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“300.000 Mann Untergrenze”: So könnte Trumps Ukraine-Deal Europa herausfordern

December 01
18:46 2024

Politik

Binnen 24 Stunden will Trump den Ukrainekrieg beenden - zumindest hat er das schon mehrfach behauptet.

Binnen 24 Stunden will Trump den Ukrainekrieg beenden – zumindest hat er das schon mehrfach behauptet.

Mit Erpressung will Trumps künftiger Ukraine-Beauftragter Kellogg die Gegner an einen Tisch zwingen. Doch lässt sich ein Putin, der sich auf der Zielgeraden wähnt, wirklich einhegen? Diese Aufgabe könnte auf Europa zukommen und bisherige Dimensionen sprengen.

Ein Deal, ganz nach Donald Trumps Geschmack? Schon vor Monaten hat der ehemalige General Keith Kellogg, der in der künftigen US-Regierung für den Ukrainekrieg "zuständig" sein soll, dem inzwischen gewählten US-Präsidenten ein Konzept zur Beendigung des Ukrainekriegs vorgestellt. Damit soll Trump die beiden gegnerischen Seiten zunächst mal an den Verhandlungstisch zwingen können: Die Ukraine muss einwilligen, weil ihr ansonsten die weitere Unterstützung gestrichen wird. Der Kreml muss zustimmen, weil bei Weigerung die USA die Militärhilfe für Kiew drastisch aufstocken würden. "Alles, was sie brauchen, um Euch auf dem Schlachtfeld zu töten", umriss Militärmann Kellogg die möglichen Dimensionen in einem Reuters-Interview im Sommer.

Die Einigung, auf die der Prozess abzielt: Die Frontlinie würde eingefroren, jegliche Kampfhandlung gestoppt. Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wäre für die kommenden Dekaden vom Tisch und einige der US-Sanktionen gegen Russland könnten gelockert werden.

Den Krieg in 24 Stunden beenden

"Zusammen werden wir Frieden durch Stärke sichern und Amerika und die Welt wieder sicher machen", schrieb Trump zur Vorstellung Kelloggs auf Social Media. "Frieden durch Stärke" – das ist ein Slogan, der auch in der Ukraine benutzt wird. Er bezieht sich darauf, dass man den Aggressor Russland nur zu Rückzug und Einlenken bewegen könne, wenn er keine Chance mehr sieht, gegen die Ukraine seine Kriegsziele durchzusetzen. Klingt zunächst einmal so, als solle die Ukraine aus US-Sicht zumindest nicht gleich unter dem Bus landen.

Trump hatte mehrfach angekündigt, den Ukrainekrieg binnen 24 Stunden zu beenden und das womöglich noch vor seiner Vereidigung. Der Deal, darauf fußend, beide Seiten zu erpressen – er klingt so brachial wie simpel. Er winkt mit der kurzfristigen Erfolgsaussicht auf ein Ende der Frontkämpfe, ein Ende der Raketeneinschläge in Kliniken, Wohnhäusern, Einkaufszentren. Ein Ende des sichtbaren Leidens, das man im Westen nach bald drei Jahren zunehmend müde ist zu betrachten.

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Die Betonung liegt hier auf dem "sichtbaren" Leiden, das enden würde. Denn die Einigung, so sie zustande käme, würde Russland die Kontrolle über das gesamte bis dahin eroberte Gebiet überlassen. Was aus besetzten Ortschaften nach draußen dringt, zeugt von brutaler Willkürherrschaft der Besatzer, von Druck auf die Bevölkerung, Folter, von Menschen, die einfach verschwinden. Die Unterdrückten im eroberten Donbass – sie hätten keinen Grund mehr für Zuversicht.

Ein großes Risiko jedoch, das ein solcher Deal in sich birgt, wäre sein Fokus auf die Gegenwart, auf den Moment, auf ein Ergebnis, dass der gewählte US-Präsident bei seiner Anhängerschaft vorweisen könnte. Die Frage, die in Trumps Augen bislang eine untergeordnete, wenn denn überhaupt eine Rolle spielt: Wie kann die Ukraine darauf vertrauen, dass das Ende der Kämpfe von Dauer wäre? Und was würde passieren, könnte sie das nicht?

David gegen Goliath – das schafft die Ukraine kein zweites Mal

Denn eines macht die seit vielen Monaten verzweifelte militärische Lage der Ukraine klar: Ein zweites Mal wird sie die ungeheuren Kräfte nicht aufbringen können, die David braucht, um gegen Goliath zu bestehen. Schon gar nicht gegen einen Goliath, der über seine Nachschubwege aus dem Iran, aus China und Nordkorea mit Kriegsmaterial satt und aus Pjöngjang sogar mit Kämpfern beliefert wird.

Gelingt es nicht, die Ukraine nach dem Krieg zu einem sicheren Ort mit wirtschaftlicher Perspektive zu machen, dann rechnen viele Experten mit einer großen Fluchtbewegung Richtung Westen. In diesem Strom werden viele junge Männer im wehrfähigen Alter mitziehen, denn das Kriegsrecht wäre aufgehoben, sie könnten das Land verlassen. Sollte es Russlands Präsident Wladimir Putin gelingen, in einigen Jahren einen erneuten Angriff auf Kiew zu starten, dann wird die freie Ukraine Geschichte sein und die russische Einflusszone beginnt direkt an der Grenze zu Polen.

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Wie aber ließe sich der von beiden Seiten nicht aus Überzeugung, sondern nur unter Zwang abgeschlossene Waffenstillstand absichern? So sehr Donald Trump das kurzfristige Ergebnis von Kelloggs Deal gefallen könnte – dessen Plan zur Frage, wie das Ergebnis anschließend manifestiert werden könnte, klingt nicht wie eine Lösung nach Trumps Geschmack. "Die Vereinigten Staaten würden die Ukraine weiterhin aufrüsten und ihre Verteidigung stärken", hieß es im April in einem Papier, das Kellogg für den Thinktank America First Policy Institute mitentworfen hat. Damit will er "sicherstellen, dass Russland keine weiteren Vorstöße unternimmt und nach einem Waffenstillstand oder einem Friedensabkommen nicht erneut angreift", so heißt es dort.

"Aufrüsten und Verteidigung stärken" – das würde ein langfristiges, verlässliches Engagement der USA im Ukraine-Konflikt erfordern. Langfristig und verlässlich – keine Attribute für die Politik, die Trump von 2017 bis 2021 verfolgt hat und ab dem 20. Januar 2025 zu verfolgen ankündigt. Hinzu kommt, dass ein solches Engagement, soll es russische Angriffs-Ambitionen wirklich unterm Deckel halten, enorm aufwändig wäre und teuer. Dieser Teil des Kellogg-Plans – die langfristige Absicherung, wenn die Welt schon nicht mehr hinschaut – kann nicht gut klingen in den Ohren eines US-Präsidenten, der von Haus aus dem kurzfristigen eigenen Vorteil alles unterordnet. Und auch handfeste sicherheitspolitische Erwägungen sprechen aus US-Sicht gegen ein langfristig starkes Engagement in Osteuropa. Der Fokus liegt auf dem Indopazifik, der Nahe Osten kommt kaum zur Ruhe und die Kapazitäten sind begrenzt.

Sollen sich die Europäer kümmern

Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass nach Abschluss eines Deals der Wachhund-Job, der in der Pufferzone entlang der Frontlinie die Ukraine vor neuerlichen Angriffen absichert, auf die EU-Staaten zukommen würde, wie in den vergangenen Wochen immer mal durchklang. Nur folgerichtig aus Sicht Donald Trumps: Es geht um Frieden in Europa – sollen sich die Europäer kümmern. Und hätte er damit nicht auch irgendwo recht?

Aber wie könnte und müsste das aussehen? "Die russischen Truppen haben im Frühling etwa 620.000 Mann, 3400 Kampfpanzer, 5000 Artilleriegeschütze sowie 7000 Schützen- und Mannschaftstransportpanzer in der Ukraine stehen gehabt", bilanziert der österreichische Militärexperte Gustav Gressel für ntv.de. "Nur um zu vergleichen, was man abwehren müsste."

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Zwar hat die russische Armee in den letzten Monaten unzählige Sturmtrupps geradewegs ins Messer laufen lassen und ihren Erfolg unter immensen Verlusten an Mensch und Material errungen. "Aber Russland könnte nach einem Waffenstillstand seine Lager mit nordkoreanischer oder chinesischer Hilfe auch schneller wieder füllen", schätzt Gressel.

Dass die Gefahr weiterer Angriffe von russischer Seite auch nach der Unterzeichnung eines Deals realistisch ist, lehren die vergangenen Jahre. 2015 wurde das Minsker Abkommen unterzeichnet. Es dauerte danach keine Woche, bis russische Truppen die nächste Stadt im Donbass in Besitz nahmen. Zwischen der Unterzeichnung des Abkommens 2015 und dem Beginn von Putins Vollinvasion sieben Jahre später kam die Demarkationslinie zwischen der Ukraine und Russland nicht einen Tag zur Ruhe.

300.000 Mann Untergrenze

Um eine Pufferzone effektiv gegen russische Truppen verteidigen zu können, sähe Gressel "300.000 Mann als Untergrenze an, um nicht in eine zu starke Unterlegenheit im Vergleich zu Russland zu kommen. Die gesamte NATO Response Force (NRF) ist so stark, und es ist nicht sicher, ob wir die unter den europäischen Alliierten überhaupt zustande bekommen."

Zum Vergleich: Die KFOR-Truppe, mit der die NATO Ende der 1990er den Waffenstillstand und die militärische Sicherheit im Kosovo absicherte, umfasste 50.000 Streitkräfte. Damals hieß der Gegner Slobodan Milosevic und seine militärische Kraft umfasste ein Bruchteil dessen, womit Putin heute hantiert. Die Bundeswehr wiederum ist heute mit dem Einsetzen einer dauerhaften Brigade in Litauen hinreichend herausgefordert. Brigade heißt: 3000 Streitkräfte und Material. Ein Hundertstel dessen, was Europa laut Gressel in die Pufferzone stellen müsste.

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Hinzu käme die Logistik: Die meisten Stellungen der drei ukrainischen Verteidigungslinien lägen vermutlich außerhalb der Pufferzone und sind vielfach zerstört. Derzeit können Kiews Truppen im Rückzug häufig nur noch Kellerräume in kaputtgeschossenen Ortschaften beziehen. Eine europäische Friedenstruppe müsste ihre Stellungen weitgehend neu ausheben und aufbauen.

Eine Mammut-Aufgabe. Keine Blaupause, die dafür existiert. Ob die europäischen Nationen sie gemeinsam stemmen würden gegen einen Putin, der sich durch Erpressung ausgebremst fühlt, sich aber eigentlich stark genug wähnt, um bis Kiew durchzumarschieren? Das scheint eine sehr offene Frage. Mit Blick auf Kiews Ausrüstung mit Waffen und Munition hat sich Europa als Schutzmacht nicht empfohlen. Die Balten und Skandinavier halfen mit Engagement und Nachdruck, der Westen und Süden Europas zurückhaltender – die Entfernung macht den Unterschied.

Frankreich und Deutschland haben es nicht geschafft, im Gefüge der EU die Führung zu übernehmen. Eine kühle Kalkulation – was braucht die Ukraine und wie können wir das liefern – kam bis heute nicht zustande, sondern eingesammelt wurde, was die Mitgliedstaaten übrighatten. Im Ergebnis kommt aus der EU zu wenig, zu spät – seit zweieinhalb Jahren. Entsprechend riskant wäre der Deal, der in den Köpfen von Kellogg und Trump dieser Tage womöglich Gestalt annimmt.

Quelle: ntv.de

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