Sommerurlaub und Corona: Heiko Maas und die Ferienfrage
Seit Mitte März gilt in der Coronakrise die weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amts. Fällt der Sommerurlaub dieses Jahr aus? Klar ist bislang nur: Die Warnung aufzuheben, ist komplizierter, als sie zu verhängen.
Was ein deutscher Außenminister tut oder nicht, hat in normalen Zeiten auf das Alltagsleben der Menschen keine unmittelbare Wirkung. Heiko Maas' Hauptgeschäft sind das Reden und die Diplomatie; Gesetzesvorschläge oder konkrete Vorschriften, die die Bürger dieses Landes unmittelbar betreffen, kommen aus seinem Hause so gut wie nie.
Seit Corona ist das anders: Das Auswärtige Amt hat am 17. März eine globale Reisewarnung ausgesprochen, von "nicht notwendigen, touristischen Reisen" ins Ausland wird generell abgeraten. Vergangene Woche wurde die Reisewarnung zusammen mit den innerdeutschen Eindämmungsmaßnahmen verlängert, und zwar "bis auf Weiteres", wie es auf der Website des Auswärtigen Amts heißt, "mindestens bis einschließlich 3. Mai 2020".
Hoffnungen, daraus sei abzuleiten, dass Reisen nach Spanien, Österreich oder Italien im Sommer wieder möglich sind, verpasste der Außenminister persönlich einen Dämpfer. "Eine normale Urlaubssaison mit vollen Strandbars und vollen Berghütten wird es diesen Sommer nicht geben können", sagte Maas jüngst nach einer Videokonferenz mit seinen Amtskollegen aus Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein.
Zur Frage, bis wann die weltweite Reisewarnung womöglich verlängert wird oder wie sein Haus beabsichtigt, sie durch andere Regelungen zu ersetzen, sagte der SPD-Politiker nichts. Nur so viel ergänzte er jetzt noch: Man prüfe fortlaufend, ob man Reisebeschränkungen schrittweise wieder aufheben könne. Aber: "Ich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt dafür keinerlei Anhaltspunkte erkennen."
Es stellt sich heraus: Eine globale Reisewarnung zu verhängen, ist wesentlich einfacher, als sie wieder aufzuheben. Es ist wie mit Subventionen oder Steuererleichterungen: Wenn alle von ihnen gleichermaßen betroffen sind, können sich alle beschweren – oder keiner. Sobald es Einzelregelungen gibt, muss die Politik dafür gute Begründungen liefern.
Klar ist bislang nur:
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Vor dem 15. Mai wird nichts passieren. Bis zu diesem Datum haben die 17 Länder des Schengenraums, darunter Deutschland, einen Einreisestopp verhängt. Es ist nicht vorstellbar, dass Reisen in andere EU-Länder oder nicht europäische Staaten möglich werden, bevor der Schengenraum wieder geöffnet wird.
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Nicht zu vermitteln wäre es auch, Reisen ins EU-Ausland wieder zu erlauben, solange Bundesbürgern innerhalb Deutschlands bestimmte Reisen verboten sind wie zum Beispiel an die Nord- und Ostsee.
Die Ankündigung des Außenministers, es werde dieses Jahr keine "normale Urlaubssaison" geben können, sorgt in der FDP für Kritik. Ihr tourismuspolitischer Sprecher Marcel Klinge hatte sich vor rund vier Wochen wegen der Reisewarnungen in einem Brief an Maas gewandt und für befristete Reisewarnungen des Auswärtigen Amts in der Coronakrise eingesetzt.
Maas' jüngste Einlassungen hätten ihn "geärgert", sagt Klinge, "weil sie weniger zur Klarheit als zur weiteren Verunsicherung beitragen". Von der Bundesregierung gebe es bislang keine klare Linie, wie es mit Reisen und Urlauben weitergehen solle, "sondern viele, sich widersprechende Stimmen".
Als Beispiel nannte der FDP-Politiker eine Äußerung von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller. Der CSU-Politiker hatte am Dienstag in einem Interview mit der Funke Mediengruppe davon gesprochen, dass es "eine Chance" auf Ferien am Mittelmeer einschließlich Nordafrika gebe.
Klinge gibt zu, dass eine Aktualisierung der Reisewarnungen des Auswärtigen Amts eine große Herausforderung sei. "Aber sie müssen in kürzeren Abständen überprüft und angepasst werden. Die Menschen wollen bald wissen, ob sie ihre Urlaube noch antreten können", so Klinge, der für seine Partei im Tourismusausschuss sitzt.
Von der Bundesregierung fordert er zügig ein Konzept, wie nationale Reisen und Fernreisen wieder möglich würden, etwa durch Fieberkontrollen und Schnelltests an Flughäfen. "Sonst werden wir eine bis dahin noch nie da gewesene Insolvenzwelle in der Tourismusbranche erleben, vor allem unter den kleinen Anbietern", warnt der FDP-Mann.
In der Bundesregierung zermartern sich Staatssekretäre und ihre Beamten derzeit die Köpfe, welche Regelungen die weltweite Reisewarnung ersetzen könnten. Am liebsten wäre ihnen ein gemeinsamer Beschluss mit allen oder zumindest mehreren EU-Partnern.
Ein bilaterales Abkommen, so wie es die österreichische Tourismusministerin vorgeschlagen hat, lehnt der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, ab. "Auch wenn ich selbst sehr gern in Österreich Urlaub mache, so was sollten wir europäisch regeln und nicht einzelne Länder bevorzugen", sagte der CDU-Politiker dem SPIEGEL. Auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte jüngst noch einmal Hoffnungen auf Reisen zwischen den beiden Nachbarländern genährt.
Bareiß empfiehlt den Deutschen, diesen Sommer im eigenen Land Urlaub zu machen – zumindest für den Fall, dass bis dahin die Reisebeschränkungen innerhalb der Republik aufgehoben worden sind.
"Urlaub in Deutschland würde auch der heimischen Gastronomie und dem Fremdenverkehr helfen, ihre enormen Einkommenseinbußen der letzten Monate zu kompensieren." Der Tourismusbeauftragte geht davon aus, "dass Fernreisen in diesem Sommer nicht möglich sein werden" – wobei Bareiß damit Fernreisen im Prinzip schon als Urlaub jenseits der Landesgrenzen definiert. Vorstellbar sei höchstens, dass man im benachbarten Ausland, etwa in Österreich, Dänemark oder der polnischen Ostseeküste absteigen könnte.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium glaubt aber auch nicht daran, dass es eine große Nachfrage nach Fernreisen gibt. "Risikogruppen oder auch ältere Personen sind besonders gefährdet und man kann nicht guten Gewissens eine große Reise empfehlen", sagte er dem SPIEGEL. Das Seuchengeschehen sei unberechenbar. Wer jetzt buche, könne vom Virus eingeholt werden in dem Urlaubsland, das er sich ausgesucht habe.
Dabei geht es nicht nur um die eigene Gesundheit, sondern auch um mögliche neue Beschränkungen in den Urlaubsländern. Kostspielige Rückholaktionen für gestrandete Urlauber durch die Regierung wie zuletzt in der Coronakrise lassen sich jedenfalls nicht beliebig oft wiederholen.
Was bereits gebuchte Reisen angeht, so hält es Bareiß auch rechtlich für eindeutig, dass Reisen ins Ausland storniert werden könnten, nicht nur für den Fall, dass es eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts gibt. "Wer eine Reise in die Türkei gebucht hat, es aber dann zu Reisebeschränkungen kommt oder man Quarantänevorschriften einhalten muss, der muss diese Reise natürlich nicht antreten, und da wird die Pauschalreise sicher auch vom Veranstalter abgesagt", sagt Bareiß. Gegen eine solche Reise spricht zudem, dass der heimkehrende Urlauber zu Hause auch noch einmal 14 Tage Quarantäne einhalten müsste.