Atomausstieg ist laut Robert Habeck unumkehrbar
Am Samstag ist Schluss: Die drei letzten deutschen Atomkraftwerke werden abgeschaltet. Und zwar endgültig, sagt der Wirtschaftsminister. In der Ampel – und in der Bevölkerung – sehen das nicht alle so.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hält den bevorstehenden Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie trotz aller Widerstände für nicht umkehrbar. Die drei letzten Kraftwerke würden nach der Abschaltung am 15. April »früher oder später in den Rückbau gehen«, sagte der Grünenpolitiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Ein Neubau von Atomkraftwerken habe sich immer als »ökonomisches Fiasko« dargestellt, »ob in Frankreich, Großbritannien oder Finnland«, so Habeck. Daran hätten die Betreiber auch gar kein Interesse. (Lesen Sie hier den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel zum Atomausstieg.)
Eine Mehrheit der Deutschen spricht sich laut einer aktuellen Umfrage allerdings dafür auf, die Kraftwerke weiter laufen zu lassen. So zumindest geht es aus einer nun bekannt gewordenen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor. Dafür wurden bundesweit rund 2000 Personen zum Thema befragt.
Dabei stimmten 32 Prozent der Aussage zu, dass die Atomkraftwerke noch für eine begrenzte Zeit weiterlaufen sollten. 33 Prozent erklärten, dass die AKWs auf unbestimmte Zeit weiterlaufen sollten.
Mehrheit für Abschaltung nur unter Grünen-Wählern
Eine Mehrheit für das sofortige Ende der Atomkraft in Deutschland gibt es nur unter den Anhängern der Grünen mit 56 Prozent. Bei den Wählern aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien überwiegt dagegen die Ablehnung. Von den Linken-Anhängern sind nur 37 Prozent für die Abschaltung der Meiler, dahinter folgen die SPD-Wähler mit 31 Prozent vor denen der CDU/CSU (16 Prozent), der FDP (12 Prozent) und der AfD (6 Prozent).
Eine andere kürzlich veröffentlichte Befragung des Kopernikus-Projekts Adriane kam allerdings zu anderen Ergebnissen. Dort sprachen sich 54 Prozent für das Aus der Kernenergie aus, während 31 Prozent dagegen waren. Der Rest machte keine Angabe.
Die Ergebnisse basieren auf zwischen 2017 und 2021 durchgeführten Panel-Befragungen von über 6500 Personen, die von mehreren wissenschaftlichen Instituten gemeinsam ausgewertet wurden. (Lesen Sie hier mehr über die Befragung der Deutschen zum Klimaschutz.)
FDP wirft Grünen Blockade vor
Kritik am Atomausstieg kommt aus der FDP. Trotz einer Verankerung im Koalitionsvertrag hält Generalsekretär Bijan Djir-Sarai den Schritt für falsch und forderte angesichts des Verzichts auf Kohlestrom einen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke. »Notsituationen wie zuletzt infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine lassen sich nicht zuverlässig prognostizieren«, erläuterte der FDP-Politiker.
»Es ist bedauerlich, dass die Grünen blockieren und kein Einsehen haben«, so Djir-Sarai zur dpa. »Wir sollten auch die Chancen neuer und sicherer Technologien der Kernspaltung und Kernfusion ergebnisoffen diskutieren«, sagte Djir-Sarai der dpa. (Lesen Sie hier mehr zur Entwicklung der Kernfusion und warum sie zu spät für eine kurzfristige Dekarbonisierung der Wirtschaft kommt.)
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte unterdessen die Beschaffung neuer Brennstäbe für die drei verbliebenen Meiler Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Dafür gebe es jetzt noch die Möglichkeit, um die Kraftwerke dann im kommenden Winter bei hohem Energiebedarf wieder ans Netz gehen zu lassen. »Deswegen fordere ich die Bundesregierung auf, die notwendige Entscheidung zur Brennstoffbeschaffung zu treffen, damit wir im nächsten Winter keine Blackouts erleben«, sagte Dobrindt.
Habeck sieht keine Probleme für nächsten Winter
Bundeswirtschaftsminister Habeck betonte dagegen, die Energieversorgung sei sicher. »Die Energieversorgungssicherheit in Deutschland wurde in diesem schwierigen Winter gewährleistet und wird auch weiter gewährleistet sein«, sagte er. »Wir haben die Lage im Griff durch die hohen Füllstände in den Gasspeichern und die neuen Flüssiggasterminals an den norddeutschen Küsten und nicht zuletzt durch mehr erneuerbare Energien.«
Eine im Auftrag der Grünenfraktion erstellte Studie kommt unterdessen zu dem Schluss, dass erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie um ein Vielfaches günstiger seien als Atomkraft. »Tatsächlich entbehren Forderungen nach dem Weiterbetrieb der Kernkraftwerke in Deutschland oder gar des Neubaus jeglicher ökonomischen Grundlage«, heißt es in dem Kurzgutachten der TU Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung .
EnBW rechnet mit langem nuklearen Rückbau
Die am kommenden Samstag vom Netz gehenden Meiler hätten eigentlich schon Ende vergangenen Jahres abgeschaltet werden sollen. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der dadurch ausgelösten Energiekrise beschloss die Ampelkoalition im vergangenen Jahr jedoch, die drei letzten Kraftwerke über den Winter noch weiterlaufen zu lassen.
Am kommenden Samstag sollen sie nun aber endgültig heruntergefahren werden. Damit endet nach mehr als 60 Jahren die Stromgewinnung aus Atomkraft in Deutschland.
Der Energieversorger EnBW, der das Kraftwerk Neckarwestheim 2 betreibt, teilte mit, dass der demnächst beginnenden nukleare Rückbau in 10 bis 15 Jahren abgeschlossen sein werde. Dann stehen lediglich noch Gebäude auf dem Gelände, die eventuell abgerissen werden müssen.