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SPD-Pläne für 2021: Genossen basteln schon am Wahlprogramm

July 04
12:13 2020
SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, Generalsekretär Lars Klingbeil Icon: vergrößern

SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, Generalsekretär Lars Klingbeil

Odd Andersen/ AFP

Wenn führende Sozialdemokraten derzeit ein wenig Optimismus verbreiten wollen, zeigen sie auf die anderen Parteien.

CDU und CSU? Treten bei der nächsten Bundestagswahl aller Voraussicht nach erstmals seit 2005 ohne ihre Dauerkanzlerin Angela Merkel an. Möglicherweise zu ihrem Schaden.

Die Grünen? Deren Topthema Klimapolitik ist durch die Coronakrise in den Hintergrund gerückt.

Und die FDP? Ach, die kämpft in Umfragen mit der Fünfprozenthürde.

So viel zu den Mutmachern.

Doch schauen die Genossen auf sich selbst, fällt die Lagebetrachtung ziemlich düster aus. Denn die SPD kommt trotz vielfach gelobten Krisenmanagements ihrer Minister und Ministerpräsidenten nicht aus dem 15-Prozent-Tief bei den Demoskopen. Die Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans finden ihre Rolle nicht, der Unmut über sie wächst.

Und dann kam Ende der Woche auch noch die Nachricht, dass Ex-Parteichef Sigmar Gabriel beim umstrittenen Fleischkonzern Tönnies als Berater tätig war.

Dennoch: Die Ausgangslage vor der nächsten Bundestagswahl ist für die SPD nicht zwangsläufig aussichtslos. Für einen erfolgreichen Wahlkampf müssen jedoch zwei Faktoren besser zusammenpassen als bei den Wahlen 2013 und 2017: der Kandidat und das Programm.

Partei sucht eine neue Agentur

Der Parteirechte Peer Steinbrück passte vor sieben Jahren nicht zum linken Kurs der Partei. Und Martin Schulz wurde 2017 zu spät und mit einem schwammigen Programm ins Rennen geschickt. Diese Fehler, 2018 in einer 108-seitigen Analyse aufgearbeitet, will die SPD dieses Mal unbedingt vermeiden.

Doch noch steht nicht fest, wer der nächste Kanzlerkandidat wird. Die Parteivorsitzenden wollen im Spätsommer einen Vorschlag machen. Alles läuft derzeit auf Vizekanzler Olaf Scholz heraus, auch wenn es für Esken und Walter-Borjans nicht ganz leicht sein dürfte, ihn vorzuschlagen. Immerhin haben sie Scholz Ende 2019 beim Rennen um den Parteivorsitz besiegt.

Konfliktpotenzial birgt auch, dass die Parteispitze derzeit bereits eine neue Agentur für den Wahlkampf sucht – also noch bevor der Kandidat nominiert ist.

Nach SPIEGEL-Informationen hat die SPD einen Pitch gestartet, die Agenturen sollen sich zum Spätsommer bewerben. Auf Anfrage bestätigte eine Parteisprecherin, dass die SPD derzeit in der Auswahl für eine neue Agentur ist. "Für die Parteispitze ist wichtig, dass die SPD gut vorbereitet in den Wahlkampf geht und dass Programm und Personal zusammenpassen."

Auf die Frage, ob der Kanzlerkandidat bei der Entscheidung über die Agentur mitreden dürfe, antwortet die Sprecherin, "selbstverständlich" würden "alle relevanten Personen einbezogen".

Das Fachmagazin "Werben und Verkaufen" berichtet allerdings bereits über Gerüchte, die Agentur Richel, Stauss könne brüskiert sein. Verzichtet der langjährige Partner der SPD am Ende auf den Pitch? Frank Stauss hat Dutzende Wahlkämpfe für die SPD begleitet – unter anderem auch für Scholz in Hamburg. Zuletzt setzte die SPD auf seine Agentur mit Mathias Richel im Europawahlkampf 2019 und Anfang 2020 bei der Kampagne von Scholz' Nachfolger Peter Tschentscher in Hamburg.

Auch inhaltlich legt die SPD bereits los. Ein bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffenes Wahlprogramm wie 2017 wollen die Genossen dieses Mal unbedingt vermeiden. Die Wahlkämpfer an den Infoständen wussten laut Ex-Parteichefin Andrea Nahles damals nicht: "Was sind die fünf Ziele, für die wir kämpfen."

2019 hat die SPD mit ihrem Sozialstaatskonzept die Abkehr von Hartz IV beschlossen, auch in anderen Themenbereichen wie Umwelt- oder Finanzpolitik gibt es mittlerweile mehr Klarheit.

Ende Juni setzte der Parteivorstand nun sieben Arbeitsgruppen ein, die das Regierungsprogramm entwickeln sollen. Die Beschlüsse liegen dem SPIEGEL vor.

  • Das Dachthema für das Programm lautet Gesellschaftliche Trends. Hier wollen die Genossen erklären, wie sie auf Veränderungen der Gesellschaft durch die Coronakrise reagieren. Dabei soll es um die Rolle des Staates gehen, Solidarität und Zusammenhalt. Geleitet wird die Arbeitsgruppe von den Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, weitere Mitglieder sind unter anderen Gesine Schwan, DGB-Chef Rainer Hoffmann und der Ökonom Henrik Enderlein.

  • Esken leitet auch eine Arbeitsgruppe zu digitalem und gesellschaftlichem Fortschritt. Neben IT-Themen, Wissenschaft und Forschung stehen hier auch die Gleichstellung von Männern und Frauen im Fokus.

  • Arbeitsgruppen zur Sozial-, Wirtschafts- und Familienpolitik leiten die Parteivizes Kevin Kühnert, Hubertus Heil und Serpil Midyatli. In Kühnerts Bereich soll es etwa um die Reform des Sozialstaats gehen, sprich die Abkehr von Hartz IV. Der Gruppe von Arbeitsminister Heil gehören drei Gewerkschafter an, Themen sind unter anderem strategische Industriepolitik und Arbeitsplätze der Zukunft. In Midyatlis AG sitzt Familienministerin Franziska Giffey, es soll auch um Bildungsthemen gehen.

  • Die Europaabgeordneten Katarina Barley und Udo Bullmann stehen an der Spitze weiterer AGs: Barley zu Freiheit und Sicherheit, Bullmann zur Europapolitik.

Konkrete Pläne, etwa zur Frage, wer die Kosten für die milliardenschweren Rettungsprogramme übernehmen soll, tauchen in den Beschlüssen bislang nicht auf. Daran sollen die Arbeitsgruppen im Sommer arbeiten. Im August und September gibt es laut internem Zeitplan weitere Treffen der Programmkommission, für Dezember plant die SPD ein Debattencamp. Beschlossen werden soll das Regierungsprogramm dann bei einem Parteitag im Frühjahr 2021.

Dort soll dann auch der Kanzlerkandidat gekrönt werden.

Icon: Der Spiegel

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