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Nordkorea geht auf Konfrontation zu Südkorea: Schluss mit Sonnenschein

June 16
20:26 2020
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un: Keine Lockerungen der Sanktionen, kein Interesse an Frieden Icon: vergrößern

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un: Keine Lockerungen der Sanktionen, kein Interesse an Frieden

KCNA/ REUTERS

Für subtile Botschaften war das Kim-Regime noch nie bekannt. Am Dienstag sprengte Nordkorea um 14.49 Uhr Ortszeit das Verbindungsbüro mit Südkorea. Wer es nach einer Woche konzertierter Drohungen aus Pjöngjang in Richtung Seoul noch nicht verstanden hatte, dem dürfte spätestens jetzt klar geworden sein: Die Annäherung zwischen den beiden Koreas ist beendet, die "Sonnenscheinpolitik" vorbei. Es gibt keinen Ort mehr, an dem sich Vertreter der Länder zu solchen Gesprächen begegnen können.

Das Gebäude befand sich in der Stadt Kaesong, knapp nördlich der Grenze zwischen den beiden Staaten in einem früher gemeinsam betriebenen Industriegebiet. Vertreter Südkoreas konnten über eine Straße dorthin gelangen.

Südkoreas Militär sah am Dienstag live zu, wie das Gebäude zu Asche wurde, das so bedeutsam war für die gefeierte neue Phase der Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea. Seit Anfang 2018 hatte man sich erst zaghaft angenähert, dann folgten mehrere, von großem Pomp begleitete Gipfeltreffen zwischen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in.

Das Verbindungsbüro in Kaesong war mehr als nur ein nettes Symbol. Erstmals seit dem Korea-Krieg Anfang der Fünfzigerjahre war hier ein Ort geschaffen worden, in dem sich Regierungsvertreter der beiden Staaten treffen konnten. Formell herrscht noch Kriegszustand auf der koreanischen Halbinsel; ein Friedensvertrag wurde nie geschlossen. Die Annäherung der beiden Länder hatte Hoffnungen geschürt, dass es nun endlich dazu kommen könnte.

Es geht Nordkorea nicht um Frieden

Auch damals, in der Phase der Entspannung, gab es einen großen Knall: Entlang der vier Kilometer breiten Demilitarisierten Zone, die beide Länder trennt, wurden Wachposten Nord- und Südkoreas gesprengt. Damals war es ein Symbol für Frieden.

Daran aber ist Nordkorea nicht mehr interessiert. Weitere Vereinbarungen, auf die man sich 2018 geeinigt hatte, um die "militärischen Spannungen" zwischen beiden Ländern zu verringern, werden nun rückgängig gemacht.

Bereits vor einigen Tagen hatte Kim Jong Uns Schwester Kim Yo Jong gewarnt, man werde alle Kommunikationswege zum Süden kappen. Gemeint waren die Telefonverbindungen zwischen den Militärs beider Länder, über die sonst zweimal am Tag miteinander gesprochen wurde. Per Staatsmedien ließ das nordkoreanische Militär wissen, man werde die entmilitarisierten Zonen an der Grenze wieder mit Soldaten besetzen und sie "in eine Festung" verwandeln.

Demonstratives Desinteresse aus Kalkül

Die düsteren Drohungen sind nicht überraschend. Seit mehr als einem Jahr kommt die Annäherung zwischen Nord und Süd nicht mehr voran. Pjöngjang demonstrierte nicht nur Desinteresse an vielen gemeinsamen Projekten und symbolträchtigen Aktionen – statt eines Fußballfestes zwischen Süd- und Nordkorea spielten die Mannschaften beider Länder bei der WM-Qualifikation im Herbst 2019 vor leeren Rängen in Pjöngjang, was ganz offensichtlich ein Affront gegen die Regierung in Seoul war. Vor allem aber begann das Regime, zunehmend feindseliger gegenüber Südkorea zu werden.

Das Interesse Nordkoreas liegt vor allem, so glauben viele Beobachter, in der Lockerung von Sanktionen, um die darbende Wirtschaft anzukurbeln. Dafür aber bräuchte es die Zustimmung der USA, die nur dazu bereit sind, wenn Nordkorea nuklear abrüstet. Nach dieser Logik gibt es auch keinen Grund für Pjöngjang, die Beziehungen zu Südkorea zu pflegen. Im Gegenteil: Je unangenehmer die Lage für die Regierung des progressiven Präsidenten Moon wird, der seine Annäherungspolitk retten möchte, desto eher könnte er versuchen, auf die USA einzuwirken. Das könnte das größere Kalkül Pjöngjangs sein.

Wohl nur vordergründig geht es daher jetzt bei den offenbar sorgfältig geplanten Drohungen und Provokationen aus Pjöngjang um die von Aktivisten gen Nordkorea geschickten Flugblätter. Die regimekritischen Flyer werden mit Ballons von Südkorea aus über die Grenze geschickt.

Mächtigste Frau im Land

Bemerkenswert ist, dass die Drohungen der vergangenen Tage vor allem einer Person zuzurechnen sind: Nicht Kim Jong Un, sondern seiner immer mächtiger werdenden Schwester Kim Yo Jong. Während der merkwürdigen Abwesenheit Kim Jong Uns im April wurde sie immer wieder als seine mögliche Nachfolgerin gehandelt.

Bereits im März kritisierte sie Südkorea heftig, und in den vergangenen Tage wurde sie immer lauter. Am Samstag befahl sie, "entschieden die nächsten Aktionen" auszuführen und drohte: "In nicht allzu langer Zeit wird eine tragische Szene des komplett zerstörten nutzlosen Nord-Süd-Verbindungsbüros zu sehen sein."

Eine Strategie, die der inneren Logik der Kim-Familie folgt: Als Kim Jong Un 2010 sich als Nachfolger seines erkrankten Vaters profilieren musste, tat er das Beobachtern zufolge auch mit der Bombardierung der südkoreanischen Insel Yeongpyeong im November 2010. Auch Kim Yo Jong könnte sich nun ihre "revolutionären Meriten" verdienen wollen, spekuliert die Website "Daily NK" und beruft sich auf hochrangige nordkoreanische Regierungskreise.

Kim Yo Jong war es, die 2018 die Anfänge der innerkoreanischen Annäherung begleitete und bei den Olympischen Spielen in Südkorea die Botschaft überbrachte, dass ihr Bruder mit Präsident Moon sprechen wollte. Dass sie nun den Befehl gab, das Verbindungsbüro zu sprengen, ist ein für viele Südkoreaner trauriger Schlusspunkt.

Icon: Der Spiegel

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