Auftaktsieg für Luke Humphries: Nervöser Darts-Weltmeister verteilt die Höchststrafe
Sport

Luke Humphries genießt den Weltmeister-Empfang der Fans im "Ally Pally".
Glanzlos und dennoch deutlich gewinnt Luke Humphries sein Auftaktspiel bei der Darts-WM 2025. Der nervöse Titelverteidiger verliert gegen seinen noch nervöseren Gegner kein einziges Leg. Der erste Schritt auf dem Weg ins Traum-Halbfinale ist gemacht.
Am Ort seines größten Sieges bekommt der amtierende Darts-Weltmeister sein Strahlen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Luke Humphries betritt am späten Sonntagabend erstmals seit seinem Triumph am 3. Januar die weltbekannte Darts-Bühne im Londoner Alexandra Palace und kann sein Glück kaum fassen. Elfeinhalb Monate nach seinem Finalsieg über den damals 16 und heute 17 Jahre jungen Luke Littler startet Humphries in die Mission Titelverteidigung. Unter dem tosenden Jubel der Fans.
Der Walk-on-Song "I Predict a Riot" von der Indie-Rockband Kaiser Chiefs wird extra lange ausgespielt. Die etwa 3.200 Zuschauer im legendären "Ally Pally" können gar nicht genug bekommen von der aktuellen Nummer eins der Darts-Welt. "Das war eine der besten Atmosphären, die ich je erlebt habe. Das Publikum hat mir ein unglaubliches Gefühl gegeben", frohlockt Humphries eine gute halbe Stunde später nach getaner Arbeit, nach seinem völlig ungefährdeten 3:0-Auftaktsieg.

Sport 10.12.24 Kult-Ort Ally Pally vor dem Aus? Darts-Boss droht mit WM-Umzug Richtung Saudi-Arabien
Ein derartiges Gefühl hatte der 29-Jährige in seinem Weltmeister-Jahr nicht immer. Zwar gewann Humphries am 3. Januar dieses Jahres in einem hochklassigen Endspiel gegen Littler die WM. Die Schlagzeilen schrieb während und nach dem Turnier aber überwiegend der unterlegene Finalist. Die Littler-Story – mit 16 bei seiner ersten WM direkt ins Finale eingezogen – war schlicht die bessere und spannendere. Vor allem, weil die Teenager-Sensation schnell unter Beweis stellte, dass auch über die WM hinaus mit ihr zu rechnen sein würde. Im Mai gewann Littler die Premier League, im November folgte der Sieg beim Grand Slam, dazwischen gab es etliche kleinere Turniersiege und große Finalteilnahmen. Humphries konnte noch so gut und erfolgreich spielen, er kam in der Wahrnehmung und Beliebtheit nicht an Littler vorbei.
Damit hat sich der 28-Jährige inzwischen längst abgefunden. Groll kennt Humphries nicht. Er lässt Taten folgen. Was nichts anderes heißt, als im richtigen Moment die acht Millimeter schmalen Triple- und Doppelfelder auf dem Dartboard zu treffen. Das ist Humphries in diesem Jahr besonders häufig gelungen. Bei fast jedem großen Turnier steht "Cool Hand Luke" im Finale, oft streckt er in den Pokal in die Höhe.
Zittersieg gegen nervösen Franzosen
Doch an diesem Abend ist das anders. Humphries spielt schwach, zu Beginn sogar grottenschlecht. Die Darts-Fans tun trotzdem das, was sie in der Regel am besten können: Lautstark feiern. Diesmal feiern sie aber nicht sich selbst, sondern erweisen Humphries die verdiente Weltmeister-Ehre. Der kann den hohen Erwartungen an diesem Abend am Ende punktuell doch noch gerecht werden, nachdem man "Cool Hand Luke" zu Spielbeginn besser in "Nervous Hand Luke" hätte umbenennen können.
Und weil sein Gegner Thibault Tricole in Sachen Nervosität noch einen drauf setzt, ist der Stotterstart ins Turnier am Ende völlig egal. "The French Touch", wie der Dauerkarten-Inhaber des FC Lorient bezeichnet wird, hat an diesem Abend so gar keinen "Touch". Tricole ist fast durchgängig hypernervös. Vor allem, wenn er auf Doppel werfen darf. Das ist gerade im ersten Satz häufig der Fall. Tricole bekommt so viele Chancen, dass er den Satz locker gewinnen kann. Vielleicht sogar muss.
*Datenschutz
Doch die Realität sieht anders aus: Dem Nervenbündel Tricole entgleitet immer dann völlig die Kontrolle, wenn er kurz davor ist, ein Leg zu gewinnen. Am Ende der kurzen Partie hat er das nicht ein einziges Mal geschafft. Der 35-Jährige kassiert einen sogenannten "Whitewash", eine 0:3-Niederlage in den Sätzen, 0:9 in den Legs. Ein entspannter Auftakt für den nervösen Darts-Weltmeister, gleichzeitig die Höchststrafe für Tricole.
Dabei hatte der Abend für den mit Abstand besten französischen Dartspieler bei seiner zweiten WM mit einem Sieg begonnen. Im Eröffnungsspiel des Turniers, etwa drei Stunden zuvor, gewann Tricole trotz zittriger Hand mit 3:1 gegen den Australier Joe Comito. Dadurch hatte sich Tricole erst in das Topspiel mit dem Titelverteidiger gespielt. Die Top 32 der Weltrangliste haben bei der WM ein Freilos in der ersten Runde, ihre Auftaktgegner werden zwischen den 64 ungesetzten Spielern ermittelt.
Luke gegen Luke im Halbfinale?
Auf Humphries, der erst nach Weihnachten zum nächsten Spiel antreten muss, könnte es nun zum Aufeinandertreffen mit dem Ex-Weltmeister und jetzigen Altmeister Raymond van Barneveld kommen. Sofern der frühere Postbote aus den Niederlanden am Samstagabend seine Auftakthürde meistert.
Insgesamt sind für Humphries drei weitere Siege nötig, damit es am 2. Januar zur Neuauflage des Finals der WM 2024 kommt. Vorausgesetzt Luke Littler spurtet ebenfalls schadlos durchs Turnier, würden Humphries und Littler bei dieser Weltmeisterschaft bereits im Halbfinale aufeinandertreffen. Das ist das Spiel, auf das die ganze Darts-Welt hinfiebert. Die beiden klar besten Spieler des Jahres gegeneinander. Die Revanche für das Vorjahres-Endspiel. Luke gegen Luke.

Sport 04.01.24 Humphries schlägt Darts-Wunderkind Littler kann nach Final-Niederlage "nicht sauer sein"
Schafft Humphries den Sprung ins Traum-Halbfinale und sollte der glühende Anhänger von Leeds United darüber hinaus auch noch das Finale (vielleicht gegen Gary Anderson, vielleicht gegen Michael van Gerwen, vielleicht gegen einen Außenseiter) gewinnen, wären ihm die Schlagzeilen diesmal gewiss sicher.
Wer einmal den WM-Titel gewinnt, hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern garantiert. Wer den Titel verteidigt, macht sich zur unsterblichen Größe des Dartsports. Den WM-Titel hat nicht mal der niederländische Superstar Michael van Gerwen zweimal hintereinander gewonnen. Das Kunststück ist bis dato nur dem 16-fachen Champion Phil Taylor, seinem sportlichen Ziehsohn Adrian Lewis und zuletzt Gary Anderson (2015 und 2016) vergönnt gewesen. "Wenn ich zum zweiten Mal Weltmeister werde, würde das wahrscheinlich das letzte Jahr sogar noch übertreffen, von dem ich nicht dachte, dass ich es auch nur annähernd so weit bringen würde", so Humphries nach seinem ersten Sieg als Titelverteidiger.
Heute erster Deutscher im Einsatz
Aus deutscher Sicht steht am heutigen zweiten WM-Tag unterdessen das Debüt von Kai Gotthardt im Fokus. Der 29-Jährige aus Esslingen (Baden-Württemberg) hat im November die Super League gewonnen. In dieser Liga spielen jedes Jahr die besten Spieler aus Deutschland, die nicht auf der Profi-Tour unterwegs sind, einen WM-Starter aus. Gotthardt hat sich das WM-Ticket in besonders spektakulärer Manier gesichert. Vom Super-League-Achtelfinale gegen den achtfachen WM-Starter Max Hopp bis zum Endspiel gegen Paul Krohne, Gotthardt gewann alle K.O.-Spiele jeweils im nervenaufreibenden Entscheidungsleg.

Sport 09.11.24 Deutscher Rekord im "Ally Pally" Dramatisches Darts-Finale endet mit Blut und WM-Quali
Gegen den schottischen Feuerwehrmann und Blindenhund-Ausbilder Alan Soutar ist Gotthardt heute Nachmittag (ca. 15:45 Uhr, Sport1/Dazn) nominell Außenseiter, Chancen rechnet sich der deutsche WM-Debütant aber dennoch aus. "Ich bin mental gefestigt und kann mit Drucksituationen gut umgehen. Alan Soutar hat nicht das beste Jahr gespielt. Ich weiß, was ich kann, darauf muss ich aufbauen", sagte Gotthardt im Interview mit dem Darts-Podcast "Checkout".
Ex-Weltmeister Price am Scheideweg
Am heutigen Abend (ca. 20:15 Uhr) wird im Spiel zwischen Niels Zonneveld (Niederlande) und Robert Owen (Wales) zudem der erste Gegner von Gabriel Clemens ermittelt. Der Saarländer spielte sich vor zwei Jahren sensationell bis ins Halbfinale vor – bis heute ein unerreichtes Ergebnis aus deutscher Sicht. Besonders in Erinnerung ist der 5:1-Triumph im Viertelfinale gegen Gerwyn Price, der damals völlig frei drehte und zeitweise mit Ohrenschützern spielte.
Jener Price ist heute Abend (ca. 23 Uhr) auch im Einsatz. Zum Abschluss des zweiten Turniertages trifft der Weltmeister von 2021 auf den jungen Iren Keane Barry, der sich am Auftaktabend in beeindruckender Manier gegen den Belgier Kim Huybrechts durchgesetzt hat.
Gerwyn Price, der "Iceman", immer bekannt für emotionale Ausbrüche vor Freude und Wut, steht indes am Scheideweg seiner Karriere. Nach einem ganz schwachen Jahr ist die WM die letzte Chance, einen weiteren Absturz in der Weltrangliste zu vermeiden und nicht aus dem Kreis der Weltspitze herauszufallen.
Der Sprung zurück auf Platz eins ist für den Waliser auf absehbare Zeit ohnehin unerreichbar. Luke Humphries ist das Maß der Dinge und kann unter keinen Umständen bei dieser WM vom ersten Platz verdrängt werden. Auch nicht von Luke Littler.
Quelle: ntv.de