Aquadom Berlin: »Es hörte sich an, als fuhr eine U-Bahn direkt unter unserem Stockwerk«
Eine Million Liter Wasser, 1500 Fische – die allermeisten davon tot. Das Aquariumsunglück in Berlin erschien unvorstellbar. Bürgermeisterin Giffey fühlt sich an eine Amokfahrt und Großbrände erinnert.
Nur noch kleine Pfützen, bei Minusgraden schnell zugefroren, zeugen von den Wassermassen, die sich am Freitagmorgen auf die Karl-Liebknecht-Straße ergossen. Ein orangefarbenes Räumfahrzeug schiebt am Mittag zerstörte Sitzmöbel, Buchsbäumchen und Blumenkübel zusammen – Dinge, die wenige Stunden zuvor noch die Lobby im Radisson Blu Hotel schmückten. Die ist zu diesem Zeitpunkt, das zeigen Fotos und Videos aus dem Innern des Gebäudes, nur noch ein Trümmerfeld.
Früh am Morgen war der Aquadom geplatzt, ein riesiger Glaszylinder mit Fahrstuhl in der Mitte. Eine Million Liter Wasser strömte ins Erdgeschoss und bis auf die Straße. Zwei Menschen wurden leicht verletzt, vermutlich getroffen von Trümmerteilen. Fast alle der 1500 Fische aus dem Aquarium sind tot, erst am Nachmittag findet die Feuerwehr noch einige lebende Tiere und bringt sie in Sicherheit.
Der Aquadom soll das »größte frei stehende zylindrische Aquarium der Welt« gewesen sein. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit, weit über Berlin und Deutschland hinaus. Die »New York Times« und die BBC berichten, »Le Parisien« und Al Jazeera. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) fährt gegen elf Uhr am Unglücksort vor und geht mit Einsatzkräften ins Gebäude. »Das ist eine unfassbare Zerstörung. Es sieht aus wie nach einem Tsunami. Wenn da Menschen gewesen wären, hätten wir heute zig Tote zu beklagen«, sagt sie hinterher dem SPIEGEL. »Die Menschen hätten keine Chance gehabt.«
Als das gigantische Aquarium platzte, waren rund 400 Personen im Hotel, darunter Gäste und Mitarbeiter. »Es hörte sich an, als führe eine U-Bahn direkt unter unserem Stockwerk«, sagt Chris Woolley. Ein Blick aus seinem Fenster im dritten Stock habe das komplett zerstörte Aquarium gezeigt. »In der Hotellobby lagen riesige Glasscherben, aus Rohren strömte Wasser.« Er habe auch ein paar umherschlagende Fische gesehen, »aber nicht allzu viele und keine großen«. Ähnlich schildert es Paul Maletzke. »Das war ein explosionsartiger Knall, das sah echt heftig aus«, erzählt der Rostocker. »Ich dachte erst, da ist irgendwas im Gebäude, ein Auto oder ein Flugzeug oder so.«
Auch Giffey fühlte sich an andere Katastrophenmeldungen erinnert, etwa die Amokfahrt im Sommer oder den Großbrand im Grunewald. »Das sind absolut außergewöhnliche Ereignisse, die eigentlich nie passieren.«
Wie ein Sprecher mitteilte, stellte die Feuerwehr den Strom im Gebäude ab, um Stromschläge in überfluteten Kellerbereichen zu verhindern. Auch die Wasserversorgung wurde zugedreht, sodass durch zerstörte Rohre kein zusätzliches Wasser austreten konnte. Mit einer Hundestaffel durchsuchten Ersthelfer das Erdgeschoss im Hotel nach verschütteten Menschen. Vermisst wurde am späten Nachmittag offenbar niemand mehr. Die 300 Gäste, die am Morgen noch im Hotel waren, wurden in andere Unterkünfte gebracht.
Fachleute des Technischen Hilfswerks prüfen, ob das Gebäude stabil ist. Möglicherweise hat das plötzlich austretende Wasser das Haus so stark beschädigt, dass es abgestützt werden muss. Möglicherweise könnten auch Ausstellungsstücke des DDR-Museums beschädigt worden sein. Das Museum ist im gleichen Gebäude wie das Hotel untergebracht. Eine Anfrage des SPIEGEL ließ das Museum bislang unbeantwortet.
Die Untersuchungen zur Unglücksursache stehen noch am Anfang. Berlins Innensenatorin sprach schon am Vormittag davon, dass Materialermüdung Ursache für das Platzen des Aquariums gewesen sein könnte. Erste Anzeichen deuteten darauf hin.
Wer ist für das Aquarium verantwortlich, das erst im Sommer nach mehr als zwei Jahren Renovierung wieder öffnete? Sea Life betreibt in dem betroffenen Hotelgebäude eine große Themenwelt. Der Besuch des Aquadoms konnte über die Internetseite des Unternehmens gebucht werden. Doch in einem Statement distanziert sich die GmbH: Man sei nicht der Eigentümer, auch »die Wartung und Pflege« liege nicht in der Hand von Sea Life Berlin. Derzeit versuche das Unternehmen, mehr Informationen von den Eigentümern des Aquadoms zu erhalten.
Dabei handelt es sich um die Firma Union Investment, die das »DomAquarée«, welches neben dem Hotel und den verschiedenen Aquarien auch das DDR-Museum, Büros und Wohnungen beherbergt, in Form eines Immobilienfonds hält. »Wir sind vor Ort und prüfen das weitere Vorgehen«, erklärte ein Sprecher. »Wir bedauern den Tod der Fische im Aquarium. In den kleineren Aquarien finden derzeit Rettungsmaßnahmen statt.«
Etwa 400 bis 500 kleinere Fische sollen aus den Aquarien unter der Lobby in Sicherheit gebracht werden, etwa in die Unterwasserwelt »Sea Life«. Auch diese Tiere schwebten in Gefahr, da die Aquarien nicht mit Strom versorgt waren – was für die Sauerstoffzufuhr nötig ist, wie Umweltstadträtin Almut Neumann erklärte.
Die Tierrechtsorganisation Peta kritisierte die Haltung von Fischen anlässlich des Vorfalls im Allgemeinen: »Diese menschengemachte Tragödie zeigt, dass Aquarien kein sicherer Ort für Fische und andere Meerestiere sind.« Sie fordert, den Aquadom nicht wieder aufzubauen. Und sie fordert ein Mahnmal für die Fische, die aus dem riesigen Aquarium in den Tod gespült wurden.