Agit Kabayel hat großen Traum: Deutsche Box-Welt verwundert Fury-Manager Brown
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Seit fast 100 Jahren gibt es keinen deutschen Boxweltmeister im Schwergewicht. Agit Kabayel könnte das bald ändern. Für seinen Angriff auf den Titel tut er sich mit dem Manager von Superstar Tyson Fury zusammen. Der schwärmt in den höchsten Tönen – und will das Boxen in Deutschland wieder groß machen.
"Es sind aufregende Zeiten", sagt Agit Kabayel am Auto-Telefon, als sport.de durchklingelt: "Zeit, deutsche Boxgeschichte zu schreiben." Der 31-Jährige hat gerade eine kräftezehrende Trainingseinheit hinter sich und ist auf dem Weg zu seinem Physiotherapeuten. Kabayel malocht, wie könnte es auch anders sein für einen Preiskämpfer aus dem Revier? Er ist ein Mann auf einer Mission.
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"Ich will, dass Max Schmeling endlich seine Ruhe hat, dass ihm endlich mal einer folgt", sagt Kabayel mit einem Schmunzeln. Die Faustkampf-Ikone aus Vorpommern ist bis heute der einzige deutsche Schwergewichts-Weltmeister der Geschichte. Eine andere Zeit, ein anderes Jahrhundert. Schmeling gewann den Titel im Jahr 1930 in den USA (und hielt ihn bis 1932). Amerika war damals auch im Preisboxen das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Fast 100 Jahre später ist es das Königreich Saudi-Arabien.
Die absolutistische Monarchie am Persischen Golf hat sich in den vergangenen zwei Jahren zum Mekka des Boxsports entwickelt. Dank eines schier unaufhörlich sprudelnden Staatsfonds für "Entertainment"-Angelegenheiten stellt "Seine Exzellenz" Turki Al-Sheikh ein Spektakel nach dem anderen auf die Beine. Prestigeträchtige Hochglanz-Events vor den Augen aller Welt. "Sportswashing" im Auftrag von Mohammed bin Salman, daraus macht der herrschende Kronprinz auch gar keinen Hehl.
"Noch nicht die richtige Weltmeisterschaft"
Kämpfe, die früher unvorstellbar schienen, kommen dank der (Petro-)Dollar-Macht der Saudis in Serie. Oleksandr Usyk gegen Tyson Fury? Done, inklusive Revanche Ende des Jahres. Das lang erwartete Duell der Halbschwergewichts-Könige Artur Beterbiev und Dmitry Bivol? Done, inklusive Revanche Anfang kommenden Jahres – am 22. Februar, um genau zu sein.
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An diesem Tag wird auch Agit Kabayel in der Kingdom Arena von Riad wieder in den Ring steigen. Im Rahmenprogramm der Stars trifft der Mann aus Wattenscheid auf Zhang Zhilei, einen 1,98 Meter großen und 130 Kilogramm schweren Koloss aus China. Der Rechtsausleger mit der gewaltigen Linken ist einer der gefürchtetsten Knockouter der Szene. Der Deutsche (1,91 Meter und rund 108 Kilogramm) gilt vielen als Underdog. Aber das war bei seinen ersten Auftritten im Reich der Al-Sauds auch nicht anders gewesen.
Ende 2023 walzte Kabayel den riesigen Russen Arslanbek Makhmudov in vier Runden platt, im Mai klopfte er im Vorprogramm von Fury und Usyk den hochgehandelten Kubaner Frank Sanchez weich – K.o. in der Siebten. Die Siegesserie soll weitergehen, gegen Zhang steht sogar der "Interims"-WM-Gürtel des Verbandes WBC auf dem Spiel. Ein Titel, den die Funktionäre aus Mexiko zurechtgezimmert haben, um bei der Sause in Saudi-Arabien eine Titelgebühr zu kassieren. "Ich bin ehrlich: Interims-WM ist für mich noch nicht die richtige Weltmeisterschaft", räumt Kabayel ein, geerdet wie er ist. "Und das ist mein großes Ziel: Weltmeister im Schwergewicht zu werden."
"Eine goldene Ära"
Schlägt der "Junge aus dem Pott" auch Zhang, ist er dem Gipfel ganz nah. "Das bedeutet, dass Agit nächstes Jahr um den Titel kämpft", unterstreicht Spencer Brown im Gespräch mit sport.de die Bedeutung des Duells. Während Kabayel bei sechs Grad Celsius tief im Westen unterwegs ist, sitzt der Brite bei angenehmen 20 Grad auf Malta, wo sich sein Top-Mann Tyson Fury zurzeit auf Teil II gegen Oleksandr Usyk am 21. Dezember vorbereitet. Brown ist schon seit einigen Jahren Furys Manager – und seit Kurzem auch Kabayels Mann fürs Geschäft.
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Der Deutsche hat bei Browns Agentur "Goldstar" einen Vertrag unterschrieben, das Ganze wird in Kürze verkündet. "Ich bin froh, dass ich jetzt jemanden habe, der sich um das Business kümmert, sodass ich mich voll aufs Sportliche konzentrieren kann", sagt Kabayel. Für ihn ist die Zusammenarbeit ein wichtiger Schritt, bisher reiste er stets auf eigene Faust und ohne einflussreiche Macher an seiner Seite nach Saudi-Arabien.
Brown ist nicht irgendjemand im Geschäft und weit mehr als bloß der Manager des schillernden Ex-Champions Fury. Der Engländer gilt als wichtiger Vertrauter von Box-Mogul Al-Sheikh, als dessen Schnittstelle zum europäischen Boxmarkt, vor allem in Großbritannien. "Das Boxen ist so aufregend zurzeit, es ist wieder in Mode. Es scheint, als haben wir jetzt so etwas wie eine goldene Ära, was fantastisch für uns alle im Boxgeschäft ist", sagt Brown. Für Kabayel verhandelte er schon mit "mehreren Promotern". Solange die Saudis um Al-Sheikh involviert seien, "hat das Boxen eine Chance, eine große sogar".
Fury-Manager Brown schwärmt von Kabayel
Kabayel jedenfalls ist, auch dank Brown, dick im Geschäft – und der Manager hat große Pläne mit seinem Protegé. "Er ist zurzeit einer der größten Schwergewichtler, ein außergewöhnlicher Boxer. Er ist zäh, hat Durchhaltevermögen, er ist für jeden ein Albtraum. Und er kommt aus einer Gegend à la Rocky, wo sie sich aus dem Nichts nach oben arbeiten", verweist Brown auf Kabayels Heimat im Ruhrgebiet, dessen Grubengold die Bundesrepublik einst mit Energie versorgte.
Dass sich in Deutschland trotz Kabayels Erfolge bisher niemand so recht um den Schwergewichtler reißt, versteht Brown nicht. "Liebe Deutsche, ihr habt hier einen Champion, den ihr ganz groß unterstützen solltet", appelliert er regelrecht an die Sportfans hierzulande. "Wenn die Deutschen Agit Kabayel annehmen, könnte er sogar das deutsche Boxen dahin zurückholen, wo es hingehört. Es war einst eine Riesen-Nummer", erinnert Brown an längst vergangene Zeiten.
Henry Maske, Graciano Rocchigiani, Axel Schulz, die Klitschko-Brüder, auf etwas kleinerer Flamme auch Arthur Abraham und Felix Sturm – sie alle lockten Millionen vor die Fernseher, machten Hallen und Stadien voll. Das Geld floss in Strömen, hinter Fußball und der Formel Schumacher war Boxen in Deutschland Sportart Nummer drei, was die Zuschauerzahlen anging.
"Agit hackt seine Gegner klein"
Geht es nach Brown, wird Kabayel zur Speerspitze einer deutschen Faustkampf-Renaissance. "Er hat etwas Besonderes. Er ist kein riesiger Schwergewichtler. Aber Agit hackt seine Gegner klein, bricht ihre Herzen, er ist ein unerbittlicher Puncher und hat ein Kinn aus Eisen", schwärmt der Strippenzieher. Abseits des Rings sei Kabayel dagegen "einer der nettesten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Er ist so ein netter Kerl – man würde nicht glauben, dass er ein Boxer ist."
Das soll auch Deutschland endlich erfahren. "Natürlich, wir müssen Agit hierherbringen", sagt Brown über mögliche Kämpfe des Schwergewichtlers vor heimischer Kulisse. "Wir wollen, dass die Deutschen ihn unterstützen, und wir wollen in Deutschland etwas aufbauen. Wir müssen das deutsche Boxen wieder dorthin bringen, wo es war. Ich glaube, dass Agit hier Stadien füllen kann. Wäre es nicht toll, wenn der WM-Titel wieder in Deutschland wäre?"
Agit Kabayel hätte große Lust auf ein "Home Coming", wenngleich er sich fürs Erste "damit abgefunden" hat, trotz seines internationalen Aufstiegs zu Hause medial unter dem Radar zu fliegen. Make German Boxing Great Again? Kabayel denkt nicht drüber nach. Er malocht erst einmal weiter.
Quelle: ntv.de