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SPIEGEL: Frau Heitmann, Sie arbeiten seit zwölf Jahren als Anwältin, sind auf Sozialrecht und Hartz IV spezialisiert. Ist gerade viel los bei Ihnen?

Heitmann: Ja und nein. Mein Büro liegt direkt in der Nähe des Jobcenters Neukölln, in so einer Einkaufspassage, in die es reinregnet. Typisch Neukölln. Üblicherweise habe ich deshalb viel Laufkundschaft: Die Leute kommen auf dem Weg zum Jobcenter hier vorbei, manchmal so 20 bis 25 Leute am Tag. Nun ist das Jobcenter zu, nur online zu erreichen, da fallen die Spontankunden weitgehend weg. Die Leute rufen jetzt eher bei mir an, um Termine zu machen.

SPIEGEL: Und sind da viele dabei, die jetzt wegen Corona erstmals Hartz IV beantragen müssen?

Heitmann: Sicher, ein paar solcher Fälle habe ich gerade: Zum Beispiel Leute, die normalerweise nicht Hartz IV beziehen, aber jetzt auf Kurzarbeit sind und aufstocken müssen. Oder Streitfragen: Ich habe zum Beispiel einen Mandanten, der ist chronisch krank und dialysepflichtig. Der hat wegen Corona Fahrtkosten beantragt, weil er nicht mit der U-Bahn zur Physiotherapie oder ins Krankenhaus fahren wollte, wegen der Ansteckungsgefahr. Ist ja Risikopatient. Und da stellte sich dann die Krankenkasse quer. Obwohl er unter Diabetes, Herzproblemen, Niereninsuffizienz und Bluthochdruck leidet. Da fehlt mir schon das Verständnis. Den Fall haben wir übrigens gewonnen.

SPIEGEL: Aber die große Flut von Corona-bedingten Fällen ist bisher ausgeblieben?