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Corona: FDP fordert Ende des Pandemie-Notfalls

June 13
02:11 2020
Bundestag in Corona-Zeiten: Schilder für die Abstandsregeln auf den Plätzen Icon: vergrößern

Bundestag in Corona-Zeiten: Schilder für die Abstandsregeln auf den Plätzen

Christian Spicker/ imago images/Christian Spicker

Der 25. März 2020 war ein ungewöhnlicher Tag in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus. Der Bundestag war wegen der Corona-Pandemie spärlicher besetzt als sonst. So sollten die Abstandsregeln eingehalten werden.

Die Lage war ernst, die Tonlage der meisten Redner gedämpft, es ging um die Gesundheit der Bevölkerung. An diesem Tag brachte das Parlament eine Reihe von Beschlüssen auf den Weg. Am wichtigsten war ein Gesetz zum "Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite". Es wurde mit breiter Mehrheit gebilligt, lediglich die Abgeordneten der AfD und der Linken enthielten sich.

Das Parlament ermächtigte das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU), durch Anordnungen oder Rechtsverordnungen – ohne Zustimmung des Bundesrates – rasche Maßnahmen treffen zu können.

Dazu zählten unter anderem die Grundversorgung mit Arzneimitteln, Medizinprodukten, Hilfsmitteln, Gegenständen der persönlichen Schutzausrüstung und Produkten zur Desinfektion. Es waren Maßnahmen, die dabei halfen, die Ausbreitung des Virus abzubremsen.

Rund zweieinhalb Monate später sieht die Lage entspannter aus. Deutschland ist bislang relativ gut durch die Pandemie gekommen, auch in Europa sinken die Infektionszahlen. Ab Montag kommender Woche wird der Reiseverkehr in der EU weitgehend wieder beginnen, wenn auch mit Vorsichtsmaßnahmen. Auch in vielen Bundesländern sind die strikten Corona-Regeln zurückgefahren worden.

Angesichts dieser Entwicklung schlagen Politiker der FDP-Fraktion vor, das Notfallgesetz wieder aufzuheben – und zwar durch den Bundestag. Ursprünglich hatte Gesundheitsminister Spahn vorgesehen, die Notlage durch die Bundesregierung "feststellen" zu lassen. Doch es gab Kritik, am Ende fiel die Passage im März aus dem Gesetz heraus – und der Bundestag stellte die Notlage fest.

Doch wie verhält es sich mit dem umgekehrten Fall? Darf der Bundestag die Notlage nun auch wieder beenden? Kurz gesagt: Er darf.

So geht es zumindest aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervor, die dem SPIEGEL vorliegt. Darin heißt es explizit, die "Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite" sei möglich, wenn der Bundestag zu der "Überzeugung" komme, dass "die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen".

Zu einer identischen rechtlichen Einschätzung kommt eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags, die dem SPIEGEL ebenfalls vorliegt. Darin wird festgehalten, dem Gesundheitsministerium seien durch das Notlagengesetz "umfangreiche Ermächtigungen" zum Erlass von "sofort vollziehbaren" Anordnungen sowie Rechtsverordnungen zugewachsen. Erlassene Rechtsverordnungen würden, heißt es weiter, außer Kraft treten, wenn die Aufhebung festgestellt werde – ansonsten "spätestens mit Ablauf des 31. März 2021". Entsprechendes gelte für Anordnungen.

Das Problem: Juristisch ist nicht klar geregelt, was eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" ist. Eine sogenannte "Legaldefinition" gibt es bislang nicht, auch nicht im Infektionsschutzgesetz. Dieser Umstand wird in Teilen der Politik und Rechtswissenschaft kritisiert. Man behilft sich mit Ableitungen aus verschiedenen Bestimmungen, die die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags in ihrer Ausarbeitung katalogisiert haben.

Demnach muss

  • eine durch den seuchenrechtlichen Notfall hervorgerufene "erhebliche Gefährdung" des Gemeinwesens drohen,

  • in einer sich dynamisch entwickelnden Ausbruchssituation die Gefahr bestehen, dass eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik eintritt, die durch eine "grenzüberschreitend ausbreitende übertragbare Krankheit" gekennzeichnet sei,

  • dieser Gefährdungslage "nur begrenzt auf Landesebene" begegnet werden können,

  • zudem der Gefahr einer "Destabilisierung des gesamten Gesundheitssystems" vorgebeugt werden.

"Eine Überlastung des Gesundheitssystems liegt nicht mehr vor"

Doch sind diese Bedingungen nun, Mitte Juni, noch erfüllt? Die FDP glaubt das nicht mehr. Sie will, dass der Bundestag aktiv wird. "Wenn in sieben Bundesländern nur noch eine zweistellige Anzahl aktiver Corona-Fälle existiert, kann man eine bundesweite Notlage schwer begründen, mit der die Parlamentsrechte eingeschränkt werden", sagt der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle dem SPIEGEL. Der Bundestag sollte daher "schnellstmöglich" die Aufhebung beschließen.

Einen weiteren Aspekt sieht die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus. "Eine Überlastung des Gesundheitssystems liegt nicht mehr vor, darüber hinaus sind 37 Prozent der Intensivbetten frei", sagt sie. Mit dem Gesetz sollte dem Kollaps in Krankenhäusern bei der Versorgung von Corona-Patienten vorgebeugt werden.

Aschenberg-Dugnus sieht mittlerweile ein anderes Problem: Angesichts verschobener Operationen, Vorsorgeuntersuchungen und Jobängsten "schadet die Aufrechterhaltung der epidemischen Lage mehr als sie nützt", sagte sie dem SPIEGEL.

Bislang sieht es allerdings noch nicht danach aus, dass die FDP-Vorschläge umgesetzt werden. Erst am 19. Mai verabschiedete der Bundestag ein zweites, ergänzendes Notfallgesetz. Es trat wenige Tage später in Kraft. Die Begründung zum Gesetzestext las sich nicht so, als würde die Große Koalition eine baldige Aufhebung anstreben: Die "zunehmende Ausbreitung des Coronavirus" zeige, dass "weitere Maßnahmen erforderlich" seien, um die durch das Virus ausgelösten Folgen "abzumildern".

Icon: Der Spiegel

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