Corona: Bund und Länder einigen sich auf neue Reisebeschränkungen

Die Polizei überwacht die Quarantäne einer Wohnsiedlung in Gütersloh
Noah Wedel/ imago images/Noah Wedel
Angesichts des massiven Corona-Ausbruchs im Kreis Gütersloh haben Bund und Länder Beschränkungen für Reisende aus einem Landkreis mit hohem Infektionsgeschehen beschlossen. Diese dürfen nur dann in einem Hotel untergebracht werden, wenn ihnen ein ärztliches Zeugnis bestätigt, dass sie keine Infektion haben. Das geht aus einem Beschluss des Chefs des Bundeskanzleramtes und der Leiter der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom Freitag hervor. Das benötigte ärztliche Zeugnis "muss sich auf eine molekularbiologische Testung stützen, die höchstens 48 Stunden vor der Anreise vorgenommen worden ist".
Bund und Länder wollen sich dafür einsetzen, die Testkapazitäten wo nötig weiter auszubauen. Sie werden die Umsetzung der Maßnahmen in den kommenden zwei Wochen beobachten und danach über das zukünftige Vorgehen bei neuen besonders betroffenen Gebieten entscheiden, wie es in dem Beschluss weiter heißt. Die Länder begrüßten es, dass das Bundesgesundheitsministerium eine Kostenübernahme von Tests für Menschen möglich gemacht hat, die sich in einem sogenannten Hotspot aufhalten oder aufgehalten haben.
Die Länder werden nach dem Beschluss in den besonders betroffenen Gebieten Vorsorge treffen, dass, so wörtlich, "Reisende aus einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt mit kumulativ mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb der letzten sieben Tage nur dann in einem Beherbergungsbetrieb untergebracht werden dürfen beziehungsweise ohne Quarantänemaßnahme in ein Land einreisen dürfen, wenn sie über ein ärztliches Zeugnis in Papier- oder digitaler Form verfügen, welches bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 vorhanden sind".
Bürger müssen mancherorts in Quarantäne
Wie die Bundesländer, die Beherbergungsverbote für Menschen aus deutschen Corona-Risikogebieten erlassen haben, mit diesem Beschluss umgehen, war zunächst offen. Ausnahmen galten bei diesen Verboten schon jetzt mit aktuellen negativen Corona-Tests. Bayern als Vorreiter heißt unterdessen Gäste aus dem Kreis Warendorf, wo die Infektionen zurückgegangen sind, schon wieder willkommen. In mehreren Bundesländern müssen auch die eigenen Bürger, wenn sie aus dem Kreis Gütersloh nach Hause kommen, in Quarantäne.
Nach dem Corona-Ausbruch im westfälischen Kreis Gütersloh beim Fleischproduzenten Tönnies hatten die meisten Bundesländer Reiseeinschränkungen für Menschen aus Corona-Hotspots beschlossen. In dem aktuellen Beschluss heißt es, gerade mit Blick auf die bevorstehende Urlaubssaison gelte es, bei regionalem Ausbruchsgeschehen die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Wiederausbreitung des Coronavirus durch Reisen innerhalb Deutschlands zu verhindern. Gleichwohl solle die Reisefreiheit der Bürger sowie deren Planungssicherheit auch in den von lokalen Ausbruchsgeschehen betroffenen Gebieten soweit wie möglich erhalten bleiben.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte über die nun getroffene Einigung: "Der Einsatz hat sich gelohnt. Gut, dass wir nun gemeinsame Regelungen aller Länder mit dem Bund dafür haben, wie wir Risiko-Vorsorge und Reisefreiheit miteinander verbinden." Laschet betonte: "Die Unsicherheit und Stigmatisierung bei Reisenden aus Gütersloh in den letzten Tagen dürfen sich nicht wiederholen. Corona besiegen wir nur miteinander, nicht gegeneinander."
Der Beschluss bestätigt auch frühere Vereinbarungen zwischen den Regierungschefs der Länder und Kanzlerin Angela Merkel vom 6. Mai, wonach das Krisenmanagement grundsätzlich bei den Ländern liege. Diese müssten demnach auf regionale Infektionsherde reagieren. Darin heißt es, bei klar eingrenzbarem Infektionsgeschehen, etwa in einer Einrichtung, können sich die Beschränkungen auf diese Einrichtung konzentrieren.
In den Kreisen Warendorf und Gütersloh gibt es in vielen Gemeinden Unverständnis darüber, dass angesichts sehr geringer Infektionszahlen alle Gemeinden mit insgesamt rund 600.000 Einwohnern in den Lockdown mussten – auch wenn sie räumlich sehr weit vom Schlachtbetrieb entfernt liegen.
Bundesregierung ruft zur Solidarität auf
Die Bundesregierung rief bei regionalen Corona-Ausbrüchen wie in den Kreisen Gütersloh und Warendorf unterdessen zu Solidarität auf und warnte vor einem Anprangern dort lebender Menschen. "Jede Region kann plötzlich von einem Ausbruch betroffen sein", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Er verurteilte es scharf, dass Menschen aus den Kreisen beleidigt und ihre Autos zerkratzt worden seien. Das sei ein "völlig inakzeptables und widerwärtiges" Verhalten. Gefragt sei dagegen gerade in schwierigen Situationen gegenseitiger Respekt.
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