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Öl und Gas in der Ostsee: “Wenn Polen eigenes Gas fördert, profitiert indirekt auch Deutschland”

July 26
10:16 2025

Wirtschaft

Eine Bohrplattform in der Ostsee vor der Insel Usedom: Gibt es in der Ostsee oder anderswo in Deutschland noch mehr Schätze, die gehoben werden könnten?

Eine Bohrplattform in der Ostsee vor der Insel Usedom: Gibt es in der Ostsee oder anderswo in Deutschland noch mehr Schätze, die gehoben werden könnten?

Vor der polnischen Ostseeküste nahe der deutschen Grenze entdeckt das kanadische Unternehmen Central European Petroleum (CEP) ein großes Öl- und Gasvorkommen. Die Rede ist vom größten Fund in Polen seit dem Zweiten Weltkrieg. Möglicherweise zieht sich das Feld bis zur deutschen Küste vor Usedom. ntv.de fragt Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG), warum nicht auf deutscher Seite gebohrt wurde. Und: Lagern in der Ostsee oder anderswo weitere Schätze, die Deutschland heben könnte?

ntv.de: Das Offshore-Ölfeld Wolin East liegt etwa sechs Kilometer von der polnischen Hafenstadt Swinoujscie (Swinemünde) entfernt. Vom deutschen Teil der Ferieninsel Usedom war die Bohrinsel kurze Zeit sogar zu sehen. Warum war der Fund trotzdem eine solche große Überraschung?

Ludwig Möhring: Die Bohrung war kein Geheimnis. Die Genehmigung zur Exploration wurde bereits 2017 erteilt. Die Arbeiten begannen im November 2024. Das wurde kommuniziert und in den Medien reflektiert. Das geologische Potenzial war CEP sicherlich klar, sonst hätte man nicht angefangen zu bohren. Neu ist in der Tat, dass man jetzt weiß, dass es wirklich große Öl- und Gasmengen vor der Küste gibt, die sich wirtschaftlich fördern lassen.

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Wirtschaft 21.07.25 "Historischer Moment" in Ostsee Größtes Ölvorkommen Polens direkt an deutscher Grenze entdeckt

Die Rede ist von schätzungsweise 200 Millionen Barrel Öl-Äquivalent, das unmittelbar hinter der deutsch-polnischen Grenze schlummert. Hätten die deutschen Behörden einbezogen werden müssen?

Das kann ich nicht sagen, ich bin nicht Teil des Verfahrens. Unter Nachbargesichtspunkten haben sich die Gemeinden auf Usedom schon zu Recht gewundert. Ich bin mir sicher, dass die zuständigen Behörden sich das Ganze bergrechtlich und unter Umweltgesichtspunkten genauer ansehen werden.

Warum wurde nicht auf deutscher Seite gebohrt?

Das kanadische Unternehmen CEP hat sich eine Lizenz für die polnische Seite besorgt. Ob sich die Lagerstätte auch unterhalb des deutschen Hoheitsgebiets erstreckt, wird sich herausstellen.

Zur Größe des Vorkommens gibt es bisher nur Schätzungen. Das Feld könnte größer sein und damit könnte es auch unentdecktes Öl und Gas vor der deutschen Küste geben. Hat Deutschland hier möglicherweise geschlafen?

Auf der deutschen Seite vor Usedom gibt es tatsächlich Kohlenwasserstoffe. Das ist bekannt, weil eine Lizenz erteilt und das untersucht wurde. Aus technischen und wirtschaftlichen Gründen gibt es auf der deutschen Seite aber keine Absichten, da aktiv zu werden. Ob das deutsche Feld geologisch etwas mit der nun gefundenen polnischen Lagerstätte zu tun hat, ist aber nicht bekannt. Das würde man technisch nur herausfinden, indem man die Lagerstätte auf der anderen Seite beobachtet. Lässt der Druck in der Lagerstätte auf der deutschen Seite infolge der Produktion auf der polnischen Seite nach, dann handelt es sich vermutlich um dasselbe Vorkommen.

Aber auf der polnischen Seite lohnt es sich, zu fördern?

Da müssen Sie CEP fragen, die die Einzelheiten kennen. Ich vermute mal, sonst würde CEP es nicht tun.

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag aufgenommen, dass die Förderung fossiler Energieträger unterstützt werden soll. Gibt es möglicherweise anderswo in der deutschen Ostsee Schätze in Form von Gas und Öl, die bislang nicht geborgen wurden?

Die Potenziale der Gasförderung in Deutschland noch mal genauer unter die Lupe zu nehmen, halten wir grundsätzlich für richtig. Ob in der Ostsee an anderer Stelle noch etwas zu finden ist, kann ich nicht sagen. Mir ist nicht bekannt, dass Gasproduzenten die Ostsee als Zielgebiet für Explorationstätigkeit eingestuft hätten.

Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) mit Sitz in Hannover, wirbt für eine stärkere Nutzung heimischer Ressourcen.

Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) mit Sitz in Hannover, wirbt für eine stärkere Nutzung heimischer Ressourcen.

Was bedeutet der Fund für Polen?

Den Polen geht es ähnlich wie den Deutschen: Sie sind abhängig von Energieimporten, und beim Erdgas waren sie noch abhängiger von russischem Erdgas als Deutschland. Sie wollen einen möglichst hohen Grad an Unabhängigkeit erreichen. Dabei hilft der neue Fund.

Die Förderung soll vier bis fünf Prozent des polnischen Ölbedarfs für mehrere Jahre decken. Profitiert Deutschland als unmittelbarer Nachbar davon?

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(Foto: Geoportal.de, Kartendaten © Bundesamt für Kartographie und Gedäsie (BKG), Bundesaanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR))

Der europäische Gasmarkt ist ein gemeinsamer Markt. Wenn die Polen eigenes Gas in größeren Mengen fördern, reduziert das die Notwendigkeit, Gas von woanders zu importieren. Für die Versorgungssicherheit in Westeuropa ist das eine gute Nachricht, weil in der Europäischen Union weniger vom globalen Gasmarkt gekauft werden muss. Es entspannt insoweit die Angebotsseite und ist damit gut für die Preise. Deutschland profitiert also indirekt.

Gibt es hierzulande andere vielversprechende Explorationen?

Es gibt vor Borkum ein länderübergreifendes Gasfeld in den Niederlanden und Deutschland, das aber unter großem politischem und juristischem Druck steht. Und in Niedersachsen, dem Kerngebiet der deutschen Gasförderung, werden einige neue Projekte durchgeführt. Die produzierten Erdgas-Mengen nehmen seit Jahren ab. Das hat viel mit der Erschöpfung der Lagerstätten, also der Geologie zu tun, aber auch mit einer Politik, die Erdgasförderung vielfach kritisch sieht. Das oft vorgebrachte Argument, die Gasförderung sei nicht gut fürs Klima, übersieht dabei, dass wir immer noch ein Viertel unseres Energiebedarfs in Deutschland mit Erdgas decken. Wenn wir es nicht hier fördern, müssen wir es importieren. Das Flüssiggas aus den USA emittiert aber bis zu 30 Prozent mehr CO2. Es gibt also gute Gründe, zu schauen, was an Erdgasförderung in Deutschland noch möglich ist. Im Koalitionsvertrag ist ausdrücklich die Rede von konventioneller Förderung. Das damit verbundene Potenzial sollten wir nutzen.

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Wirtschaft 22.07.25 Ölbohrungen in polnischer Ostsee Usedomer fürchten "irreversible Folgen für Natur, Wasser und Klima"

Kritiker warnen vor möglichen Havarien und negativen Folgen für den Tourismus auf Usedom. Die Gefahr sehen Sie nicht?

Wenn man die Erdgas- und Erdöl-Förderung nicht umweltverträglich hinbekommt, sollte man es lassen. Die Industrie ist in der Lage, Öl und Gas umweltverträglich zu produzieren. Staatlich abgesichert wird das durch eine strikte Regulierung: Bergbehörden und Umweltbehörden sorgen mit engmaschigen Verfahren für eine umweltverträgliche Gas- und Öl-Förderung. Ich bin mir sicher, dass das auch für das CEP-Projekt in Polen gelten wird.

Mit Ludwig Möhring sprach Diana Dittmer

Quelle: ntv.de

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