Elsässers “Compact” verboten: “Harter Schlag” gegen den Unternehmer des Untergangs
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Elsässer ist eine maßgebliche Figur des rechtsextremen Szene in Deutschland.
Das Bundesinnenministerium ist stolz, Björn Höcke gibt sich entsetzt. Das "Compact"-Magazin von Jürgen Elsässer wird verboten. Der frühere Linke Elsässer ist ein maßgeblicher Akteur der rechtsextremen Szene, der für die AfD verlässlich das Vorfeld pflügt. Das "Compact"-Verbot kommt nicht ohne Risiken.
Im Schlafrock öffnet Jürgen Elsässer im Morgengrauen die Tür. Eine Handvoll Polizisten eines Mobilen Einsatzkommandos vor seinem Haus im brandenburgischen Falkensee. Die Bundesregierung hat den 67-Jährigen als den Staatsfeind anerkennt, als der er sich schon lange geriert. Das von ihm herausgegebene "Compact"-Magazin wird verboten, genauer gesagt die "COMPACT-Magazin GmbH" sowie die "CONSPECT FILM GmbH". Für das anstehende Gerichtsverfahren sichern die Beamten Beweismittel bei Hausdurchsuchungen in Brandenburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser feiert sich in einer Pressemitteilung für seinen "harten Schlag gegen die rechtsextremistische Szene". Diese dagegen schäumt vor Wut und sieht sich darin bestätigt, dass in Deutschland missliebige Meinungen einfach verboten werden. Unter den Empörten sind nicht zufällig zahlreiche AfD-Funktionäre.

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"Compact" hat sich in den vergangenen Jahren als Haus-und-Hof-Blatt derjenigen entwickelt, die sich längst in einer von CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP geführten Diktatur wähnen. Elsässers Blatt trommelt seit Jahren für die AfD und ist eines der zahlreichen Scharniere zwischen der Partei und der militant-rechtsextremistischen Szene. Der Herausgeber selbst spielt dabei eine nicht leicht zu durchschauende Rolle zwischen Unternehmer in eigener Sache und von Narzissmus getriebenem Politaktivisten. Dabei fasziniert Elsässer – früher Lehrer, seit den 90ern Publizist – auch kritische Beobachter der rechten Szene seit Jahren. Bestätigt der zum Rechtsextremismus gewechselte frühere Linksaußen Elsässer doch vermeintlich die Hufeisentheorie, wonach extrem linke und extrem rechte Positionen einander näher sind als der politischen Mitte.
Russland-Münze und Weidel als Pin-up
"Wie ein Linker zum Patrioten wurde" heißt Elsässers politische Autobiografie, die er 2022 veröffentlichte, natürlich im eigenen Compact-Verlag. Der Zeitpunkt ist kein Zufall: Nachdem Elsässer am politischen Rand in Deutschland seit Jahrzehnten eine feste Größe ist, hat er sich erst in den Jahren der vielen Flüchtlingsankünfte, 2015 und 2016, und schließlich während der Corona-Pandemie ganz neue Kreise erschlossen. Er wanzte sich an die "Querdenken"-Bewegung heran, trat auf Demonstrationen gegen Pandemie-Maßnahmen auf. "Compact" bestätigte die Erzählungen von der großen Verschwörung von "denen da oben", von der Pandemie als großer Erfindung. Von da war es nur noch ein kleiner Schritt für Leser des Magazins hin zu den antisemitischen und rassistischen Positionen des Blattes.

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Ähnlich lief es nach Russlands Angriff auf die Ukraine, auf den "Compact" einen ganz gegensätzlichen Blick wirft. Erst vor wenigen Tagen gab "Compact" eine Silbermünze heraus, die die deutsch-russische Freundschaft feiert. Die Prägung kostet deutlich mehr als ihr Silber wert ist. So hat es "Compact" schon mit der Björn-Höcke-Münze und anderen Margen-trächtigen Sonderprägungen gemacht: Der "Compact"-Shop ist umtriebig mit Devotionalien für alle, die ihr neurechtes Denken nach außen tragen oder zumindest im Privaten feiern wollen. Da gibt es dann auch schon mal ein Pin-Up-Poster mit der AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel im Bikini am Strand zu bestellen.
Der Traum von der Querfront
Überhaupt: Weidel und Höcke. Die AfD-Chefin gab "Compact" kurz vor dem Verbot ein Interview, das nun wohl nicht mehr erscheinen wird. Auf der Plattform X erklärte sie nach dem Verbotserlass, "dass es grundsätzlich ein ungutes Zeichen ist, wenn der Staat einzelne Presseorgane verbieten lässt". Höcke ging gleich mehrere Schritte weiter. Von einem "Anschlag auf die Pressefreiheit" schreibt der Thüringer AfD-Chef. "Der Angriff auf Jürgen Elsässer soll uns alle treffen. Wenn sich diese Methoden in seinem Fall als erfolgreich erweisen, ist ein freier Journalismus in Deutschland nicht mehr möglich." Er lobt, Elsässer habe aus seiner Zeit als Linker "die Wagenburgmentalität einer 'revolutionären' Gemeinschaft in das Rechte Lager mitgebracht". Rechten Aktivisten, die wegen ihrer Gesinnung ihre Arbeit verloren hätten, habe Elsässer ein neues Einkommen verschafft.

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Elsässers Gedankengut, sein Traum von einer Querfront rechts- und linksradikaler Bewegungen ist von erstaunlicher Aktualität. In den neuen Ländern kamen bei den Europawahlen die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zusammen auf mehr als 40 Prozent der Stimmen. Eine gemeinsame Mehrheit ist theoretisch in Reichweite, auch wenn Teile des BSW sich deutlich von der AfD distanziert haben. Elsässer hatte 1996 gar ein gemeinsames Buch mit Wagenknecht veröffentlicht, bevor er sich nach der Jahrtausendwende der extremen Rechten zuwandte. Sein politischer Weg ist dabei kein Einzelfall. Erinnert sei hier an Horst Mahler, ein früherer RAF-Verteidiger und Wegbegleiter des späteren Bundesinnenministers Otto Schily, der sich schließlich der NPD zuwandte und als Holocaust-Leugner im Gefängnis landete.
Deutschland, das Opfer
Die ideologischen Schnittpunkte Elsässers zur extremen Linken sind mannigfaltig: "Compact" ist anti-amerikanisch und pro-russisch. Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa durfte Compact TV in der vergangene Woche eineinhalb Stunden die Kreml-Sicht darlegen. "Compact" stellt sich mit einem antisemitischen Unterton gegen die Globalisierung. Auch bei den Demonstrationen gegen Israels Gaza-Krieg taucht Elsässer im Palästinenser-Schal auf. Da steht er dann Seite an Seite mit Hamas-Verharmlosern, während "Compact" regelmäßig vor einer Islamisierung Deutschlands und einem 'von oben' geplanten Bevölkerungsaustausch warnt. Menschen aus arabischen und afrikanischen Ländern sollen angeblich gezielt die weißen Europäer ersetzen, allen voran die Deutschen.

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Wie sehr den Deutschen angeblich schon immer Unrecht angetan wurde, ist dann in "Compact"-Sonderausgaben zu erfahren, die etwa das deutsche Afrikakorps würdigen, die in Nordafrika kämpfende Wehrmachtstruppe. Wie in allen nationalistischen Bewegungen weltweit wird das eigene Volk vor allem als Opfer dargestellt – als Opfer von kriminellen und islamistischen Einwanderern, von klimabewegten und wirtschaftsfeindlichen Grünen, vom Holocaust-Gedenken, von amerikanischen Besatzern. Die "Ami go home!"-Flagge ist ausweislich der vielen Sichtungen auf diversen rechten Demonstrationen ein echter Verkaufsschlager des "Compact"-Shops.
Grundtenor ist immer: Den Deutschen droht der Untergang. Diese Drohung ist Elsässers wichtigstes Verkaufsargument für "Compact". Es ist eine 180-Grad-Wendung in Elsässers Weltsicht, nachdem er Anfang der 90er noch ein sogenannter "Anti-Deutscher" war – eine linksradikale Strömung, die in einem wiedererstarkenden Deutschland alles Übel der Welt sah. Konstant ist die Radikalität. Der im Frühjahr vorgestellte Verfassungsschutzbericht zitiert Elsässer wie folgt: "Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägearbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes."
Die "Spinne im Netz"
Mit eigentlich widersprüchlichen Positionen ist es Elsässer gelungen, via "Compact" eine große Bandbreite von Menschen zu erreichen und so für rechtsextremistische Positionen zu gewinnen. "Es ist ein Medium, das verschiedene Strömungen des Rechtsextremismus und verschiedener Verschwörungstheorien miteinander vereint", sagt der Rechtsextremismusforscher Maik Fielitz im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Elsässer sei "ein bisschen die Spinne im Netz mit seinem Magazin".

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Wie dicht dieses gewebt ist, zeigt auch die Werbung der extremistischen Akteure füreinander. Höckes Spiritus Rector, Götz Kubitschek, bot etwa im eigenen Antaios Verlag das "Compact Spezial" namens "Volksaustausch. Sterben die Deutschen aus?" oder "Compact Geschichte: Geschichtslügen gegen Deutschland" an. Die mit Kubitschek und der AfD personell verknüpfte Plattform Einprozent vertrieb ihre Produkte wiederum über den Onlineshop von "Compact". Faesers "Compact"-Verbot über den Weg des Vereinsrechts zielt ins Mark der rechtsextremen Bewegung. Kubitschek hatte den Trägerverein seines Instituts für Staatspolitik sicherheitshalber schon vor Wochen aufgelöst.
Der juristische Weg, den Faesers Ministerium gewählt hat, ist nicht ohne Hürden – und Fallhöhe. Schließlich verbietet die Bundesregierung tatsächlich ein Presseorgan, Hetzblatt hin oder her. Der Erfolg oder Misserfolg des Verbots wird entscheidend definieren, wie weit die Pressefreiheit in Deutschland geht und wie viel Meinungsfreiheit die deutsche Demokratie hinnehmen muss. Würde das Bundesinnenministerium richterlich zurückgepfiffen, wäre die Ampelregierung blamiert – und "Compact" schlagartig rehabilitiert.
Quelle: ntv.de