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Bundeswehr und Rechtsextremismus: MAD soll aggressiver ermitteln

September 23
06:20 2020
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KSK-Soldaten der Bundeswehr

Foto: Björn Trotzki / imago images

Nach einer Reihe brisanter Enthüllungen über rechtsextreme Tendenzen in der Bundeswehr wird der Militärische Abschirmdienst (MAD) deutlich enger als bisher mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Bundeskriminalamt (BKA) verzahnt.

Das Verteidigungsministerium erhofft sich, dass der Truppengeheimdienst durch die engere Kooperation und die gemeinsame Fallbearbeitung mit dem Verfassungsschutz künftig aggressiver und effizienter nach rechtsextremen Soldaten sucht. In der Spitze des Hauses herrscht die Meinung vor, dass der MAD durch seine militärische Prägung bislang oft zurückhaltend und zu langsam agiert hat, wenn es um rechtsextreme Verdachtsfälle ging.

Grundlage für die von oben verordnete Reform ist eine vertrauliche "Vereinbarung zur Verbesserung der Zusammenarbeit". Diese haben die Präsidenten des MAD, des BfV und des Bundeskriminalamts bereits am 18. August unterzeichnet. Der als Verschlusssache eingestufte Pakt zwischen den beiden Diensten und dem BKA liegt dem SPIEGEL vor.

Defizite beim Informationsaustausch

In dem gemeinsamen Dokument räumen die drei Präsidenten offen ein, dass die bisherige Kooperation zur Erkennung rechtsextremer Netzwerke innerhalb der Bundeswehr unzureichend ist. "Bei der Übermittlung von Informationen zwischen MAD und BfV hat es in der Vergangenheit Defizite gegeben", heißt es in dem Papier.

Auch sonst hapert es offenkundig noch: Bereits vereinbarte Kooperationsrunden zwischen Verfassungsschutz und MAD hätten sich zwar "grundsätzlich bewährt, müssen aber noch stärker für die Zusammenarbeit genutzt werden". Nötig sei eine "optimal koordinierte und kooperativere Zusammenarbeit", heißt es in der Vereinbarung.

Beim Informationsaustausch hakte es in den vergangenen Monaten gewaltig. So beschwerte sich der Verfassungsschutz kürzlich hinter verschlossenen Türen gegenüber Abgeordneten, dass man über eine vom MAD orchestrierte Razzia bei einem KSK-Soldaten im sächsischen Collm aus der Zeitung erfahren hatte. Der Inlandsgeheimdienst fühlte sich übergangen.

Der Zugriff bei Philipp Sch., einem langjährigen Elitesoldaten der Bundeswehr und Ausbilder junger KSK-Kämpfer, hatte für Schlagzeilen gesorgt. Bei dem als rechtsextrem eingestuften Soldaten hob die Polizei ein regelrechtes Waffenlager aus. Im Garten fand man neben reichlich Munition und Nazi-Devotionalien zwei Kilogramm Plastiksprengstoff aus Bundeswehr-Beständen.

Solche Alleingänge des MAD soll es in Zukunft nicht mehr geben. "Eine zu isolierte Betrachtung der eigenen Aufgabenstellungen und Verantwortlichkeiten", warnt das Papier der drei Präsidenten, "kann ein fragmentiertes und unvollständiges Lagebild zur Konsequenz haben". Ein stärkeres Zusammenwirken sei deswegen "unabdingbar".

Hospitanzen in den Sicherheitsbehörden

Hinter den höflichen Formeln in dem Papier verbirgt sich ein klassisches Problem der Geheimdienste. Allzugern betrachten die Analysten dort nur die Fälle, für die sie originär zuständig sind. So ist der MAD nur für aktive Soldaten verantwortlich. Verdachtsfälle rechtsextremer Reservisten indes werden vom Verfassungsschutz bearbeitet.

Aus den vergangenen Monaten aber wissen die Fahnder, dass es zwischen rechten Soldaten und Rechtsextremen in der zivilen Welt viele Schnittpunkte und Kontakte gibt. Besonders augenfällig wurde dies bei der Analyse rechtsextremer Chatgruppen über Messenger wie WhatsApp, die Fahnder bei Durchsuchungen auf beschlagnahmten Mobiltelefonen entdeckten.

Nun haben die Präsidenten ein Maßnahmenpaket beschlossen, um die Extremismusfahnder von MAD und Verfassungsschutz näher zusammenzubringen. So soll der MAD an den Expertenrunden im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ), der koordinierten Internetauswertung (KIA) des BKA und der regelmäßig tagenden Kommission Staatsschutz der Länder teilnehmen.

Abseits der Top-Beamten soll auch die Arbeitsebene zusammenrücken. So vereinbarten die Präsidenten regelmäßige "strategische und operative Jour Fixe auf allen Ebenen" und eine "gemeinsame Fallbearbeitung" im Phänomenbereich Rechtsextremismus durch MAD und Verfassungsschutz. Zusätzlich sollen sich die Beamten durch "wechselseitige Hospitationen" besser kennenlernen.

Neben den regelmäßigen Treffen der Experten soll der MAD auch technisch besser an die elektronischen Informationssysteme angebunden werden. Geplant ist eine schnelle Anbindung an das Nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS), über das die verschiedenen Geheimdienste Personen- und Fallakten erstellen und Erkenntnisse über verdächtige Personen austauschen.

Bisher ist es dem MAD nur möglich, in einer Art Lesemodus Daten in dem Informationsverbund einzusehen. Eigene Erkenntnisse zu Personen oder Verdachtsfälle aus der Bundeswehr aber können die MAD-Leute nicht einstellen. Um dies möglich zu machen, müsste das Verfassungsschutzgesetz geändert werden. Bisher aber blockiert das die SPD.

Die lange Liste an Maßnahmen ist für den MAD die zweite Reform binnen kurzer Zeit. Bereits im Sommer 2019 hatte das Verteidigungsministerium beim pannengeplagten Dienst mit dem früheren Verfassungsschützer Burkhard Even einen zivilen Vize-Präsidenten installiert, der den MAD effizienter machen und enger mit seiner alten Behörde vernetzen soll.

Die Reformideen der Präsidenten werden am Mittwoch und Donnerstag Thema eines besonderen Besuchs in der MAD-Zentrale sein. Aus Berlin reisen die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags an und wollen sich in der Kölner Konrad-Adenauer-Kaserne ein Bild machen, ob der MAD für seine Aufgaben gut genug gerüstet ist. Dabei wird ihnen MAD-Präsident Christof Gramm sicherlich auch die frisch unterzeichnete Kooperationsvereinbarung vorstellen.

Icon: Der Spiegel

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