Witkoffs Tipps für die Russen: “Schmeicheleien gegenüber Trump sind keine nachhaltige Strategie”
Politik
Witkoffs Tipps für die Russen"Schmeicheleien gegenüber Trump sind keine nachhaltige Strategie"
26.11.2025, 18:06 Uhr
Lea Verstl

Nicht nur der Kreml geht dem US-Präsidenten gern um den Bart. Die Europäer nutzten dieselbe Masche, um Donald Trump bei Plänen für die Ukraine vom Schlimmsten abzubringen, sagt Sicherheitsexperte Rafael Loss. Allerdings bräuchte es eine andere Taktik, um eine langfristige Lösung für Kiew zu finden.
ntv.de: Der US-Sondergesandte Steve Witkoff sagte den Russen laut einem Medienbericht, sie sollten Donald Trump schmeicheln, um ihre Vorstellungen von der Zukunft der Ukraine durchzusetzen. Trifft der US-Präsident denn allein auf der Basis solcher Schmeicheleien Entscheidungen?
Rafael Loss: Vielleicht nicht allein auf Basis dessen. Aber das scheint ein maßgeblicher Wirkmechanismus zu sein, durch den man Trump dazu bekommt, bestimmte Positionen einzunehmen. Das ist nichts, wofür die Russen Witkoff gebraucht oder was allein sie erkannt hätten. Denn das ist auch die Art und Weise, wie Nato-Generalsekretär Mark Rutte und andere Europäer mit Trump umgehen. Es ist eine Erkenntnis, die bereits in Trumps erster Amtszeit gewonnen wurde.
Die Europäer konnten Trump und seinen Außenminister Marco Rubio beim Gipfel in Genf also durch die gleiche Masche vom Schlimmsten abbringen?
Zumindest wird das eine Rolle gespielt haben in den Konsultationen. Auch die Europäer nutzen gegenüber Trump Schmeicheleien, um ihre Positionen schmackhaft zu machen. Und sie wissen: Wenn es darum geht, tatsächlich einen Frieden zu erreichen, braucht Trump die Unterstützung Europas und der Ukraine. Ohne deren Zustimmung kann nichts erreicht werden.
Trump muss also immer wieder daran scheitern, über die Köpfe der Europäer und der Ukrainer hinweg Entscheidungen treffen zu wollen?
Zumindest für Minimalkompromisse braucht Trump die Europäer und die Ukraine. Dennoch grassiert die Angst davor, dass Trump in einem Moment der extremen Frustration die nachrichtendienstliche Unterstützung und die Waffenkäufe für die Ukraine vonseiten der USA aufkündigt. Deshalb müssen alle dieses Spiel des US-Präsidenten an jeder Ecke mitspielen. Aber nur weil keine Entscheidungen über die Köpfe der Europäer und Ukrainer getroffen werden, heißt das nicht, dass Entscheidungen in ihrem Sinne für ein Kriegsende getroffen werden – es werden schlicht keine Entscheidungen getroffen, die ein Kriegsende näherbrächten. Dieser Schwebezustand produziert hohe Kosten, vor allem für die Ukraine, aber er ist eben besser als die Kapitulation, die Russland fordert und von der es seit Februar 2022 nicht abrückt.
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Die Europäer bemühen sich bereits, die US-Satellitenaufklärung zu ersetzen. EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius zeigt sich diesbezüglich zuversichtlich: "Wenn die Ukraine beschließt, weiterzumachen, dann wird sie weitermachen." Ist Kiew also nicht mehr so stark von Washington abhängig?
Militärisch ist die Unterstützung durch amerikanische Nachrichtendienste vor allem auf operativer Ebene unersetzbar. Es würde die Verteidigung der Ukraine enorm erschweren, falls das operative Lagebild und die Unterstützung bei der Operationsplanung von Langstreckenangriffen mit Drohnen, ballistischen Raketen und Marschflugkörpern wegfiele. Und es wäre auch schwieriger für die Ukraine, frühzeitig zu erkennen, wo gegebenenfalls neue Bodenoffensiven und Luftangriffe gestartet werden.
Könnte Europa hier nicht einspringen?
Die Europäer könnten lediglich punktuell einen Überblick liefern. Ihnen fehlt jedoch die persistente Satellitenaufklärung, die Nutzbarmachung dieser nachrichtendienstlichen Erkenntnisse von Satelliten, aber auch von anderen Quellen – und schließlich die Einspeisung in die militärischen Entscheidungsprozesse.
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Das heißt, jedes Mal, wenn Trump Anlauf für eine neue Friedensinitiative nimmt, muss Europa zunächst einmal das Schlimmste befürchten?
Davon muss man ausgehen. Schmeicheleien gegenüber Trump sind keine nachhaltige Strategie. Bislang wurde Trump zwar überzeugt, sich nicht gänzlich abzuwenden. Aber das heißt nicht, dass es auf ewig so weitergehen wird. Die einzige Konstante ist ein enormes persönliches Interesse Trumps an der Normalisierung der bilateralen Beziehungen zu Russland. Trump glaubt nach wie vor, davon wirtschaftlich profitieren zu können. Es geht dabei um persönliche, geschäftliche Deals und nicht um die Interessen der Vereinigten Staaten. Mit der Aussicht auf Deals ködern die Russen Trump bei den Gesprächen über die Ukraine.
Einige Republikaner fordern nun die Entlassung Witkoffs. Trump nimmt seinen Gesandten in Schutz und behauptet, es handle sich um eine normale Verhandlungstaktik. Verfangen Trumps Aussagen in seiner Partei – oder muss er handeln?
Bislang sieht es nicht so aus, als hätten die Russland-Falken in der Republikanischen Partei eine Handhabe gegen Trumps Vorgehen. Denn Trump lässt die Gespräche noch immer von Witkoff und seinem Schwiegersohn Jared Kushner führen. Wenn es um die Position gegenüber Russland und der Ukraine geht, gibt es offensichtlich keine kohärente Positionierung der US-Regierung.
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Woran erkennen Sie das?
Marco Rubio, der als Nationaler Sicherheitsberater und Außenminister in jeder anderen Administration eine zentrale Rolle in solchen Fragen spielen würde, wurde offenbar nicht über Trumps Entscheidungen informiert, bevor der 28-Punkte-Plan lanciert wurde. Rubio wurde dann nach Genf entsandt, um Dinge wieder einzufangen. In der US-Regierung weiß die linke Hand nicht, was die rechte Hand macht. Das produziert sowohl für die Ukraine und als auch für die Europäer Probleme – und sogar für Russland. Aber Russland profitiert auch von dieser Unklarheit. Wladimir Putins Ziel ist die Kapitulation der Ukraine – ob er das über den diplomatischen Weg und die Einspannung Trumps oder die Fortführung seines Krieges erreicht, scheint ihm weitgehend Wurst zu sein.
Was wäre denn eine langfristige Strategie, mit der die Europäer in Gesprächen über die Ukraine Erfolg haben könnten gegenüber Russland und den USA?
Europa hat keine eigene Ukraine-Strategie. Sowohl Berlin als auch Brüssel hatten die Verantwortung für die Ukraine- und Russlandstrategie zu Kriegsbeginn quasi an die USA ausgelagert. Das hat unter Trumps Amtsvorgänger Joe Biden gut funktioniert, obwohl auch Biden keine strategischen Ziele definiert hat. Es ging darum, auf Sicht zu fahren und so lange wie möglich keine unkalkulierbaren Risiken zu schaffen. Das ist der Ansatz, den Europa bislang immer noch fährt.
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Funktioniert das jetzt noch?
Mit Trump als US-Präsidenten ist die Auslagerung der Strategie an die USA zwar nicht mehr verlässlich. Man hat sich aber bislang nicht dazu durchringen können, die Rhetorik, die man in Europa immer wieder hochhält, mit den nötigen Ressourcen für die Ukraine zu unterfüttern. Die Europäer haben die Ukraine nicht in eine Position gebracht, in der sie den notwendigen Druck auf Russland aufbauen und ernsthaft mit den USA und Russland verhandeln könnte.
Mit Rafael Loss sprach Lea Verstl

