommunen aufspannen, indem Bund und Länder Ausfälle der Gewerbesteuer ausgleichen und alte Schulden abtragen. Der CDU-Vize und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet unterstützt die Idee grundsätzlich. "Ein Konjunkturprogramm ohne einen Rettungsschirm für die Kommunen ist für mich nicht vorstellbar", sagte er dem SPIEGEL. Doch eine Altschuldenregelung für Kommunen möchte die CSU nicht, weil bayerische Gemeinden davon nicht profitieren würden.

Aus der CDU-Führung gibt es nun einen weiteren Vorschlag, um die Kommunen zu entlasten. Demnach würde der Bund für 2020 und 2021 in der Grundsicherung für Arbeitssuchende zusätzlich 20 Prozent der Kosten der Unterkunft übernehmen – inklusive Heizung. Die SPD ist skeptisch. Das wäre für den Bund ein schlechter Deal, heißt es bei den Sozialdemokraten, teuer und verfassungsrechtlich problematisch, sprich: Das Grundgesetz müsste geändert werden.

SPD fordert Familienbonus

Ein weiterer Punkt: Manche Christdemokraten fordern wie die Sozialdemokraten einen einmaligen Sonderzuschlag zum Kindergeld für Eltern. Im Gespräch sind 300 oder gar 600 Euro. In der SPD gibt man sich zuversichtlich, dass der Familienbonus kommt. So könne man recht einfach die Nachfrage stimulieren, da für die vorgezogene Teil-Abschaffung des Solidaritätszuschlags die Zeit nicht mehr reiche.

Widerstand kommt allerdings vom Wirtschaftsflügel der Union. Die CSU will ihrerseits eine Verdopplung des Steuerfreibetrags für Alleinerziehende von 1908 Euro auf 4000 Euro vorschlagen. "Viele von ihnen arbeiten aufgrund der Betreuung und Erziehung in Teilzeit und machen dafür Abstriche bei ihrem Verdienst", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der "Bild"-Zeitung.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) könnte sich weitere Liquiditätshilfen für Mittelständler vorstellen, das von SPD-Mann Scholz geführte Finanzministerium plant wiederum ein Nachfolgeprogramm für das Rettungspaket für Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige. Zudem sollen Branchen wie Gaststätten, Hotels und Reisebüros gezielte Hilfe bekommen.

Auch zahlreiche Ideen zur steuerlichen Entlastung von Unternehmen und besonderen Abschreibemöglichkeiten sind im Umlauf, Finanzminister Scholz will aber insbesondere innovative und nachhaltige Branchen gezielt fördern. Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) schlägt ein spezielles Programm zur Förderung entsprechender Forschungsvorhaben vor.

Teuer dürfte es in jedem Fall werden. Auf mehr als hundert Milliarden Euro wird man am Ende kommen, glauben Experten. Bis zu einer Bilanz wird es aber dauern. Wie sehr die einzelnen Maßnahmen der Wirtschaft wirklich helfen, wird man wohl erst in einigen Jahren sehen können.

Icon: Der Spiegel

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