Netanjahu widerspricht: Israels Armeesprecher: “Können Hamas nicht vollständig zerstören”
Politik

Nach dem 7. Oktober rücken Israels Streitkräfte mit zwei Zielen in den Gazastreifen ein: die Befreiung der Geiseln und die Eliminierung der Hamas. Acht Monate später äußert Armeesprecher Hagari Zweifel, ob sich die Vorhaben verwirklichen lassen.
Armeesprecher Daniel Hagari hat das Versprechen der israelischen Regierung in Frage gestellt, die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas vollständig zu zerstören. "Die Hamas ist eine Idee, sie ist eine Partei. Sie ist in den Herzen der Menschen verwurzelt. Wer glaubt, wir könnten die Hamas ausschalten, irrt sich", sagte Hagari dem Sender Channel 13. "Zu sagen, dass wir dafür sorgen, dass die Hamas verschwindet, bedeutet, den Menschen Sand in die Augen zu streuen."

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Isr ael muss sich aus Hagaris Sicht Gedanken machen, was im Gazastreifen nach der Hamas kommen soll: "Wenn wir keine Alternative bieten, werden wir im Endeffekt die Hamas haben", sagte der israelische Armeesprecher.
Das Büro des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu, der den Gaza-Krieg nach eigener Aussage bis zu einer vollständigen Niederlage der Hamas führen will, wies die Äußerungen umgehend zurück. "Das von Ministerpräsident Netanjahu geführte politische Kabinett und das Sicherheitskabinett haben als eines der Ziele des Kriegs die Zerstörung der militärischen und Regierungskapazitäten der Hamas festgelegt", hieß es in der Mitteilung. Die israelische Armee sei diesem Ziel "natürlich verpflichtet". Das Militär betonte daraufhin in einer Erklärung bei Telegram, dass sich Hagaris Äußerungen auf die "Ideologie" der Hamas bezogen hätten.
Von Sieg über Hamas noch weit entfernt
Netanjahu hat bislang keinen Plan für Verwaltung und Wiederaufbau des Gazastreifens nach einer Beendigung des Kriegs vorgelegt – und auch keine Exit-Strategie. Vor knapp einem Monat berichtete "Politico" unter Berufung auf US-Geheimdienstinformationen, dass etwa ein Drittel der Hamas-Kämpfer, die schon vorm 7. Oktober aktiv waren, getötet worden seien. Gleichzeitig habe die Terrororganisation aber im Lauf des Krieges aber Tausende neue Kämpfer rekrutieren können. Auch seien 65 Prozent der Tunnel unter dem Gazastreifen noch intakt.
Unter diesen Umständen will die Israelische Regierung die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen keinesfalls aufgeben. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Verwaltung unter Palästinensischer Führung. Netanjahus ultrarechte Koalitionspartner, von denen sein politisches Überleben abhängt, verfolgen ohnehin eigene Ziele und befürworten einen israelischen Siedlungsbau im Gazastreifen.
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Zuletzt kamen aus der Armee vermehrt Klagen über eine fehlende politische Strategie für die Zeit nach dem Krieg. Ex-General Benny Gantz hatte kürzlich das Kriegskabinett verlassen, weil die Regierung keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeitet.
Militärsprecher Hagari warnte in dem Interview weiter, es sei nicht möglich, alle im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln durch Armeeeinsätze zu befreien. Seit Monaten laufen Bemühungen, durch indirekte Verhandlungen Israel zu einer Waffenruhe im Gazastreifen und die Hamas zur Freilassung israelischer Geiseln zu bewegen. Einem Vorschlag der US-Regierung, wie beide Ziele schrittweise zu erreichen wären, hat die Hamas nicht zugestimmt. Israels Regierung ließ ihre Haltung zu dem Plan offen.
Quelle: ntv.de, ino/AFP/dpa