Mittelklasse-Stromer im Test: Welcher darf’s sein – VW ID.7 oder Hyundai Ioniq 5?
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Sowohl der Volkswagen ID.7 als auch der Hyundai Ioniq 5 verströmen einen Hauch von Hightech mit ihren futuristisch anmutenden LED-Lichtsignaturen.
Die Mittelklasse bildet eine der Säulen des deutschen Automarkts. Entsprechend wichtig ist das Segment für die E-Mobilität. ntv.de wirft einen Blick auf zwei völlig unterschiedliche Konzepte dieser Kategorie.
Die Elektromobilität wird bekanntermaßen von zwei großen Haken begleitet, die sich, obwohl nicht uneingeschränkt zutreffend, zum hartnäckigen Klischee entwickelt haben. Häufig ist die Rede von der Unbezahlbarkeit – und dann schwirrt da noch die Reichweitenangst im Raum herum.

Typisch Hyundai: Die LED-Pixel-Heckleuchten im Retrolook sehen cool aus.
(Foto: Hyundai)
Da es hier und heute um die Mittelklasse geht, muss auch klar sein, dass es sich bei den besprochenen Kandidaten Hyundai Ioniq 5 sowie Volkswagen ID.7 generell nicht um die günstigsten Neuwagen auf dem Markt handeln kann. Denn mit 4,64 (Ioniq 5) respektive 4,96 Meter (ID.7) Außenlänge sind beide Vehikel recht große Fahrzeuge und entsprechende Allrounder, wobei der Hyundai eher am unteren und der Volkswagen eher am oberen Rand dieser Kategorie rangiert.
Ironischerweise weist der deutlich kürzere Koreaner mit satten drei Metern den größeren Radstand auf als der Wolfsburger (2,97 Meter) und bietet damit ebenfalls mächtig Platz in der zweiten Reihe. Mit mehreren Personen in den Urlaub fahren? In beiden Fällen kein Problem.

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Doch Moment, dieser Punkt könnte durchaus problembehaftet sein. Aber jetzt wird erst einmal in die Preisliste geschaut. Wer den Basis-Ioniq mit der Kennzahl Fünf ordert (so wie auch der Testwagen), muss wenigstens 43.900 Euro berappen. Wobei an dieser Stelle auch gesagt sei, dass der Listenpreis nicht zwingend ausschlaggebend ist, da heutzutage meist geleast oder oft finanziert wird.
Das Grundmodell bietet einen 58 kWh großen Akku mit einer Peak-Ladeleistung von 180 kW. Das ist spannend, da der Hyundai mit 800 Volt operiert, während der auf Volkswagens modularem Elektrobaukasten basierende ID.7 bei einem 400-Volt-Bordnetz 175 kW Peak-Ladeleistung aufbringt.
Lange Reisen auch mit Stromern machbar
Ioniq-5-Interessenten, die häufiger längere Strecken zurücklegen, und darunter zählen durchaus auch Wochenendausflüge, sollten 4000 Euro in die Version mit 77 KWh-Batterie investieren – dann beträgt die Ladeleistung in der Spitze 240 kW, ein klarer Vorteil gegenüber dem ID.7, der übrigens nicht unter 50.425 Euro zu haben ist.

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Somit ist das Thema mit langen Reiseaktivitäten schon ein Punkt, den man beim Kauf beachten sollte. Ein noch nicht gelöstes Problem bei der Elektromobilität ist, das Ladetempo nicht reproduzieren zu können. Mal liegt es an der Batterietemperatur, mal am regionalen Stromnetz.
Die Volkswagen-Ingenieure haben sich jedenfalls alle Mühe gegeben, möglichst viel Transparenz zu schaffen. So lässt sich zumindest die fahrzeugseitig aktuell mögliche Ladeleistung im Display anzeigen. Und auf dem großen Screen lässt sich außerdem ablesen, wie lange es eigentlich dauert, bis die manuell aktivierbare Akkuheizung die Batterie auf die richtige Temperatur gebracht hat. Bei 14 Grad Außentemperatur können das beispielsweise mehr als 20 Minuten sein. Gut zu wissen. Immerhin hat der ID.7 im Test rund 250 Kilometer Reichweite draufgesattelt, allerdings bei milden Wetterverhältnissen.

Im Gegensatz zum VW ID.7 hält der Hyundai Ioniq 5 auch noch physische Tasten in der Mittelkonsole bereit. Die aufpreispflichtigen Kameras statt Außenspiegel können irritieren.
(Foto: Hyundai)
Ein Wert, den der Ioniq 5 mit kleinem Akku nicht immer geschafft hat – vor allem bei Kälte ist daran nicht zu denken. Da können es auch mal bloß 150 Kilometer sein binnen 20 Minuten. Diverse Varianten der Konzernplattform E-GMP (Genesis, Hyundai und Kia) mit großem Akku haben allerdings in diversen Tests ihre hervorragende Ladeperformance unter Beweis gestellt und erlauben, einen nahezu leeren Stromspeicher innerhalb von rund 20 Minuten auf 80 Prozent Ladestand zu bringen.
Menüführung eine Frage der Übung
Wer mit dem Laden keine Berührungsängste hat (und es gibt mittlerweile wahrlich genug Schnellladestationen in Deutschland und den angrenzenden Ländern), darf sich den feinen Eigenschaften dieser Mittelklasse-Stromer zuwenden.

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Beide Offerten verfügen über tolle Sitzgelegenheiten, wobei die aufpreispflichtigen "ErgoActive"-Sitze des ID.7 mit verbesserter Massagefunktion im Segment schon herausragen. Volkswagen liegt offenbar der Komfort besonders am Herzen, was auch die betont geschmeidige Abstimmung der Feder-Dämpfer-Einheit erklärt. Bezeichnend ist, dass man per virtuellem Schieberegler gleich ein ganzes Spektrum an Dämpfer-Kennlinien einstellen kann. Geschieht übrigens im etwas verspielten ID.7-Menü, das sich vor allem durch bunte Farben und eine durchaus intuitive Bedienung auszeichnet.
Zu kritisieren – als irgendwie undefinierte Kontaktflächen – sind die weiterhin verwendeten Lenkrad-Tasten- in Baureihen wie Golf, Passat und Tiguan ist dies bereits überwunden.

Dank drei Meter Radstand bietet der Ioniq 5 Platz en masse im Fond.
(Foto: Hyundai)
Der Ioniq 5 ist dagegen weniger verspielt, aber keineswegs weniger reich an Menüs. In beiden Fällen muss man sich durchprobieren, Übung macht den Meister.
170 PS reichen
Antriebsseitig stehen einige Möglichkeiten offen, aber ntv.de bleibt bodenständig. Zumindest beim Ioniq 5. Demnach müssen hier und heute 170 PS reichen und tun es auch. Ganz ehrlich? Die Basis mit hinten angetriebener Achse reicht völlig aus. Klar, es wollen mehr als 1,9 Tonnen bewegt werden, aber früh anliegende 350 Newtonmeter an Drehmoment und bloß eine einzige Übersetzung (keine Zugkraftunterbrechung) helfen beim Vorankommen. Bloß 8,5 Sekunden reichen für den Sprint auf 100 km/h.

Der Volkswagen ID.7 sieht recht konventionell aus. Die LED-Rückleuchten haben es allerdings in sich.
(Foto: Volkswagen)
Den ID.7 gibt es aktuell gar nicht unter 286 PS, daher bewegt er sich ein ganzes Eckchen flinker von der Stelle. Er ist allerdings auch rund 200 Kilogramm schwerer als der Ioniq 5 (mehr Akkukapazität), was den Effekt der Mehrleistung ein wenig einbremst. Dennoch geht es in sportiven 6,5 Sekunden auf 100 km/h.
Maximal 185 km/h
Wie fühlen sich 545 Newtonmeter an der Hinterachse überhaupt an? Jedenfalls animiert der Niedersachse kaum dazu, ihn mit Lenkwinkel und Volllast um die Kurve zu wuchten – das kann man später mal mit einem ID.3 GTX ausprobieren. Beide Stromer sind übrigens keine Highspeed-Kandidaten und fahren bloß 180 km/h (Volkswagen) beziehungsweise 185 km/h (Hyundai).

Im Innern des ID.7 dominiert der große Monitor. Fancy sind die hintergrundbeleuchteten Dekorelemente.
(Foto: Volkswagen)
Es gibt allerdings dennoch einen guten Grund, warum Ioniq-5-Käufer in der Praxis dann doch eher 229 als 170 PS wählen sollten – der große Akku ist in Verbindung mit der kleinen Maschine schlicht nicht verfügbar. Und 384 werksangegebene WLTP-Kilometer sind in der Praxis eben wenig. Zumal bei niedrigen Temperaturen kaum 300 Kilometer auf der Uhr stehen.
Auch der ID.7 schafft unter Realbedingungen nicht immer den optimalen Wert aus der kommunizierten Werksangabe. So büßt er auf der Bordcomputer-Anzeige locker 100 Kilometer ein – er zeigt statt 621 bloß 491 Kilometer an – bei vollgeladener Batterie. Auf solche Erlebnisse müssen sich Elektroautofahrer einstellen.
In Deutschland beliebter: der Kombi
Interessant ist, dass Volkswagen es hierzulande mit einer klassischen Limousine probiert, da der deutlich beliebtere Kombi doch schon in der Pipeline ist. Es ist bloß eine optische Sache, denn praxistauglich ist der Viertürer sehr wohl. So lassen sich die hinteren Sitzlehnen geteilt umlegen, um das Kofferraumvolumen auf 1586 Liter zu steigern.

Auch als Limousine ist der ID.7 praktisch. Sein Kofferraum schluckt Gepäck von knapp 1600 Litern, sofern die Rücksitzlehnen umgeklappt werden.
(Foto: Volkswagen)
Mit 1587 Litern bietet der Ioniq 5 mit seinem in Deutschland beliebteren Steilheck-Konzept übrigens bis auf einen einzigen Liter das gleiche Gepäckraumvolumen. Hier schenken sich die beiden nichts.
Fazit
Am Ende also alles nur Geschmacksache? Kann man so sagen, schließlich bieten beide Kandidaten dem Auge schon ein spezielles Erscheinungsbild. Hyundai bedient schon seit Jahren die Retro-Sehnsucht der Menschen und hat sich mit den markanten Pixel-LED-Rückleuchten (gibt es auch bei anderen Modellen der Marke) einen Namen gemacht. Sie erinnern unweigerlich daran, wie man sich in den 80er Jahren die Zukunft vorgestellt hat.
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Solche Pixel gibt es bei den Volkswagen-Rückleuchten nicht, aber sie beherrschen diverse Verabschiedungs-Choreografien sowie dynamisierte Blinker. Noch ein paar weitere Schmankerl gefällig? Spannend ist das große Panoramadach mit der Möglichkeit, es per Knopfdruck dunkel zu schalten. Elektrisch angeregte Flüssigkristalle machen so etwas möglich.
Bunt kann übrigens auch der Ioniq 5 – immerhin mit 64 verschiedenen Ambiente-Beleuchtungsfarben. Der ID.7 ist hier wieder fancy und erfreut das Auge mit hintergrundbeleuchteten Dekorelementen. Für welchen der völlig unterschiedlichen Mittelklasse-Stromer man sich auch entscheiden mag – individuell sind sie auf ihre Art beide. Und komfortabel. Und langstreckentauglich. Um die eine oder andere Ladepause kommt man allerdings kaum herum. Doch echte Schwächen leisten sich beide nicht.
Quelle: ntv.de