Erdbeben-Türkei-Syrien-News am Samstag: Faeser will Betroffenen die Unterkunft bei Verwandten in Deutschland erleichtern
Türkische und syrische Familien sollen enge Verwandte aus der Katastrophenregion unbürokratisch zu sich holen können. Und: Die türkische Polizei hat mehrere Bauunternehmer und mutmaßliche Plünderer festgenommen. Die News am Samstag.
Zahl der Toten steigt auf 25.000 – erste Massengräber
21.08 Uhr: Im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Anzahl der Toten auf 25.000 gestiegen. Nach Angaben des türkischen Präsidenten sind allein in der Türkei 80.104 weitere Menschen verletzt. Nahe dem Unglücksort wurden nun die ersten Massengräber ausgehoben.
Mindestens 48 mutmaßliche Plünderer festgenommen
20.07 Uhr: Die türkischen Behörden haben mindestens 48 Menschen wegen mutmaßlicher Plünderungen festgenommen. Allein in der Provinz Hatay seien 42 Verdächtige festgenommen worden, bei denen größere Geldsummen, Schmuck, Bankkarten, Computer, Handys sowie Waffen gefunden worden seien, berichtete die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag unter Berufung auf Sicherheitsvertreter.
Laut einem ebenfalls am Samstag im Amtsblatt veröffentlichten Erlass können Staatsanwälte in den zehn Erdbebenprovinzen im Rahmen des von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ausgerufenen Notstands mutmaßliche Plünderer sieben Tage lang in Gewahrsam nehmen. Bisher waren es vier Tage.
Erdoğan hatte zuvor ein hartes Vorgehen gegen Plünderer angekündigt. »Alle, die in Plünderungen oder Entführungen verwickelt sind, sollten sich von nun an bewusst sein, dass der Staat sie fest im Visier hat«, sagte Erdoğan bei seinem Besuch in der Provinz Diyarbakir und verwies dabei ausdrücklich auf die Notstandsregelungen.
Zwölf Festnahmen nach Einsturz tausender Gebäude in der Türkei
18.25 Uhr: Nach dem Einsturz Tausender Gebäude in den türkischen Erdbebengebieten hat die Polizei am Samstag zwölf mutmaßliche Verantwortliche festgenommen. Dazu zählten mehrere Bauunternehmer aus den Provinzen Gaziantep und Sanliurfa, wie die türkische Nachrichtenagentur DHA berichtete. Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu erließ der Staatsanwalt der ebenfalls von dem Beben betroffenen Provinz Diyarbakir am Samstag 29 weitere Haftbefehle. In weiteren Provinzen wurden Ermittlungen eingeleitet.
Das türkische Justizministerium wies die Staatsanwaltschaft in den zehn betroffenen Provinzen an, spezielle Ämter zur Untersuchung von »Vergehen in Verbindung mit dem Erdbeben« einzurichten.
Innenministerin Faeser: Betroffene können mit Visa unbürokratisch zu deutschen Verwandten reisen
16.48 Uhr: Betroffene der Erdbebenkatastrophe aus der Türkei und Syrien können bei Verwandten und Angehörigen in Deutschland unterkommen und unbürokratisch mit Visa einreisen. Darauf einigten sich am Samstag das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt, wie die »Bild am Sonntag« berichtete.
»Es geht um Hilfe in der Not«, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der demnach. »Wir wollen ermöglichen, dass türkische oder syrische Familien in Deutschland ihre engen Verwandten aus der Katastrophenregion unbürokratisch zu sich holen können.«
Faeser fügte hinzu: »Mit regulären Visa, die schnell erteilt werden und drei Monate gültig sind.« Das werde das Bundesinnenministerium gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt möglich machen. Es gehe darum, dass die Menschen in Deutschland »Obdach finden und medizinisch behandelt werden können«.
Österreichs Erdbebenhelfer haben Militärschutz
15.45 Uhr: Das österreichische Militär setzt seine Rettungsarbeiten nach dem Erdbeben in der Türkei nach einer Unterbrechung nun mit türkischem Militärschutz fort. Die türkische Armee habe den Schutz der Soldatinnen und Soldaten der Katastrophenhilfseinheit übernommen, twitterte der Sprecher des österreichischen Bundesheers am Samstagnachmittag. Österreich ist seit Dienstag mit 82 Militärangehörigen in der türkischen Provinz Hatay im Einsatz.
Oberstleutnant Pierre Kugelweis hatte der Nachrichtenagentur APA am Samstagmorgen gesagt, die Suche nach Überlebenden sei wegen Sicherheitsrisiken unterbrochen worden. »Es gibt zunehmend Aggressionen zwischen Gruppierungen in der Türkei. Es sollen Schüsse gefallen sein«, sagte Kugelweis. »Wir würden gerne weiterhelfen, aber die Umstände sind, wie sie sind.«
Deutsche und österreichische Helfer setzen Erdbebeneinsatz aus
14.18 Uhr: Wegen einer sich verschlechternden Sicherheitslage haben deutsche und andere Hilfsteams ihre Rettungsarbeiten in der Erdbebenregion in der Türkei am Samstag unterbrochen. Wie ISAR Germany und das Technische Hilfswerk (THW) mitteilten, unterbrachen beide Teams in Abstimmung mit dem türkischen Katastrophenschutz Afad ihren Einsatz, da sich die Sicherheitslage in der Region Hatay offenbar geändert habe. Lesen Sie hier mehr dazu.
WHO-Chef trifft mit Hilfsgütern im syrischen Aleppo ein
13.40 Uhr: Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, ist in der syrischen Stadt Aleppo eingetroffen. Im Gepäck: eine Lieferung von etwa 37 Tonnen medizinischer Hilfsgüter. Es handle sich um die erste Lieferung von Hilfsgütern durch die WHO, sagte Tedros. Die Organisation werde weitere medizinische Nothilfe leisten und die nötigen Güter für die Traumabehandlung zur Verfügung stellen. Am Sonntag werde eine weitere Lieferung im Umfang von 30 Tonnen eintreffen.
Richard Brennan, Nothilfekoordinator der WHO, sagte unterdessen, die Hilfe für Erdbebenopfer in Syrien müsse deutlich ausgeweitet werden: »Wir müssen mit größerer Dringlichkeit und in größerem Umfang handeln und uns besser organisieren.« Die Toten- und Verletztenzahlen seien immens, was aber oft vernachlässigt werde, seien die vielen Obdachlosen. Allein in Aleppo im von der Regierung kontrollierten Teil Nordwestsyriens haben laut WHO nach ersten Schätzungen rund 200.000 Menschen das Dach über dem Kopf verloren, in der Hafenstadt Latakia weitere 140.000.
»Offen gesagt ist Syrien seit vielen Jahren grob vernachlässigt worden«, sagte Brennan. Der Bedarf für humanitäre Hilfe in Syrien sei im vergangenen Jahr noch nicht einmal zur Hälfte gedeckt worden.
Bangladesch schickt Nothilfe für syrische Erdbebenopfer
13.30 Uhr: Bangladesch hat humanitäre und medizinische Hilfe für Syrien geschickt. Beladen mit insgesamt elf Tonnen Zelten, Decken, warmer Kleidung, Trockennahrung und Medikamenten habe eine Maschine der Luftwaffe in der Nacht die Hauptstadt Dhaka Richtung Damaskus verlassen, erklärte ein Sprecher des Katastrophenschutzministeriums. Auch brach nach Angaben des Außenministeriums ein 17-köpfiges Rettungsteam der Luftwaffe in den Nordwesten Syriens auf.
Bereits am Mittwoch hatte Bangladesch ein Rettungsteam in die Türkei gesandt. Der Donnerstag wurde in dem mehrheitlich muslimischen Land als Trauertag ausgerufen. Das Land im Osten des indischen Subkontinents ist selbst regelmäßig Naturkatastrophen ausgesetzt.
40 Katastrophenhelfer kehren am Sonntag zurück
13.10 Uhr: Da die Überlebenswahrscheinlichkeit nach den Erdbeben mittlerweile nahe null sei – gerade bei den frostigen Temperaturen vor Ort – stellt die @fire die Such- und Rettungsarbeiten ein und beendet den Einsatz. Das teilte die Organisation mit. 40 Katastrophenhelferinnen und -helfer kehren demnach am Sonntag aus der Türkei zurück.
Nicht einmal 24 Stunden nach dem verheerenden Erdbeben seien die ersten Helferinnen und Helfer der Hilfsorganisation am Montag in dem Gebiet im Einsatz gewesen, sagte ein Sprecher. Insgesamt fünf Menschen, darunter eine Mutter und ihre Tochter, konnten die Einsatzkräfte mit ihren drei Rettungshunden aus zusammengestürzten Gebäuden retten.
İskenderun: Baby nach 128 Stunden aus Trümmern gerettet
12.56 Uhr: Mehr als fünf Tage nach dem verheerenden Erdbeben ist in der osttürkischen Provinz Hatay laut einem Medienbericht ein zwei Monate altes Baby lebend aus Trümmern geborgen worden. Der Säugling sei in der Mittelmeergemeinde İskenderun 128 Stunden lang unter Schutt begraben gewesen, bevor er herausgezogen und in ein Krankenhaus gebracht wurde, berichtete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag.
Noch immer suchen Helfende in der Türkei und in Syrien nach Überlebenden. Doch die Bergungsarbeiten sind ein Rennen gegen die Zeit: Die kritische Überlebensgrenze für Verschüttete liegt normalerweise bei 72 Stunden. Menschen überleben nur in seltenen Fällen länger als drei Tage ohne Wasser.
Türkei öffnet Grenzübergang zu Armenien
12.50 Uhr: Trotz tiefer Feindschaft öffnet die Türkei einen Grenzübergang zu Armenien. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, passierten fünf Lastwagen mit humanitärer Hilfe einen Grenzposten in der türkischen Provinz Iğdır. Zuletzt sei das 1988 nach einem Beben in der Ex-Sowjetrepublik Armenien möglich gewesen.
Die Landgrenze zwischen der Türkei und Armenien ist seit 1993 geschlossen. Das Verhältnis zwischen Ankara und Eriwan ist sowohl aus historischen Gründen als auch wegen des Konflikts um die Gebirgsregion Berg-Karabach schwer belastet. Die beiden Nachbarn unterhalten aber seit Ende 2021 wieder diplomatische Kontakte.
Giffey kündigt »Luftbrücke« aus Berlin in die Türkei an
12.40 Uhr: Für Hilfsgüter von der Hauptstadt in die Türkei soll es nach Angaben von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey eine Luftbrücke geben. »Und es ist gelungen, mit vielen, die gespendet haben, dass wir eine Luftbrücke von Berlin in die Türkei bauen, auch in Zusammenarbeit mit der türkischen Botschaft, mit dem Generalkonsulat«, sagte die SPD-Politikerin bei einem Gedenken an die Erdbebenopfer am Brandenburger Tor. »Wir haben am Flughafen BER eine über 6000 Quadratmeter große Halle, die jetzt gefüllt wird mit Tonnen von Spenden, mit Tausenden von Paletten, die gerade gesammelt werden und die in die Türkei gehen. Die ersten Flüge sind schon gelaufen«, so Giffey weiter.
Vor Giffey hatte bereits Agrarminister Cem Özdemir gesprochen und seine Forderung nach Visa-Erleichterungen wiederholt: »Viele Menschen in Deutschland haben Verwandte in der Katastrophenregion und sorgen sich verzweifelt um sie. Wir sollten es ihnen parteiübergreifend ermöglichen, Angehörige aus der Türkei und Syrien vorübergehend bei sich aufzunehmen«, sagte der Grünenpolitiker: »Dafür sollten die Einreisebedingungen schnell und pragmatisch angepasst werden. Hilfe darf nicht an bürokratischen Visaerleichterungen scheitern.«
In Syrien trafen die Beben eine bereits vom Krieg traumatisierte Bevölkerung. Die ohnehin schon schwierige Katastrophenhilfe wird noch komplizierter.
Nach vier Tagen gerettete Zeyneb gestorben
12.34 Uhr: Die Nachricht ihrer Rettung nach über hundert Stunden unter Trümmern ging um die Welt. Wenige Stunden später musste das deutsche Team, das die Frau lebend bergen konnte, nun ihren Tod bekannt geben. Lesen Sie hier mehr dazu.
Fast 1900 Nachbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet
12.30 Uhr: Nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien hat es bis Samstagmorgen 1891 Nachbeben in der Region gegeben. Das teilte die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad mit.
Unesco: Schwere Schäden an Welterbestätten durch Erdbeben
12.20 Uhr: Die Uno-Kulturorganisation Unesco beklagt schwere Schäden an Kulturstätten durch das verheerende Erdbeben in Syrien und der Türkei. »Uns wurde bislang von schweren Schäden in der altertümlichen Stadt von Aleppo berichtet«, teilte die Unesco der Deutschen Presse-Agentur mit. Die Zitadelle aus dem 13. Jahrhundert sei beschädigt worden, genauso wie der historische Souk. Man sei sehr besorgt über die Situation. Das syrische Aleppo ist eine der ältesten Städte der Welt.
In der Türkei sind nach Angaben der Unesco mehrere Gebäude in der Stadt Diyarbakır eingestürzt, ein wichtiger Ort im römischen und im Osmanischen Reich. Es werde wohl noch Tage oder Wochen dauern, bis die Unesco einen genauen Überblick über alle Schäden habe.
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Karten, Grafiken und Bilder, die die zerstörerische Kraft der Erdstöße erahnen lassen, sehen Sie hier: Ein Beben, so groß wie Deutschland
Hörtipp: Zehntausende Tote, Millionen Obdachlose und viele offene Fragen
In den Erdbebengebieten der Türkei und Syriens schwindet die Hoffnung auf Überlebende. Die Kritik an Staatsführung und mangelhafter Rettungsorganisation bleibt. Was bedeutet das für Präsident Erdoğan? Darüber spricht Özlem Topçu in der aktuellen Ausgabe des Auslandspodcasts Acht Milliarden.
Schwangere nach 115 Stunden aus Trümmern befreit
12.10 Uhr: Die Suche nach Überlebenden geht unermüdlich weiter, vereinzelt können Rettungskräfte Hoffnung geben. In Gaziantep wurden eine Schwangere und ein Mädchen gerettet. Doch auch die Zahl der Opfer der verheerenden Erdstöße steigt. Lesen Sie hier mehr dazu.
Zahl der Toten steigt auf fast 24.000
12.00 Uhr: Die Zahl der Todesopfer des verheerenden Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist in der Nacht zum Samstag auf nahezu 24.000 gestiegen. In der Türkei starben nach jüngsten Behördenangaben 20.318 Menschen, in Syrien stieg die Opferzahl auf 3553. Es wird befürchtet, dass mit Fortschreiten der Bergungsarbeiten weitere Todesopfer gefunden werden. Insgesamt wurden damit 23.871 Todesopfer durch den Erdstoß mit einer Magnitude von 7,8 am Montagmorgen vermeldet.
Auch die Zahl der Verletzten geht in die Zehntausende. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden allein in Syrien bis zu 5,3 Millionen Menschen obdachlos. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass auf beiden Seiten der Grenze bis zu 23 Millionen Menschen von den Folgen des Bebens betroffen sind.