News zum Russland-Ukraine-Krieg: Das geschah in der Nacht zu Dienstag (11. April)
Weil er den Dienst an der Waffe verweigert, muss ein Ukrainer ins Gefängnis. Kiew bezweifelt, dass Präsident Selenskyj abgehört wurde. Und: USA verurteilen russischen Umgang mit Journalist. Die jüngsten Entwicklungen.
Das sagt Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Austausch von mehr als 200 Kriegsgefangenen zwischen Moskau und Kiew begrüßt. »Das sind 100 Familien, denen vor Ostern echte Freude geschenkt wurde«, sagte Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videoansprache über die ukrainischen Heimkehrer. Die orthodoxen Kirchen feiern das Osterfest erst am kommenden Sonntag. Selenskyj zufolge wurden auch 20 Soldatinnen freigelassen.
Der Staatschef bedankte sich zudem bei Deutschland für weitere militärische Hilfe. In den vergangenen beiden Wochen seien Panzertechnik, Luftabwehrsysteme, Munition, Maschinen und Medizintechnik geliefert worden. Das alles stärke die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. Mit Blick auf Russland fügte Selenskyj hinzu: »Das Wort Verlierer muss zum Begleiter des Wortes Aggressor werden. Und nur ein ukrainischer Sieg kann dies gewährleisten.«
In der Ukraine ist ein Kriegsdienstverweigerer zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der 40-Jährige sei Einberufungsbescheiden wiederholt nicht nachgekommen, teilte die Staatsanwaltschaft des Kreises Tkatschiw im Westen des Landes mit. Der Mann aus einem Dorf nahe der Grenze zu Rumänien habe erklärt, keine Waffe in die Hand nehmen zu können, um andere Menschen zu töten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Verfassung der Ukraine gestattet Wehrdienstverweigerung nur aus religiösen Gründen. Der Verurteilte gehört nach Angaben der Staatsanwaltschaft aber keiner Religionsgemeinschaft an, die Gewalt strikt ablehnt. Manche Ukrainer versuchen, sich vom Wehrdienst freizukaufen oder mit gefälschten Unterlagen ins Ausland zu fliehen. Für ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren wurde unmittelbar nach dem russischen Einmarsch im Februar vergangenen Jahres ein grundsätzliches Ausreiseverbot verhängt.
Die ukrainische Führung hat eine angebliche Abhöraktion der USA gegen Präsident Selenskyj in Zweifel gezogen. Beratungen des Staatschefs mit dem Militär liefen anders ab als in veröffentlichten Geheimdienstdokumenten dargestellt, sagte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Montag im ukrainischen Fernsehen. Die Beziehungen der Ukraine zu ihren westlichen Partnern seien durch die Veröffentlichungen nicht gefährdet. »Das sind normale Analysen«, sagte er. Auch Pläne zu einer ukrainischen Gegenoffensive würden nicht torpediert, weil daran noch gearbeitet werde.
Zuvor hatte es Berichte über Geheimdokumente des US-Verteidigungsministeriums gegeben, wonach Selenskyj Ende Februar in einer Beratung mit der Armeeführung Drohnenangriffe auf Standorte der russischen Armee im Gebiet Rostow vorgeschlagen habe. Das könnte Washington darin bestärkt haben, Kiew keine weiter reichenden Waffen zu liefern, hieß es. Podoljak widersprach dieser Darstellung: »Es macht keinen Sinn, einfach abstrakt zu sagen: ›Lasst uns das Gebiet Rostow bombardieren.‹« Bei solchen Beratungen würden vielmehr Prioritäten gesetzt und Strategien festgelegt.
Podoljak beschwichtigte auch, dass beispielsweise Informationen zu Problemen der ukrainischen Flugabwehr ohnehin bekannt seien.
Humanitäre Lage
Die USA haben die Verhaftung des »Wall Street Journal«-Korrespondenten Evan Gershkovich in Russland offiziell als unrechtmäßig eingestuft. Das teilte das Außenministerium am Montag in Washington mit. »Journalismus ist kein Verbrechen. Wir verurteilen die fortgesetzte Unterdrückung unabhängiger Stimmen in Russland durch den Kreml und seinen anhaltenden Krieg gegen die Wahrheit«, hieß es in einer Mitteilung. Russland wurde aufgefordert, Gershkovich sowie den ebenfalls inhaftierten US-Amerikaner Paul Whelan freizulassen.
Der Korrespondent des »Wall Street Journal« war Ende März unter Spionagevorwürfen in der Großstadt Jekaterinburg im Ural vom Geheimdienst FSB festgenommen worden. Jetzt sitzt der 1991 geborene Reporter in Untersuchungshaft. Bei einer Verurteilung drohen Gershkovich bis zu 20 Jahre Haft. Die Affäre belastet die ohnehin gespannten Beziehungen zwischen Washington und Moskau noch mehr. Whelan war bereits 2018 wegen angeblicher Spionage verurteilt worden.
Der angeklagte russische Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa bereut nach eigenem Bekunden keine seiner Äußerungen – obwohl ihm wegen Kommentaren gegen den Ukrainekrieg 25 Jahre Haft drohen. »Ich unterschreibe jedes Wort, dass ich gesagt habe und wegen dessen ich heute angeklagt bin«, zitierte ein Journalist am Montag Kara-Mursas letzte Worte vor Gericht im Onlinedienst Telegram. »Nicht nur bereue ich nichts – ich bin stolz darauf«, führte er demnach fort.
Dem 41-Jährigen werden mehrere Vorwürfe gemacht, darunter Hochverrat und die Verbreitung von Falschinformationen über die russische Armee. In der vergangenen Woche hatte die Staatsanwaltschaft bei einer Anhörung hinter verschlossenen Türen 25 Jahre Haft für Kara-Mursa beantragt.
»Ich mache mir nur einen Vorwurf«, sagte der Kremlkritiker weiter. »Ich habe nicht geschafft, genug meiner Landsleute und Politiker in demokratischen Ländern von der Gefahr zu überzeugen, die das gegenwärtige Regime im Kreml für Russland und die Welt darstellt.«
Das Urteil gegen Kara-Mursa wird für nächsten Montag erwartet. »Ich weiß auch, dass der Tag kommen wird, an dem sich die Dunkelheit über unserem Land auflöst«, sagte der langjährige Gegner Putins. »Wenn der Krieg als Krieg bezeichnet« werde und »diejenigen, die diesen Krieg angezettelt und begonnen haben, als Kriminelle gebrandmarkt werden und nicht diejenigen, die versucht haben, ihn zu stoppen«.
Internationale Reaktionen
Nach der Veröffentlichung von Geheimdokumenten zum Krieg in der Ukraine bemüht sich die US-Regierung um Aufklärung. »Wir nehmen die Sache sehr, sehr ernst«, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, in Washington. Das Verteidigungsministerium leite eine behördenübergreifende Prüfung, »welche Auswirkungen dies auf die nationale Sicherheit haben könnte«. Beim Justizministerium laufe eine strafrechtliche Untersuchung. Präsident Joe Biden werde fortlaufend informiert.
Seit Wochen kursieren im Internet offensichtlich geheime Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. US-Medien berichten seit Tagen über sensibles Material zu beiden Kriegsparteien, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen. Unklar ist, wer die schon vor Wochen bei prorussischen Kanälen verbreiteten Dokumente publiziert hat. Das Investigativ-Netzwerk Bellingcat wies nach, dass sie teils nachträglich manipuliert wurden.
Was heute passiert
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Der Internationale Währungsfonds (IWF) legt um 15 Uhr eine neue Prognose zur Entwicklung der Weltwirtschaft in diesem und im kommenden Jahr vor. IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas wird die Ergebnisse der Schätzung in Washington vorstellen. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Kristalina Georgiewa, hatte bereits deutlich gemacht, dass die Wachstumsaussichten infolge des Krieges in der Ukraine und der hohen Inflation weltweit bei unter 3 Prozent liegen dürften. Auch für die kommenden fünf Jahre sagte sie ein »historisch schwaches« Wachstum von um die 3 Prozent voraus.