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Corona: Auch Deutschland pausiert Studie mit Hydroxychloroquin gegen Covid-19

May 29
04:42 2020
Hydroxychloroquin: Bei Laborversuchen konnte das Malariamittel die Ausbreitung von Sars-CoV-2-Viren eindämmen Icon: vergrößern

Hydroxychloroquin: Bei Laborversuchen konnte das Malariamittel die Ausbreitung von Sars-CoV-2-Viren eindämmen

Yuri Cortez/ AFP

Die Uniklinik Tübingen hat eine klinische Studie mit dem Wirkstoff Hydroxychloroquin vorerst ausgesetzt, wie der SPIEGEL aus dem beteiligten Forscherteam erfuhr. Das eigentlich für die Behandlung von Malaria und Autoimmunerkrankungen zugelassene Mittel wird auch als mögliche Behandlung von Covid-19 gehandelt. Allerdings mehrten sich jüngst Hinweise auf unerwünschte Nebenwirkungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Frankreich haben Studien deshalb vorerst abgebrochen. Nun zieht auch Deutschland nach.

"Wir werden unsere zwei Studien nun für zwei Wochen pausieren", sagte Peter Kremsner, medizinischer Direktor am Universitätsklinikum dem SPIEGEL. Die Entscheidung sei am Donnerstagabend gefallen. In der Zeit sollen die ersten Ergebnisse zur Patientensicherheit von einem unabhängigen Sicherheitsgremium angeschaut werden. Danach wird entschieden, ob die Studien fortgesetzt werden. An der Entscheidung sind auch die zuständige Ethikkommission sowie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beteiligt.

Besonders US-Präsident Donald Trump hatte für das Malaria-Medikament geworben und es unter anderem als "Geschenk Gottes" im Kampf gegen Corona bezeichnet. Zuletzt hatte er bekannt geben, dass Mittel jedoch nicht mehr zu Prophylaxe gegen eine Infektion mit dem Coronavirus einzunehmen.

"Wir haben keine Hinweise auf Nebenwirkungen"

Laut einer aktuellen Studie im Fachblatt "Lancet" könnte die Einnahme von Hydroxychloroquin und dem eng verwandten Wirkstoff Chloroquin die Sterblichkeitsrate bei Covid-19-Patienten erhöhen. Hinweise, dass das Mittel den Verlauf der Krankheit positiv beeinflusst, fanden sich dagegen nicht. Die Forscher hatten über ein Register, an dem weltweit 671 Kliniken beteiligt sind, Daten von mehr als 96.000 Covid-19-Patienten ausgewertet. Jeder Sechste der Patienten war mit einem der Malariamittel behandelt worden, in vielen Fälle bekamen sie zeitgleich ein Antibiotikum.

Am höchsten war die Sterblichkeit bei Patienten, die Hydroxychloroquin und ein Antibiotikum bekommen hatten. 23,8 Prozent der Betroffenen starben. Bei den Patienten, die keine Malariamittel bekommen hatten, war das Risiko zu sterben nur halb so hoch.

Eine mögliche Erklärung für die erhöhte Sterblichkeit könnten Herzrhythmusstörungen sein – eine bekannte Nebenwirkung der Malariamittel –, die gerade für Covid-19-Patienten gefährlich sein könnten, weil die Krankheit in einigen Fälle auch das Herz angreift. Ob die Betroffenen jedoch tatsächlich in Folge von Herzrhythmusstörungen gestorben sind, geht aus den Daten nicht hervor. Zudem ist unklar, ob Ärzte gerade bei Patienten zu den Malariamitteln griffen, die besonders schwere Symptome hatten. Das würde bedeuten, dass sie wahrscheinlich auch ohne die Mittel gestorben wären.

"Wir haben keine Hinweise auf schwere Nebenwirkungen, die mit Hydroxychloroquin in Verbindung stehen könnten", sagte Kremsner weiter. Er vermutet, dass Hydroxychloroquin bei anderen Studien in einigen Fällen auch bei Patienten angewandt worden sein könnte, für die das Risiko für Nebenwirkungen besonders hoch ist und bei denen das Medikament eigentlich nicht eingesetzt werden sollte. Es bestünden nach derzeitigem Wissensstand keinerlei Sicherheitsbedenken, was die klinische Studie in Tübingen angeht. "Ich bin zuversichtlich, dass wir die Studie fortsetzen können", so Kremsner.

An der Uniklinik Tübingen wird der Einsatz von Hydroxychloroquin in einer Studie bei stationären Covid-19-Patienten und in einer zweiten Studie bei ambulanten Covid-19-Patienten getestet, die erste Symptome wie Husten oder Fieber haben. In dieser Studie soll geprüft werden, ob das Mittel die Ausbreitung des Virus im Körper und dadurch auch schwere Verläufe verhindern kann, die im Krankenhaus behandelt werden müssten. Die Teilnehmenden bekommen entweder Hydroxychloroquin oder ein Placebo.

Weder der Patient noch die behandelnde Ärztin wissen, wer welches Mittel bekommt. Die Auswahl erfolgt rein zufällig. Solche randomisierten, doppelblinden und Placebo-kontrollierte Studien sind der Goldstandard der Medikamententestung und deutlich zuverlässiger als bisherige Untersuchungen, die zu Hydroxychloroquin bei COVID-19 publiziert wurden.

Die vorzeitige Pause gefährde nicht den Erfolg der Studie, sagte Kremsner. Zuletzt hätten die Mediziner ohnehin Probleme gehabt neue Patienten zu finden, weil die Zahl der neu an Covid-19-Erkrankten so niedrig ist. Wenn die Infektionsrate in Deutschland so bleibt wie jetzt, müssen wir die Studie stoppen, weil wir keine Patienten mehr haben.

Zurzeit werden weltweit Dutzende Medikamente getestet, die eigentlich für andere Krankheiten zugelassen sind, aber möglicherweise auch bei Covid-19 wirksam sein könnten. Der Vorteil: Die Medikamente sind bereits verfügbar. Bei einem völlig neuen Mittel müsste erst nachgewiesen werden, dass es für Menschen gut verträglich ist. Das kostet Zeit.

Von Hydroxychloroquin und Chloroquin ist bekannt, dass sie die Ausbreitung von Viren eindämmen und entzündlichen Reaktionen vorbeugen können. Bei Laborversuchen konnten sie auch die Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 verlangsamen. Auch bei ersten Studien in China schienen die Mittel den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung zu begünstigen. Allerdings nahmen nur wenige Patienten an der Studie teil.

Andere Länder wollen Studien mit Hydroxychloroquin fortsetzen. In Indien, wo 70 Prozent der Hydroxychloroquin-Medikamente produziert werden, soll das Mittel zur Prophylaxe bei medizinischem Personal eingesetzt werden. Studien hätten keine "größeren Nebenwirkungen gezeigt", argumentiert der Indische Rat für Medizinische Forschung.

Icon: Der Spiegel

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