Trump gesteht Shutdown-Scheitern: Demokraten könnten Krankenversicherungen für Macht geopfert haben
Politik
Trump gesteht Shutdown-ScheiternDemokraten könnten Krankenversicherungen für Macht geopfert haben
12.11.2025, 04:23 Uhr Eine Analyse von Roland Peters, New York

Nach mehr als einem Monat ist der Geldmangel-Shutdown der US-Regierung vorbei. Sind die Demokraten eingeknickt – oder ist es vorausschauende Wahlstrategie?
Die Demokraten zeigten sich wochenlang einig: Der Shutdown der US-Regierung müsse weitergehen, solange die Republikaner nicht für Millionen Menschen die Verdopplung der privaten Krankenkassenbeiträge von Obamacare zurücknehmen oder den Verlust des Versicherungsschutzes verhindern. "No fucking way", auf gar keinen Fall werde man nachgeben, tönte der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, in einem Social-Media-Video. Viele seiner Kollegen äußerten sich ähnlich kategorisch.
Das war einmal. Der Senat hat mit Stimmen einiger Demokraten eine Übergangsfinanzierung der Regierung bis Ende Januar angeschoben, das Repräsentantenhaus wird es voraussichtlich entlang der Parteilinien verabschieden. Donald Trump hat angekündigt, das Gesetz unterschreiben zu wollen. Nun fragt sich: Weshalb sind die Demokraten nach 40 Tagen vor dem Präsidenten eingeknickt, wenn das öffentlich erklärte Ziel nicht erreicht ist?
Die Logik könnte ganz einfach gewesen sein: Die voraussichtlichen Vorteile waren größer als die Risiken. Die Demokraten könnten angesichts der Wahlerfolge in der vergangenen Woche bereits die Kongresswahlen und damit einen möglichen parlamentarischen Machtwechsel im kommenden Jahr im Blick haben. Zudem rangen sie den Republikanern mehrere Zugeständnisse ab. Sollten nun soziale Härten für die US-Amerikaner zunehmen, gehen sie in aller Öffentlichkeit auf das Konto der Regierung.
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Wer nicht zur Wahl steht, läuft keine Gefahr
Was die Motivation der abtrünnigen Senatoren betrifft, verweisen sie auf die Zugeständnisse: Entlassungen in den Behörden während des Shutdowns sollen rückgängig gemacht werden, die Gehälter der Staatsangestellten rückwirkend gezahlt; die Ernährungshilfen für Niedrigverdiener, die rund 12 Prozent der Bevölkerung erhalten, werden länger garantiert. Zudem dürfte sich der Flugverkehr bis zum so wichtigen Thanksgiving Ende des Monats wieder normalisiert haben.
Dazu kommt, dass die Senatoren sich und ihre eigenen Posten nicht in Gefahr gebracht haben. Von den acht muss niemand akut um sein Amt fürchten; zwei von ihnen treten nicht wieder an, die sechs anderen haben längere Mandate. Wer nicht zur Wahl steht, kann auch nicht abgewählt werden. Die mögliche Folge ihrer Entscheidung: Eine erzwungene Neuverhandlung von Krankenkassenbeiträgen und damit auch Mitgliedschaften von Millionen Menschen könnte auf dem parlamentarischen Müllhaufen gelandet sein. Vorerst zumindest.
Sollten die staatlichen Zuschüsse für die Krankenversicherung wie vorgesehen im Januar enden, dürften sich die Beiträge für 22 Millionen Menschen mehr als verdoppeln. Etwa vier bis fünf Millionen Menschen können sich deshalb aller Voraussicht nach keine Versicherung mehr leisten. Im großen Gesetzespaket der Republikaner, das Trump nur "Big Beautiful Bill" nennt, hatten die Konservativen weitreichende Kürzungen bei Sozialprogrammen beschlossen. Das könnte ihnen im kommenden Jahr auf die Füße fallen. Sogar 50 Prozent der Republikaner wollen, dass die Zuschüsse zu Krankenversicherungen weiterfließen.
Bleibt der Schaden?
Große Teile der Demokraten kritisieren zwar öffentlich die Zusammenarbeit ihrer Kollegen mit den Republikanern. Sie seien vor Präsident Donald Trump und seiner Harter-Hund-Politik eingeknickt, so der Vorwurf. Aber die US-Medien spekulieren darüber, ob es eine abgesprochene Strategie der beiden demokratischen Minderheitsführer gewesen sein könnte: Wollten der viel kritisierte Chuck Schumer aus dem Senat und Hakeem Jeffries im Repräsentantenhaus ihr Gesicht wahren, aber den Shutdown beenden? Denn sollte die Machtfrage über allem stehen, wäre das Kalkül, dass die Demokraten bei den Kongresswahlen im kommenden Jahr von der unnachgiebigen Linie der Republikaner und den Auswirkungen für die Wähler profitieren könnten.
Um den Shutdown zu beenden, haben die Konservativen im Senat den Demokraten die baldige Abstimmung über eine mögliche Rolle rückwärts bei den Krankenversicherungszuschüssen garantiert. Im Repräsentantenhaus lavieren sie. Das klingt nach angekündigtem Scheitern. Wenn die Republikaner eine Abstimmung verhindern oder gegen die Zuschüsse stimmen, steigen die Krankenversicherungsbeiträge. Dafür würde die Öffentlichkeit sie als Regierungspartei verantwortlich machen. All das wäre pure Wahlkampfmunition für die Demokraten, deren Depot ohnehin schon gut gefüllt ist. Bereits im vergangenen Jahr war Gesundheitsversorgung für Wähler das wichtigste Thema, bei dem sie Demokraten vertrauen.
Der Wirtschaft gehe es blendend, behauptete Trump am Montag; die Erschwinglichkeitskrise gebe es nicht, da die Preise gefallen seien. Das stimmt nicht: Das Leben in den USA ist noch teurer geworden, um 1,7 Prozent seit Amtsantritt des Präsidenten im Januar. Eben mit diesem Thema hatten Demokraten zuletzt im Bundesstaat Virginia und New Jersey sowie in der Stadt New York die Wahlen gewonnen. "Wenn man sich die Umfragen ansieht, war der Shutdown meiner Meinung nach ein wichtiger negativer Faktor für die Republikaner", räumte sogar Trump nach den Niederlagen ein. Das klingt nach einem Eingeständnis, er habe sich verzockt.
Zustimmungswerte im Keller
Als die Demokraten vor Trump noch an der Macht waren und Joe Biden im Weißen Haus, machte die Mehrheit der US-Amerikaner sie verantwortlich für Inflation und Preise. Nun ist die Situation umgekehrt: Nur 30 Prozent der Wähler glauben an Trumps angeblichen Preisrückgang. Für 59 Prozent der Wähler gehen die steigenden Preise, insbesondere bei Lebensmitteln, auf Trumps Kappe, also die der Regierung. Offenbar können die Republikaner nach zehn Monaten an der Macht ihre Vorgänger der Demokraten nicht mehr für die leeren Brieftaschen der Wähler verantwortlich machen.
Sollten nun noch Millionen von ihnen ihre Krankenversicherung verlieren und viele andere im Schnitt das Doppelte zahlen müssen, kann sich das weiter auf das negative öffentliche Bild Trumps auswirken. Seine Zustimmungswerte sind bereits historisch niedrig. Beim Punkt "Preise und Inflation" wird Trump noch schlechter bewertet als Biden während der höchsten Inflation in den USA in den vergangenen Jahrzehnten.

