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Corona-Krise: Gastronomie und Hoteliers hoffen auf Steuersenkung

April 21
15:24 2020

Vom Imbiss bis zur Sterneküche: Gastwirte sind hart von der Coronakrise betroffen. Nun fordern die Branche und Politiker konkrete Hilfen – nach einem umstrittenen Modell.

"Unsere Branche wird stranguliert", sagt Caroline von Kretschmann. Die 52-Jährige ist Chefin des Hotels Europäischer Hof in Heidelberg – eines der wenigen noch privat geführten Fünf-Sterne-Stadthotels. Kretschmanns Familie betreibt das 155 Jahre alte Haus in der vierten Generation, für Parallelen zum Corona-Lockdown muss sie weit zurückblicken. Die Lage sei "wohl nur vergleichbar mit der Situation zum Ende des Zweiten Weltkriegs oder der Nachkriegszeit, als das Haus von den Amerikanern besetzt worden war".

Seit dem 23. März sei das 122-Zimmer-Hotel quasi "auf null" gestellt, berichtet Kretschmann. "Innerhalb von vier Tagen ist uns für März und April Umsatz in Höhe von 400.000 Euro storniert worden." Jetzt kämen schon Absagen für Juni, Juli und August, und man habe "quasi null neue Buchungen". In der Branche herrsche blanke Existenznot.

Durch die behördlichen Auflagen ist das Gastgewerbe weitgehend zum Erliegen gekommen. Laut Branchenverband Dehoga droht einem Drittel der deutschlandweit gut 223.000 Betriebe die Pleite. "Die Hotellerie war die erste Branche, die von der Coronakrise durchgeschüttelt wurde", sagt Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer des Hotelverbands Deutschland. Im Gegensatz zu anderen Branchen ließen sich die verlorenen Umsätze später nicht wieder aufholen. Das Gastgewerbe insgesamt benötige deshalb "schnell einen wirksamen Rettungsfonds und Steuererleichterungen".

Mit ihrem Ruf nach Steuersenkungen hat die Branche nun einen prominenten Fürsprecher: Nach Ansicht von Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) muss die Mehrwertsteuer für die Gastronomie von den regulären 19 Prozent "dringend runter auf sieben Prozent". Unterstützung für diese Forderung kommt unter anderem vom sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und der rheinland-pfälzischen Finanzministerin Doris Ahnen (SPD), die sich für eine zeitlich befristete Absenkung ausspricht.

"Sensationeller Schritt"

Für Hotelbetreiberin Kretschmann wäre die Steuersenkung für die Gastronomie ein "sensationeller und hilfreicher Schritt". Gut drei Millionen Euro beträgt der Umsatz des Europäischen Hofs mit Essen und Trinken in normalen Jahren. "Ich hätte etwa 350.000 Euro mehr liquide Mittel und könnte damit auch Kredite zurückzahlen."

Insgesamt könnte die Absenkung die Gastronomen um jährlich rund 6,5 Milliarden Euro entlasten, schätzt Stefan Bach, Steuerexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), anhand von Zahlen des Vorjahres. Vorerst dürfte das Volumen aber deutlich kleiner ausfallen, da die Umsätze der Branche in diesem Jahr pulverisiert werden. Spürbare Wirkung wird die Steuersenkung also erst haben, wenn die Geschäfte wieder anziehen.

Grundsätzlich hält Bach den Schritt für sinnvoll. "Die Branche ist stark belastet, das würde ihr schon helfen." Zudem ließe sich die Entlastung leicht beschließen. "Bundestag und Bundesrat könnten das schnell mit einem Federstrich im Gesetz umsetzen."

Bei anderen Corona-Hilfen fallen Betriebe wie der Europäische Hof mit seinen 165 Mitarbeitern dagegen bislang in die "Mittelstandslücke": Sie sind zu groß für direkte Zuschüsse und zu klein für Rettungsschirme, die nun für Konzerne wie TUI gespannt werden. Ein Kredit der Staatsbank KfW wurde Kretschmann vorerst verweigert. Einer der Gründe: Die Fortführungsperspektive sei nicht gut, die Kapitaldienstfähigkeit fraglich. Bedeutet: Das Hotel wirft nicht genug Gewinn ab. Kretschmann hält die Logik für absurd. "Wir haben ja nur deswegen keine fetten Polster, weil wir das verdiente Geld immer reinvestiert haben."

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat Gastronomen und Hoteliers zusätzliche Hilfen in Aussicht gestellt. Zu einer möglichen Mehrwertsteuersenkung aber hält er sich bislang bedeckt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich zurückhaltend. Das Thema werde am Mittwoch im Koalitionsausschuss besprochen. "Wir müssen jetzt nur aufpassen, dass wir nicht jede Woche eine Maßnahme uns vornehmen und in der nächsten Woche wieder eine andere."

Eine berüchtigte Wohltat

Grund zur Vorsicht gibt es bei Steuerforderungen aus dem Gastgewerbe durchaus. Im Jahr 2009 senkte die schwarz-gelbe Bundesregierung bereits den Steuersatz für Hotelübernachtungen. Diese Wohltat ist mittlerweile als "Mövenpick-Steuer" berüchtigt, weil die FDP zuvor eine Großspende vom Haupteigentümer der gleichnamigen Hotelgruppe erhalten hatte. Schon damals wurde die Steuersenkung als Krisenmittel verkauft, und schon damals war neben der FDP die CSU von Markus Söder treibende Kraft. Nur dass es diesmal eben nicht ums Übernachten geht, sondern ums Essen in Restaurants, Cafés oder Bistros.

Die Steuersenkung sei "grotesk" und "reine Klientelpolitik" gewesen, urteilte das Kieler Institut für Weltwirtschaft später über die Mövenpick-Steuer. Hinzu kam der Eindruck, dass die Steuersenkung von vielen Hoteliers nicht weitergegeben wurde – ein Phänomen, das teilweise auch nach Senkung der sogenannten Tamponsteuer zu beobachten war. Übersichtlicher wurde der Dschungel deutscher Mehrwertsteuerregeln damals auch nicht. In diesem gilt der ermäßigte Satz schon heute für Speisen zum Mitnehmen – weshalb für die Currywurst im Sitzen 19 Prozent fällig werden, im Stehen hingegen sieben Prozent.

Die Bedenken gegen eine weitere Reform könnten allerdings dadurch reduziert werden, dass die Mehrwertsteuer diesmal nur temporär abgesenkt wird. Ein solches Vorgehen wurde bereits in Großbritannien erprobt: Dort senkte die Regierung in der Finanzkrise für 13 Monate den regulären Mehrwertsteuersatz um 2,5 Prozentpunkte. Laut einer Studie gaben Unternehmen diesen Vorteil vor allem in den ersten Monaten an die Kunden weiter, was den Konsum ankurbelte.

Zweck der jetzigen Steuersenkung wäre freilich primär, die gebeutelte Branche zu entlasten. Insofern ließe es sich wohl auch verschmerzen, wenn Unternehmer die Entlastung anderweitig verwenden – so wie Unternehmerin Kretschmann, die Kredite zurückzahlen will.

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