News: Emmanuel Macron, Joe Biden, Dalai Lama
Macron auf Distanz zu den USA
Interviews, die Spitzenpolitiker in Flugzeugen geben, sorgen immer wieder für ziemlich viel Wirbel. Wie das passieren kann, ist schwer zu sagen. Vielleicht liegt es an der seltsamen Filterluft in der Kabine, am Schlafmangel oder an den vielen neuen Eindrücken, die auf Reisen gesammelt werden. Fest steht: Politikerinnen und Politiker sagen über den Wolken gegenüber Presseleuten manchmal Dinge in einer Deutlichkeit, die sie so am Boden vielleicht nicht sagen würden.
Aufregung gibt es nun über Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der auf der Rückreise aus China, gegenüber Journalisten eine recht distanzierte Haltung zu den USA hat erkennen lassen. Speziell machte er deutlich, Europa solle aufpassen, dass es im Taiwan-Konflikt zwischen Peking und Washington nicht wie ein »Vasall« der Amerikaner erscheine. Europa sollte als dritte Macht in der Weltordnung neben China und den USA seine eigene Rolle finden, so Macron.
Scharfe Kritik an Macron kommt deshalb von unterschiedlichen Seiten. Manch einer findet sogar, er sei völlig von Sinnen. Unter anderem wird ihm nun von Transatlantikern – auch in Deutschland – vorgeworfen, er wolle sich bei Chinas Präsident Xi Jinping einschmeicheln und unterlaufe mit seinen Kommentaren die Bemühungen des Westens, Peking von einer Invasion Taiwans abzuhalten. Es wird vor »Appeasement« gegenüber China gewarnt. Da ist etwas dran. Vielleicht hat sich Macron tatsächlich über den Wolken etwas verlabert.
Andererseits könnte man die Aufregung aber auch ein wenig übertrieben finden. Macron hat nicht generell die Freundschaft zu den USA aufgekündigt. Es ist zudem nicht besonders überraschend, dass ein französischer Präsident die strategische Unabhängigkeit Frankreichs und damit auch Europas von den USA betont.
Diese Haltung ist alt und in Frankreich populär. Auch Charles de Gaulle und François Mitterrand wären vermutlich gleichermaßen zufrieden mit dem heutigen Bewohner des Élysée-Palastes. Es stellt sich deshalb die Frage, bei wem sich Macron mit solchen antiamerikanischen Bemerkungen eigentlich eher hofft, einschmeicheln zu können: Bei Xi Jinping oder bei den eigenen Landsleuten, die derzeit gegen ihn wegen seiner Rentenreform auf die Barrikaden gehen? Vermutlich ist Letzteres der Fall.
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»Von allen guten Geistern verlassen«: Deutsche Politiker üben scharfe Kritik an Macrons China-Aussagen
Suche nach Verantwortlichen für Pentagon-Leak
In der US-Hauptstadt Washington sorgt das »Leak« amerikanischer Militärpapiere zum Ukrainekrieg weiter für Aufregung. Seit Tagen tauchen im Netz – unter anderem bei Twitter – Dutzende Geheimpapiere auf, die wohl zumindest zum Teil aus dem Pentagon stammen sollen. Unter anderem geht es in den Dokumenten um Daten und Einschätzungen der US-Seite zum aktuellen Verlauf des Krieges in der Ukraine. Auch soll teilweise zu erkennen sein, mit welchen Methoden die US-Geheimdienste die Informationen gesammelt haben und wer die Quellen sein könnten.
Was oder wer genau hinter der Durchstecherei steckt, ist nicht klar. Aber alle Papiere, die nun noch auftauchen, sind mit größter Vorsicht zu genießen, da vermutlich auch bereits Fälschungen im Umlauf sind.Das Investigativ-Netzwerk Bellingcat wies nach, dass die Dokumente teils im Nachhinein manipuliert wurden.
Zweifellos ist die Affäre für die US-Regierung und für die Geheimdienste wieder einmal recht peinlich. Einmal mehr zeigt sich, dass der Militär- und Geheimdienstapparat der USA solche Dimensionen angenommen hat und so viele Papiere produziert, dass die Geheimhaltung von internen Informationen offenbar eine echte Herausforderung darstellt. Hunderte, vielleicht Tausende Mitarbeiter und Außenstehende mit der entsprechenden Sicherheitsstufe hätten zu den Dokumenten Zugang gehabt, sagte ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums der »Washington Post«.
Das US-Justizministerium hat in der Sache Ermittlungen aufgenommen. Zuerst sollen die Papiere übrigens auf der Plattform Discord aufgetaucht sein. Sie ist auf Videospiele spezialisiert und daher in der Gamer-Szene weltweit recht beliebt.
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Geheime US-Dokumente zum Ukrainekrieg: Pentagon sieht »sehr hohes« Sicherheitsrisiko
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Die jüngsten Entwicklungen: Weil er den Dienst an der Waffe verweigert muss ein Ukrainer lange ins Gefängnis. Kiew bezweifelt, dass Präsident Selenskyj abgehört wurde. Und: USA verurteilen russischen Umgang mit Journalist. Der Überblick.
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Ukraine muss wegen geleakter US-Dokumente angeblich Kriegspläne ändern: Öffentlich gewordene Unterlagen mit mutmaßlichen US-Militärgeheimnissen drängen die Ukraine laut CNN teilweise zur Umplanung.
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»Als sie uns sagten, dass wir länger bleiben würden, brachen wir in Tränen aus«: Glückliches Wiedersehen an der Grenze zu Belarus: Die Organisation »Save Ukraine« hat Kinder in die Ukraine zurückgeholt, die vor Monaten aus russisch besetzten Gebieten verschleppt worden waren.
Joe Biden besucht die liebe Verwandtschaft
Viele Amerikanerinnen und Amerikaner sind stolz auf ihre Einwanderer-Vorfahren, auch wenn sie oft nur noch ungefähr wissen, wo die genau herkamen. US-Präsident Joe Bidens Familie ist irischer Abstammung, weshalb es für Irland und ihn selbst eine große Sache ist, dass der mächtigste Mann der Welt nun die Insel besucht. Biden beginnt seinen mehrtägigen Trip in die alte Heimat mit einem Abstecher in die britische Provinz Nordirland, danach ist die Republik Irland an der Reihe.
Joe Biden mag Irland, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass er dies in Reden oder Interviews gerne erwähnt. Er gilt zudem als der »irischste« Präsident seit John F. Kennedy, weil noch einigermaßen nachvollziehbar ist, dass in seiner Ahnengalerie Verbindungen zu mehrere Regionen Irlands bestehen. Er hat auf der Insel auch noch entfernte Verwandte.
Der offizielle Anlass für die Visite ist der 25. Jahrestag der Besiegelung des Karfreitagsabkommens, mit dem der blutige Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken auf der Insel einigermaßen befriedet wurde.
Das Abkommen gilt bis heute als diplomatische Meisterleistung. Es wurde von dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton in dessen Amtszeit im Weißen Haus maßgeblich mitverhandelt, was für Biden natürlich ein zusätzlicher Grund sein dürfte, diesen politischen Erfolg noch einmal in Erinnerung zu rufen.
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25 Jahre Karfreitagsabkommen: Das Wunder von Belfast
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Verlierer des Tages…
… ist Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter. Der Friedensnobelpreisträger, der weltweit für seinen Einsatz für sein unterdrücktes Volk und für seine buddhistische Weisheit verehrt wird, hat mit einem veritablen Shitstorm zu kämpfen. Seit dem Wochenende sorgt im Netz ein Video für Aufregung, das aus dem Februar stammt. Der Dalai Lama ist darauf bei einer Veranstaltung in Nordindien zu sehen, bei der er einen kleinen Jungen auf den Mund küsst. Danach streckt der 87-Jährige seine Zunge heraus und fragt das Kind: »Kannst du an meiner Zunge lutschen?«
Das alles wirkt sehr seltsam, hinterlässt keinen besonders guten Eindruck und wirft Fragen auf. Immerhin hat sich der Dalai Lama für sein Verhalten schnell entschuldigt: »Seine Heiligkeit möchte sich bei dem Jungen und seiner Familie sowie bei seinen vielen Freunden auf der ganzen Welt für die Verletzung entschuldigen, die seine Worte verursacht haben könnten«, heißt es in einer Erklärung auf dem Twitter-Konto des Dalai Lama. Dieser necke die Menschen, die er trifft, »oft auf unschuldige und spielerische Weise, auch in der Öffentlichkeit und vor Kameras«, hieß es weiter. »Er bedauert den Vorfall.«
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Ihr Roland Nelles, US-Korrespondent