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USA: Wie Konzerne wie Walmart und T-Mobile auf “Black Lives Matter” reagieren

June 19
16:07 2020
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JUSTIN LANE/EPA-EFE/Shutterstock

Es ist eine kleine Geste, um Verletzungen zu heilen: Band-Aid, ein amerikanischer Hersteller von Verbandsmaterial, hat angekündigt, seine Pflaster künftig auch in den Schattierungen brauner und schwarzer Hauttöne anzubieten. Die neuen Farben jenseits von Fleischrosa sollten "die Schönheit diverser Haut erfassen", erklärte die Tochter des Kosmetikriesen Johnson & Johnson auf Instagram. Dazu versprach Band-Aid gleich noch eine Spende für die Bewegung "Black Lives Matter": "Wir versprechen, dass das nur der erste von vielen gemeinsamen Schritten im Kampf gegen strukturellen Rassismus ist."

So wie Band-Aid versuchen derzeit unzählige US-Unternehmen, in die Rassismusdebatte einzufädeln. Nicht allen gelingt das bruchlos: Ausgerechnet Starbucks, das sich als besonders soziales Unternehmen versteht und nach einem Rauswurf zweier Schwarzer aus einer Filiale im Jahr 2008 knapp 200.000 Beschäftigte zu einem eintägigen "Sensibilisierungstraining" gegen Diskriminierung verdonnerte, hat es nun verstolpert. Weil der Konzern seinem Personal Sympathiebekundungen mit der Bewegung "Black Lives Matter" untersagt hatte, brach auf Twitter ein Sturm der Entrüstung los. Es dauerte nur ein paar Stunden, bis der Konzern nachgab. Nun verteilt er landesweit 250.000 eigens designte T-Shirts an seine Barista, auf denen eine geballte Faust prangt.

Das Einlenken des Gründers der Fitnesskette CrossFit, Greg Glassman, kam dagegen zu spät. Nachdem Glassman in einem Zoom-Meeting mit Betreibern seiner Muckibuden erklärt hatte, er sehe keinen Grund, um den durch Polizeigewalt getöteten George Floyd zu trauern, ergriffen viele Gyms die Flucht. Auch Reebok kappte seine neunjährige Geschäftsverbindung zu CrossFit. Glassman hat CrossFit in über zwei Jahrzehnten zu einem der größten Fitnessimperien in den USA ausgebaut. Nun musste er seinen Chefposten räumen.

Dreieinhalb Wochen nach dem Beginn der Proteste gegen Polizeigewalt, Rassismus und Diskriminierung hat die Bewegung eine ganze Reihe solcher kleinen Erfolge erzielt:

  • Walmart will in Zukunft darauf verzichten, bei Afroamerikanern beliebte Schönheitsprodukte aus Angst vor Ladendiebstahl in verschlossenen Vitrinen zu lagern.

  • Die Luxus-Kosmetikkette Sephora verspricht, 15 Prozent des Regalplatzes für Produkte von schwarzen Unternehmern freizuhalten.

  • Der Mitbegründer des Social-News-Aggregators Reddit, Alexis Ohanian, setzte ein persönliches Signal: Der Internetunternehmer, der mit der Tennisspielerin Serena Williams verheiratet ist, trat aus dem Vorstand zurück, damit sein Posten mit einem schwarzen Kandidaten besetzt werden könne.

  • Der Lebensmittelkonzern Pepsi, in Deutschland vor allem für seine Limonaden bekannt, will die Präsentation seiner Marke "Aunt Jemima" ändern, unter der Backmischungen, Frühstückspfannkuchen und Sirup verkauft werden. Die Ursprünge der über 130 Jahre alten Marke basierten auf Rassen-Stereotypen, heißt es zur Begründung.

  • Der Mars-Konzern will außerdem das Logo seiner Reismarke "Uncle Ben's" überarbeiten. Wie "Aunt Jemima" habe die schwarze Werbefigur "Uncle Ben" einen rassistischen Unterton.

Auch die milliardenschwere Unterhaltungsindustrie hat die Zeichen der Zeit erkannt:

  • Der Kabelanbieter Paramount Network stellte kurz vor Beginn der 33. Staffel die Realityshow "Cops" ein – eine nicht mehr allzu erfolgreiche, aber seit 30 Jahren laufende Serie, in der "die überwiegend weißen Polizeitruppen die Guten sind; die Schurken sind meistens schwarz", wie ein TV-Kritiker des Senders Fox bei der Premiere schrieb.

  • Der Sender ABC kürte kurzerhand den 20-jährigen Matt James, der eigentlich nur als Bewerber um die Gunst der "Bachelorette" vorgesehen war, zum nächsten "Bachelor" – der erste afroamerikanische Traummann seit Bestehen der Sendung. Es gebe "nie einen falschen Zeitpunkt, das Richtige zu tun", kommentierte der Immobilienmakler aus North Carolina die Beförderung zum Star trocken.

Derweil laufen dem Sender Fox News, wo Moderator Tucker Carlson seine rechten Sprüche ablässt, die Anzeigenkunden davon. T-Mobile erklärte auf Twitter, das Unternehmen habe seit Wochen keine Werbung in der Tonight-Show geschaltet, "und wir haben alle zukünftigen Platzierungen storniert." "Bye-bye, Tucker Carlson!", sekundierte Konzernchef Mike Sievert.

Die Hoffnung ist groß, dass aus solchen PR-wirksamen Solidaritätsaktionen ein echter gesellschaftlicher Wandel erwächst, der Afroamerikanern gleiche Chancen auf Karriere und Wohlstand verschafft. Doch der Weg ist lang, räumt der CEO des Eisherstellers Ben & Jerry's, Matthew McCarthy, ein.

Ben & Jerry's, das inzwischen zum Unilever-Konzern gehört, gilt als glaubwürdiger Verfechter der Anti-Diskriminierungs-Bewegung, weil es das Thema nicht erst gestern entdeckt hat. Trotzdem sei die Eiskette "ein sehr weißes Unternehmen", sagte McCarthy selbstkritisch bei CNN: "Wir müssen uns fragen, warum sind wir ein so weißes Unternehmen?" Der CEO sieht die Unternehmen, nicht nur die Politik, in der Pflicht. Ohne klare und quantifizierbare Zielvorgaben werde sich nichts ändern, warnt er. Denn in der Geschäftswelt gelte: "Du wertschätzt, was du misst. Du misst, was du wertschätzt."

So weit allerdings wollen die meisten Unternehmen nicht gehen. Stattdessen versprechen sie Geld: 1,6 Milliarden Dollar haben die Fortune-100-Unternehmen nach Berechnung des Nachrichtenportals Axios seit dem Tod von Floyd für den Kampf gegen Diskriminierung zugesagt – 0,2 Prozent ihrer Gewinne 2019. Das sei "eindrucksvoll", aber nur eine "Anzahlung auf den Fortschritt", sagte Andre Perry von der Denkfabrik Brookings Institution. "Was mir fehlt, ist eine Strategie hinter den Spenden."

Vorläufig zählt das Symbol. Der Pflasterhersteller Band-Aid hat für seine Sortimentserweiterung Lob erhalten, viele aber fragten: Warum erst jetzt? Tatsächlich hat die Marke schon einmal, 2005, ein Produkt für nicht weiße Hauttöne eingeführt. "Wegen mangelnden Interesses zum damaligen Zeitpunkt" sei die Linie "Perfect Blend" jedoch wieder eingestellt worden, teilte das Unternehmen mit.

Icon: Der Spiegel

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