Autoprämie: Stoppt den sozialökologischen Irrsinn! – Kommentar

Wirtschaftsminister Altmaier steigt nach einer Pressekonferenz in seine Limousine (Archivbild)
Michael Kappeler/ picture alliance/dpa
Die Verantwortlichen bei Audi haben sich noch nicht einmal die Mühe gegeben, ihren Geländewagen vom Typ Q7 mit einem Ökoslogan zu versehen. Im Katalog wird lieber das Infotainment und der Allradantrieb angepriesen, auch das "kraftvolle Design" findet Erwähnung, genauso wie das "umfangreiche Platzangebot". Mit einem Ausstoß von über 200 Gramm CO2 pro Kilometer ist der 340-PS-Wagen auch genau das Gegenteil eines umweltbewussten Autos.
Und doch ist er qualifiziert, dass Kunden der VW-Tochter vom Staat mit 2500 Euro unterstützt werden, um diese Unvernunft auf vier Rädern zu kaufen.
Zumindest, wenn es nach Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geht. Dessen Beamten gehen mit einem entsprechenden Vorschlag für eine Kaufprämie in die heutigen Verhandlungen des Koalitionsausschusses über ein Konjunkturprogramm ins Rennen, der auch von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) propagiert wird. Dieser Plan sieht vor, dass Autos der Effizienzklasse B mit einer Basisprämie von 2500 Euro gefördert werden, Autos der Effizienzklasse A mit 3000 Euro. Das lässt nicht nur Umweltaktivisten den Atem stocken, sondern auch eine ganze Reihe von Ökonomen, denen an der Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gelegen ist. Coronakrise hin oder her.
Die deutschen Hersteller hatten gehofft, die Transformation ihrer Branche mit vielfach manipulierten Dieseln überleben zu können
Die Subvention auf Kosten der Steuerzahler basiert auf dem Effizienzklassifizierungssystem für Autos, das vor einigen Jahren als Feigenblatt für die PS-getriebene Autoindustrie ersonnen wurde: Der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid wird dabei mit dem Gewicht des Autos verrechnet. Im Handumdrehen ist ein 2,2 Tonnen schwerer Audi Q7 in der Effizienzklasse B und erfüllt damit nach Auffassung von Wirtschaftsminister Altmaier die Voraussetzung für eine Kaufprämie. Mit einem Listenpreis von rund 75.000 Euro ist er auch noch mehr als 2000 Euro unter der Grenze für förderungswürdige Fahrzeuge.
Das Effizienzklassensystem mit grünen, gelben und roten Skalen von A bis G war schon von jeher an Absurdität kaum zu überbieten. Mit den Kaufprämienkriterien würden es 77 Prozent aller Neuwagen in Deutschland schaffen, gefördert zu werden. Diesel und Benziner, großmotorig, bei 240 Kilometer pro Stunde abgeriegelt – fast der ganze Wahnsinn aus dem Fuhrpark der deutschen Autoindustrie ist dabei. Dass die damit vollkommen aus der Zeit gefallen ist und droht, in der Transformation zur klimaschonenden Elektromobilität von Tesla oder japanischen und chinesischen Herstellern abgehängt zu werden, scheint das Wirtschaftsministerium nicht zu scheren.
Der Lobbyeinfluss insbesondere von süddeutschen Premiumherstellern scheint ganze Wirkung entfaltet zu haben. Es gehe doch um die Rettung der deutschen Schlüsselindustrie, barmen deren Berliner Statthalter seit Wochen. Wenn die Autoindustrie anspringt, dann würde die ganze deutsche Wirtschaft wieder genesen, so lautet ein anderes ihrer Argumente. Dabei ist es viel simpler: Die deutschen Hersteller haben keine entsprechenden Autos zu verkaufen. Sie haben die Transformation in ihrer Branche verschlafen oder genauer gesagt, sie hatten gehofft, sie mit vielfach manipulierten Dieseln überleben zu können.
Man könnte Spritschleudern mit Strafzahlungen belegen, anstatt mit Kaufanreizen
Das ist aufgeflogen. Und dennoch sollen sie jetzt für ihr bisweilen kriminelles Verhalten auch noch mit fünf Milliarden Euro belohnt werden. So hoch nämlich ist das Gesamtbudget, das Altmaier und seine Leute für das Autokonjunkturprogramm veranschlagen. Dabei hätte die Regierung die Coronakrise als Chance nutzen können, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Die gezielte Förderung von Elektroautos und Plug-in-Hybriden hätte der Technologie zum Durchbruch verholfen. Nach Altmaiers Vorstellungen sollen diese einen Aufschlag auf die Basisprämie von 1500 Euro bekommen, also 4000 Euro Prämie. Doch der Anreiz für die alte Technik konterkariert diese Elektroprämie und ist reine Geldverschwendung. Mit dem Geld, das jetzt für Kaufanreize für Verbrenner ausgegeben wird, könnte der Bund Abschreibungsmodelle oder direkte Hilfen finanzieren, mit denen der Bau von neuen Produktionslinien oder die Elektromobilitätsforschung unterstützt würde.
Das wäre ein Fitnessprogramm für die deutsche Wirtschaft, von dem Peter Altmaier seit Wochen erzählt.
Heute Abend liegt es in den Händen einiger vernünftiger Unionsleute in der Koalition sowie der SPD, ein nachhaltiges Konjunkturprogramm zu schnüren. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat immer wieder gefordert, nur Elektroautos zu fördern. Es gibt auch andere Vorschläge, die Verbrennungsmotoren nur bis zu einem CO2-Ausstoß von 110 Gramm pro Kilometer fördern würden. Dazu könnte man Spritschleudern wie den Q7 mit einer einmaligen Strafzahlung beim Kauf belegen und auf diese Weise die ökologische Kaufprämie für kleinere Modelle finanzieren, so wie es etwa Christian Hochfeld, Direktor der Denkfabrik Agora Verkehrswende empfiehlt.
Die Autokaufprämie würde den CO2-Ausstoß in Deutschland anheben, statt ihn zu senken
So aber bezahlen Friseure, Krankenschwestern und Handwerker mit ihren Steuern, dass sich Vermögende Protzautos zu einem günstigeren Preis anschaffen können. Sie können sich dann einen Schalthebel aus edlem Wurzelholz von der Prämie kaufen oder ein sattes Soundsystem, wobei dies bei BMW, Mercedes oder Audi für diese Summe nicht zu haben ist. Die Sozialdemokraten in der Regierung können es mit ihrem Gewissen eigentlich nicht vereinbaren, es sei denn, sie knicken ein vor den Betriebsräten der großen Autokonzerne.
Oder die Kanzlerin macht bei dem Plan nicht mit. Denn die hatte noch vor zwei Monaten auf einer Klimakonferenz hoch und heilig versprochen, die Klimaziele bis 2030 auf 50 bis 55 Prozent verschärfen zu wollen. Die Autokaufprämie, so wie sie geplant ist, würde den CO2-Ausstoß in Deutschland statt zu senken sogar um ein Prozent anheben. Zu dem Ergebnis kommt die Denkfabrik ICCT, die den Dieselskandal vor fast fünf Jahren aufgedeckt hat. Denn heutige Autos produzieren im realen Straßenbetrieb praktisch genauso viel Treibhausgas CO2 wie Fahrzeuge des Jahres 2005. Hinzu kommt, dass die Herstellung eines neuen Autos große Mengen Kohlendioxid verbraucht.
Noch ist es nicht zu spät, den sozialökologischen Irrsinn zu stoppen.
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