Warum der Ölpreis-Crash die Potenz der USA infrage stellt
Zwischenzeitlich rutschten die Preise ins Negative: Wer einen Barrel Öl in den USA ausliefern wollte, musste dem Käufer sogar noch 40 Dollar dazugeben. Die Gründe, die Folgen, die Profiteure.
Von Tim Bartz, Claus Hecking, Alexander Jung, Guido Mingels, Stefan Schultz, Thomas Schulz und Ines Zöttl
Midland, Texas, ist keine schöne Stadt, aber eine reiche. Nirgends in den USA verdienen die Menschen im Durchschnitt mehr, die Häuserpreise stiegen rasanter als in New York, nirgends sonst im Land wuchs die Zahl der Jobs in den vergangenen Jahren so rasant. Und nirgends wird der wirtschaftliche Absturz durch die Corona-Pandemie wohl so heftig ausfallen wie hier, fürchten Ökonomen. Midland, 140.000 Einwohner, ist das Zentrum des seit fast einer Dekade laufenden amerikanischen Öl-Booms. Innerhalb einer Woche war er vorbei.
Dass Öl die Welt am Laufen hält, ist eine über hundert Jahre alte Binse. Darin begründet sich die Macht der Energiekonzerne, der Einfluss der Förderstaaten, die Abhängigkeit ganzer Wirtschaftssektoren. Aber was, wenn die globale Maschinerie nicht mehr läuft, oder höchstens auf Sparflamme?
Seit Beginn der Pandemie brauchen alle viel weniger Öl: Fabriken stehen still, Flugzeuge fliegen nicht. Es wird weit, weit mehr produziert als abgenommen. Die Lager sind zum Bersten voll. Ölbesitzer haben Supertanker gechartert, um sie als schwimmende Speicher für bereits mehr als 160 Millionen Barrel (25 Milliarden Liter) zu nutzen. Das entspricht dem, was Deutschland sonst in knapp zehn Wochen verfeuert. Die Preise rasen in den Keller, sie stürzten zwischen Januar bis Ostern um 60 Prozent ab. Die Welt ertrinkt im Öl. Das schwarze Gold wird zur Ramschware, wertlos wie Blech.