USA – internationalen Studenten droht Ausweisung: Donald Trump, der Studienabbrecher

Eliteuniversität Harvard: Ausländischen Studierenden droht bei einem Onlinesemester an US-Unis die Ausweisung
Foto: Charles Krupa/ AP
Der Leiter des Gies College of Business ist ein Paranoiker. Oder einfach nur vorausschauend. 2017 schloss Jeffrey Brown, Dekan der Wirtschaftshochschule an der Universität von Illinois, eine Versicherung ab, wie es sie noch nie vorher gegeben hatte: Der Finanzprofessor vereinbarte mit der Gesellschaft Lloyd's of London einen Vertrag, der seine Institution vor einem plötzlichen Ausbleiben chinesischer Studenten schützen sollte.
Wie viele andere amerikanische Hochschulen hängt das Gies College zunehmend von den Studiengebühren ausländischer Studenten ab. Brown, ein Experte für Risikomanagement, hatte Sorge, dass Peking der Abwanderung seines akademischen Nachwuchses irgendwann einen Riegel vorschieben könnte. Und er befürchtete – zu Recht -, dass die USA nach dem Wahlsieg von Donald Trump ihre Einreisebestimmungen verschärfen könnten. Der Schutz vor dessen Abschottungsbestrebungen kam die Uni nicht billig: 424.000 Dollar Versicherungsprämie im Jahr zahlt die Gies-Hochschule gemeinsam mit einem anderen College, das sich anschloss.
Mehr als eine Million internationale Studenten
Das Geld erweist sich als gut investiert: Diese Woche hat die amerikanische Einwanderungspolizei ICE erklärt, dass ausländische Studenten, die wegen der Corona-Pandemie im nächsten Semester auf ein reines Onlinestudium umstellen, die USA verlassen müssten. Seitdem herrscht Panik in vielen Studentenbuden. Mehr als eine Million Ausländer sind an Amerikas Universitäten eingeschrieben. Sie kommen aus China, aus Indien, Südkorea, Saudi-Arabien, aus afrikanischen Ländern – und aus Deutschland.
So wie Hans Pech. Seit vier Jahren arbeitet der Germanist an der Eliteuniversität Harvard an seiner Dissertation. Spätestens in zwei Jahren wollte er fertig sein. Doch Harvard hat erklärt, dass ein Teil der Studierenden zwar im Herbst auf den Campus zurückkehren darf, die Lehre aber weiterhin ausschließlich virtuell stattfinden wird (bei unveränderten Studiengebühren von 49,653 Dollar pro Semester!).
Auch Pech, der ein Harvard-Stipendium hat, droht deshalb der Entzug seines Visums. Die Ankündigung habe bei den ausländischen Kommilitonen Fassungslosigkeit ausgelöst, erzählt er. Er hat selbst noch gar nicht richtig erfasst, was die Bestimmung für sein akademisches Vorhaben bedeuten könnte. Eines ist ihm aber bedrohlich klar: "Ich lebe mit meiner Partnerin, einer Amerikanerin, in Cambridge. Das würde bedeuten, dass wir für eine unbefristete Dauer getrennt wären."
Manche Beobachter bezweifeln, dass das handstreichartige Vorgehen der Immigrationsbehörde rechtens ist. Harvard und das Massachusetts Institute of Technology (MIT) reichten am Mittwoch Klage gegen die Regierung ein. Die Anordnung sei ohne Vorwarnung gekommen, kritisierte Harvard-Präsident Lawrence Bacow: "Ihre Grausamkeit wird nur von ihrer Rücksichtslosigkeit übertroffen." Bacow vermutet, dass die Trump-Regierung die Uni auf diese Weise zwingen will, trotz der Corona-Risiken in den Normalbetrieb zurückzukehren.
Die faktische Verschärfung der Visaregeln für Studenten fügt sich ein in eine Politik der Trump-Regierung, die Amerika Zug um Zug von der Außenwelt abschottet: Studenten, Schüler, hoch qualifizierte Techies und selbst Manager internationaler Konzerne – die Hardliner-Administration scheint entschlossen, allen Ausländern die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
Bildung, ein amerikanischer Exportschlager
Dabei geht es beim Studentenaustausch längst nicht nur um Völkerverständigung. Der akademische Zustrom ist für Universitäten wie die in Illinois überlebenswichtig – und für die Volkswirtschaft ein Geschäft. Ausländische Studenten bringen den USA jährlich nach Schätzungen mehr als 40 Milliarden Dollar ein. Weil es sich um Geldströme aus dem Ausland handelt, schlägt sich das in der volkswirtschaftlichen Aufuhrstatistik nieder. Bildung ist ein amerikanischer Exportschlager. Einer, den Trump nun mutwillig beschädigt.
"Ich würde gern verstehen, warum die Regierung glaubt, dass die Visaverschärfung eine gute Idee ist", sagt Fiona McEntee sarkastisch. Die gebürtige Irin ist 2002 selbst als Studentin in die USA gekommen, heute beschäftigt die mittlerweile eingebürgerte Amerikanerin in ihrer Anwaltskanzlei in Chicago zehn Mitarbeiter. "Internationale Studenten zahlen Top-Dollar für ihre Ausbildung in den USA und subventionieren damit die amerikanischen Universitäten und einheimische Studenten", argumentiert McEntee. Sie fürchtet, dass sich die Trump-Administration als Nächstes ein Feld vornimmt, das zur Startrampe vieler erfolgreicher Karrieren geworden ist: die Möglichkeit für Studenten und Doktoranden, auch nach dem Studium noch ein Jahr lang bei einem US-Unternehmen zu arbeiten. Eine Gruppe republikanischer Senatoren, darunter der Texaner Ted Cruz, hat den Präsidenten jüngst aufgefordert, auch diese sogenannten OPT-Visa zu suspendieren.
Maximilian Klein wäre schon froh, wenn er sein Studium an der Harvard Kennedy School beenden könnte. Den 27-Jährigen, der seit vergangenem Jahr den Master in Public Policy studiert, hat die Ankündigung der neuen Visa-Regeln wie ein Schlag getroffen. "Meine aktuelle Lebensplanung ist infrage gestellt", sagt er. Ein Studium an einer amerikanischen Spitzenuniversität habe er sich lange nicht zugetraut. Schließlich bewarb er sich dann doch – mit Erfolg. Nun hat er Angst, dass "die ganze finanzielle und psychische Kraftanstrengung" umsonst war. Klein hat ein Begabtenstipendium, aber das Abenteuer Amerika kostet ihn auch seine Ersparnisse aus der früheren Berufstätigkeit als Politikberater.
Studium schlagartig vorbei
Jetzt muss er sein Leben in Amerika kurzfristig abwickeln, während er sich seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland wieder neu aufbauen muss. Vor ein paar Wochen ist Klein ausgereist, um die Semesterferien in Berlin zu verbringen. Er wusste, dass er eine Weile nicht mehr zurück an die Ostküste kommen würde, weil die USA die Grenzen wegen der Pandemie geschlossen haben. Dass es aber mit dem Harvard-Studium schlagartig ganz vorbei sein könnte, hat er sich nicht träumen lassen. Er hat entschieden, für ein halbes Jahr auszusetzen, statt von Hiobsbotschaft zu Hiobsbotschaft getrieben zu werden.
Für diese Übergangszeit könne er sein Engagement für die internationale Arbeit bei dem Verein Athleten Deutschland fortführen, sagt Klein. Er glaubt, dass er die Kenntnisse und Erfahrungen aus seinem US-Studienaufenthalt, wo Austausch mit anderen eine große Rolle spielt, in dem Job gut gebrauchen kann. Auch etwas anderes hat er in Amerika gelernt: für seine Ziele entschlossen zu kämpfen. Gemeinsam mit anderen Studierenden hat er begonnen, für politische Unterstützung zu werben.
Aber was, wenn die US-Regierung hart bleibt? "Ich denke nicht mehr weiter als ein halbes Jahr", sagt Klein: "Es passieren Dinge, die man vor einer Woche nicht für möglich gehalten hätte."
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